29 | Prédateurs

3.2K 85 0
                                    

Das orange lodernde Feuer im Kamin des Salons, in der Stadtvilla der Lankford's in der Westbourne Street, war eine willkommene Abwechslung zu den eisigen Temperaturen draußen. Fast schüchtern nahm mir Jaden meinen Mantel ab und reichte ihm einen der Hausmädchen. Als sie in Richtung der Garderobe verschwunden war, machte er mir eines seiner wenigen ehrlichen Komplimente »Ich wusste nicht, dass du doch Sinn für Mode hast. Das Kleid steht dir gut...« »Es steht ihr ausgezeichnet«, Jadens Bruder Raymond trat durch die Tür des Esszimmers. In seinen Händen hielt er ein Glas Bourbon Whiskey.

 »Miss Acaster«, begrüßte er mich schließlich und warf Jaden einen fragenden Blick zu. »Es überrascht mich, dass Sie über die Fehler meines Bruder anscheinend hinwegsehen können - wirklich beachtlich«, fügte er hinzu, als hätte ich nicht seinen offensichtlichen Blick in Richtung Jaden bemerkt. Jaden trat hastig vor mich »Ja, sie ist wirklich ein Engel«, er führte mich an der Hand an seinem Bruder vorbei in Esszimmer, dabei warf er über seine Schulter zurück »Wenn du uns entschuldigst, Raymond«. Es war mir sichtlich unangenehm in das Privatleben der Lankford's einfach so ungefragt einzudringen, denn es schien mir, als hätte niemand von Jadens Einladung an mich gewusst. 

An dem Tisch saß bereits eine blonde Frau in meinem Alter und sein Vater, James Lankford, den ich nur flüchtig aus Zeitungen und vom Sehen in der Kanzlei damals kannte. »Jaden«, er wirkte ebenso überrascht über die Ankunft seines Sohn wie Raymond zuvor »Wie kommt es, dass du zum ersten Mal seit drei Jahren an meinem Geburtstagsdinner teilnimmst?«, sein Blick fiel auf mich »Ich sehe, vielleicht weil du uns deine reizende Begleitung vorstellen willst?«. Er erhob sich und reichte mir die Hand »James Lankford, Jadens Vater und Innhaber der Kanzlei Lankford & Sons«. Erst jetzt bemerkte ich die Falten auf seiner Stirn und unter den Augen - er musste ungefähr Mitte fünfzig sein. »Und das ist meine Frau, Everett«, sie nickte nur als Begrüßung wandte sich dann wieder dem glitzernden Reif auf ihrem linken Arm zu. Ich verstand schnell, warum Jaden nicht so oft bei seiner Familie sein wollte: seine Stiefmutter war in seinem Alter und offensichtlich an nichts anderem interessiert, als an seinem Vater und dessen Geld.

 »Ich bin Valerie Acaster, Jadens...«, ich stockte, doch Jaden kam mir zur Hilfe »Vorläufig nur meine Begleitung für den Abend«. Sein Vater wirkte verwirrt »Vorläufig?«. Jaden begann wieder nur kindisch zu grinsen und wies mir einen Platz am Ende des Tisches neben ihm zu. Nach und nach füllten sich die leeren Plätze an der festlich gedeckten Tafel nach und nach. Ich zählte 30 Gäste, die meisten davon Geschäftspartner und Klienten von Mr. Lankford und deren Ehefrauen. Raymond setzte sich mir gegenüber und half Libby, seiner Tochter die ich nur von dem Foto aus dem Krankenhaus kannte, auf ihren Stuhl. Sie wirkte wie eine Puppe mit ihren schwarzen Locken und den dunklen, neugierigen Augen.

 »Sie müssen entschuldigen, Miss Acaster, wenn meine Tochter heute nicht gesprächig ist«, begann Raymond »Aber Libby spricht nur Französisch. Es ist nur einmal im Jahr das ich sie sehen, sie lebt das restliche Jahr bei ihrer Mutter in Paris«. Jaden schenkte mir etwas Rotwein ein »Ja, seine verflossenen Liebe eines Wochenendes in Paris... Libby ist das Ergebnis daraus«, Jadens kalte Bemerkung schockte mich, obwohl ich nichts anderes von ihm erwartet hätte. Raymond ignorierte seine Bemerkung gekonnt - wahrscheinlich weil er neben Jaden aufwachsen musste und inzwischen gelernt hatte, nicht all den Unsinn persönlich zu nehmen, sein Bruder so unbedacht daherredete. Eines der Gläser klirrte und Ladens Vater erhob sich von seinem Platz »Es freut mich, dass Sie alle so zahlreich erschienen sind. Meine Frau und ich werden versuchen gute Gastgeber zu sein...« 

»Seine Frau ist ein Biest«, flüsterte Jaden verhasst und trank sein Glas Wein auf einen Schlag leer. Ich legte meine Hand auf seinen Arm, als er versuchte nach der Flasche zu greifen um sich nachzuschenken. »Hör auf«, flüsterte ich »Du bekommst erst wieder bei der Vorspeise ein Glas«, meine Worte ließen ihn Inne halten. Er lehnte sich auf seinem Platz zurück und befolgte, zu meinem Erstaunen, meine Weisung. Ich spürte wie mir Raymond einen leichten Stoß unter dem Tisch mit dem Bein gab. »Danke«, formte er mit seinen Lippen in meine Richtung. Ich weiß es klang komisch, aber irgendwie machte mich dieser kleine Sieg über Jaden stolz. Sein Vater hatte inzwischen seine Ansprache beendet und verlange nach dem ersten Gang. Während serviert wurde, begann Jaden von neuem über seine Stiefmutter zu reden »Er hat sie nur drei Monate nach dem Tod meiner Mutter geheiratet«. 

Raymond schloss angestrengt die Augen »Bitte hör einfach auf, Jaden... du hast unsere Mutter nie besucht, als der Krebs im Endstadium war«, Jaden griff nach meinem Glas Wein »Weil ich sie so nicht sehen konnte«. Raymond wandte sich von ihm ab und begann ein mehr sinnvolles Gespräch mit mit anzufangen. »Hatten Sie jemals Kaviar, Miss Acaster?«, er reichte mir eine kleine Schale mit einem schwarzen Inhalt darin »Dieser kommt vom Schwarzem Meer und schmeckt außerordentlich gut«. Ich verneinte »Hoffentlich bin ich am Ende nicht enttäuscht... außerdem, Sie können mich ruhig Valerie nennen - ich fühle mich so alt, wenn Sie mich Miss nennen«. Raymond nickte zustimmend »Das gleiche gilt für dich, Valerie. Mr. Lankford nennt man eigentlich nur mein Vater hier«.

 Ich lachte »Jetzt muss ich endlich nicht mehr ständig im Vorhinein darüber nachdenken, wie ich Sie... ich meine dich, anspreche«. Jaden stöhnte genervt neben mir »Sie ist meine Begleitung, Raymond... außerdem, willst du wirklich noch ein uneheliches Kind?«. Mit diesen Worten erhob sich Jaden und verließ eilig den Tisch. Dabei warf er seine weiße Serviette achtlos auf sein halbvolles Teller. Raymond wirkte sichtlich beschämt »Mein Bruder ist manchmal ziemlich anstrengend, man darf einfach nicht ernst nehmen was er so vor sich hin redet«.

 Ich warf einen traurigen Blick auf Libby, die gerade dabei war ein Stück Baguette mit den Fingern in hundert Teilchen zu zerlegen »Zumindest schein er nur in einer Sprache Schaden anrichten zu können«. Raymond stimmte mir zu »Er war immer der schlechteste in Französisch damals - unsere Mutter hat immer versucht uns diese Sprache beizubringen, aber sie hatte bei mir wenig und bei Jaden gar keinen Erfolg«, er deutete hinter mich auf einen schwarzen Konzertflügel »Dafür war er der Beste was Musik anging. Aber seit das mit den Drogen und den Alkohol anfing, spielte er kaum bis gar nicht mehr. Vielleicht kannst du ihn überreden sich wieder einmal an das Klavier zu setzen. Ich habe ihn für sein Talent immer beneidet«.

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt