28 | Le monde réel

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Zwanzig Minuten später saß ich im Taxi Richtung Kensington Gardens. Ich hatte den zerknüllten Zettel den mir Jaden gegeben fest umklammert und laß die Adresse darauf immer wieder. Jadens Handschrift war unleserlich wie auf all seinen Akten und unsortierten Notizen. Eine der vielen Gründe, warum ich im Nachhinein froh gewesen war den Arbeitsplatz wechseln zu müssen. Mit müden Augen beobachtete ich den Hyde Park, an den das Taxi schon seit mehreren Minuten entlang fuhr. An diesem sonnigen Abend im Dezember schien, trotz der beißenden Kälte, halb London dort zu sein. Alte schnatternde Damen, kleine Familien und zahllose Hunde mit ihren Besitzern.

In der Ferne sah ich das aus weißem Carrara-Marmor gefertigte Monument Marble Arch - dort würde ich aussteigen. Hastig steckte ich den Zettel von Jaden in meine Handtasche, kramte zwei alte Zehn-Pfundscheine aus meiner Geldbörse und zahlte den freundlichen Taxifahrer mit starkem indischem Akzent beim Aussteigen. Nun stand ich dort suchend vor dem Marble Arch in Pumps und einem nicht gerade warmen Mantel. Eines der Häuser in der Nähe musste das der Lankford's sein. Ich suchte den Zettel mit der Adresse mit starren Fingern wieder heraus und murmelte leise die Adresse »Hyde Park Place 355, Westminstercity 2, London (offensichtlich)«. Mit zusammengebissenen Lippen ging ich die Straße ein Stück hinunter und das fand die richtige Adresse - das einzige, was mich stutzig machte, war das Aussahen des Gebäudes und dessen Umgebung. Hier konnten unmöglich die Lankford's leben. Kensington Gardens war eines der reichsten Viertel in London neben Mayfair und Highgate, aber dieser Teil - um genauer zu sein die Bayswater Road - schien mehr an der Budgetgrenze des Normalbürgers zu liegen. »Du bist also tatsächlich gekommen?«, Jadens Stimme klang sichtlich überrascht. Ich wandte mich erschrocken um und riss ihn dabei fast um.

»Vorsicht«, wies er mich grinsend hin und hielt meinen Arm um mich zu stützen »Mit diesen Schuhen solltest du nicht bei diesem Wetter rausgehen«. Mit einem kleinlauten »Danke« riss ich mich von seiner Hand los. Mit erhobenen Kopf strich ich eine Strähne hinter mein Ohr, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte. »Nicht gerade die beste Lage«, konterte ich, um unser kleines Spiel von Gehässigkeiten fortzusetzen. Jaden deutete die Straße hinauf zu seinem schwarzen Porsche »Meine Familie wohnt auch nicht hier, ich wollte nur sehen, ob du wirklich kommen würdest« »Also habe ich mich umsonst so aufgeputzt?«, fragte ich wütend. Sein Grinsen wurde noch breiter »Keine Sorge, es war nicht umsonst, Valerie«. Er versuchte es erneut und bot mir seinen Arm als Stütze an »Komm, ansonsten erfrierst du noch in deinem Kleid«.

Doch ich weigerte mich »Warum sollte ich dir vertrauen? Jetzt wo du mich an irgendeinen beliebigen Teil von London aufgrund eines lächerlichen, kindischen Scherz gelockt hast? Und weißt du eigentlich wie teuer Taxis hier sind? Ich werde keinen weiteren Schritt mit dir gehen«. Kurz schien es, als würde er damit einverstanden sein mich hier allein in der Kälte zurückzulassen, aber dann beugte er sich plötzlich nach vorn und hob mich mit Leichtigkeit hoch. »Wenn du freiwillig erfrieren willst, dann bleibt mir nichts anderes als ein verantwortungsbewusster Mitbürger übrig, als dich zu retten« »Lass mich auf der Stelle runter«, knurrte ich und spürte die Blicke der Passanten auf uns »Sofort!«. Wütend schlug ich mit zusammengeballten Fäusten auf seinen Rücken ein. Doch Jaden ignorierte all mein Bemühen.

Erst als ich neben ihm in seinem Wagen saß gestand er »Entweder bist du nicht so schlank wie du aussiehst, was ich bezweifle, oder ich sollte wieder anfangen zu trainieren«. Ich rollte genervt mit den Augen »Warum müsst ihr Männer immer mit diesem Thema anfangen? Keine Frau interessiert es wie viel Zeit ihr mit Sport verschwendet... mit deinem Charakter hilft der beste Körper nichts«. Jaden bog in die Westbourne Street ein »Deshalb habe ich auch noch die Option Geld zur Auswahl« »Du machst mich krank«, erklärte ich kopfschüttelnd. Er drückt auf einen der Knöpfe auf dem Armaturenbrett »Dann sollten wir die Temperatur erhöhen, ich will nicht das du noch an einer Lungenentzündung stirbst... ich muss zugeben, manchmal vergesse ich, dass du schwieriger bist als andere Frauen in deinem Alter«.

Beleidigt verschränkte ich meine Arme »Sagt das sechsjährige Kind neben mir« »Du vertraust mir, Valerie«, flüsterte Jaden plötzlich »Wie kommst du den darauf?«, wollte ich wissen »Du bist immer noch mit mir hier, obwohl ich dich damals bei einem Autounfall fast getötet hätte. Du bist wirklich schwer zu verstehen«. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Herzen, als ich zugab »Ich bin vielleicht nur hier, weil du der Einzige bist, der nicht aufhört zu versuchen genau das zu tun - außerdem brauchst du Hilfe von jemanden, der die echte Welt kennt«.

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt