Kapitel 1.3.

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"Wo warst du so lange?" fragte mich meine Mutter, als ich nach Hause kam.
"Noch weg. Mit Daniel." meinte ich beiläufig und rannte die Treppe nach oben in mein Zimmer. Auf dem Weg nach Hause hatte ich immer mal wieder aufgepasst, ob er nicht wieder in die Straßenbahn käme oder ich ihn irgendwo auf der Straße sah, doch leider sollte es nicht so sein. Doch ich hatte beschlossen, die Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht aufzugeben. Alles in allem hat mir das Gespräch mit meinem besten Freund gut getan. Vielleicht, weil es mir zeigte, dass jemand hinter mir stand, vielleicht aber auch, weil es mich aufforderte, ich selbst zu sein, egal, was passierte.
Und so blickte ich voller Erwartungen auf die nächsten Tage.

Aber auch die nächsten Tage wurden meine Erwartungen auf meinem Weg nach Hause enttäuscht. Immer wieder hatte ich gehofft, dass er hinzu steigen oder dass ich ihn sehen würde, doch meine Hoffnungen wurden einfach enttäuscht.

Oftmals saß ich in der Schule und konnte den Nachhauseweg nicht erwarten. Dann jedoch gab es Augenblicke, da wollte ich gar nicht in die Tram einsteigen, zum einen aus Zweifel, dass an diesem Tag meine Hoffnungen wieder vergebens sein würden, zum anderen aus Angst, falls wir uns wirklich wieder treffen sollten, denn ich wusste nicht, wie ich mich dann verhalten würde.

Doch so, wie die Tage dahin zogen, so schwand auch allmählich diese Hoffnung dahin, bis ich mich schließlich damit begnügte, meine Heimfahrten wieder alleine wie früher anzutreten.

Als dann auch noch mein Vater von seiner Geschäftsreise zurück kam, war meine Laune ganz am Boden, und ich verkroch mich zuhause lieber in mein Zimmer, was leider nicht immer klappte.
Es war an einem Montag, als ich aufgrund von Hitzefrei wieder früher von der Schule nach Hause kam. Ich öffnete gerade die Haustür, als plötzlich mein Vater vor mir stand.
"Na wen haben wir denn da? Den Herrn Sohnemann."
"Hallo Vater." sagte ich und senkte meinen Blick.
"Wo kommst du so früh her? Solltest du nicht in der Schule sitzen?"
"Stundenausfall. Wegen dem warmen Wetter."
Er sagte nichts dazu, sondern ließ mich vorbeihuschen, doch als ich bereits auf halbem Wege die Treppe nach oben war, rief er mich zurück.
"Bleib mal hier. Deine Mutter kocht nicht aus Spaß an der Freude, also wird zusammen gegessen, hast du verstanden?!"
Mitten im Hinaufhasten hielt ich inne und drehte mich zu ihm um. Sein Blick war fordernd auf mich gerichtet, sein Tonfall wie gewohnt befehlend.
Um des lieben Friedens Willen machte ich also kehrt und kam wieder herunter in die Küche, wo mich meine Mutter herzlich begrüßte. Auf dem Tisch standen bereits Teller für alle, meine Schwester saß bereits auf ihrem Platz.
"Setz dich, mein Junge." meinte meine Mutter sanft.
Ich nickte nur, und ließ mich auf den Stuhl sinken, während ich aus meinen Augenwinkeln meinen Vater beobachtete.
"Wie war's in der Schule?" meinte meine Mutter, um mit mir ein Gespräch anzufangen.
"Es ging. So kurz vor den Ferien geht den Lehrern langsam der Stoff aus."
"Dann weißt du ja, was du zu tun hast." meinte mein Vater, den ich fragend anschaute.
"Verinnerliche das Ganze nochmal. Ich will nicht noch einmal so eine Bredouille wie schonmal. Verstanden?"
Wieder nickte ich nur als Antwort, weil ich wusste, dass er auf mein Wiederholungsjahr anspielte. Mit diesem Mann ein Gespräch anzufangen über Sinn und Unsinn von Schule und Unterrichtsinhalten wäre vergeblich gewesen.

So schnell, wie es mir möglich war, schlang ich mein Essen runter, um weiteren Gesprächen mit meinem Vater aus dem Weg zu gehen, und so konnte ich nun endlich die Flucht ergreifen.
Die restliche Woche über wartete ich auf meinem Weg nach hause vergeblich. Tagaus, tagein fuhr ich mit der Tram, und ab und an schaute ich mich noch um, ob der Zufall es vielleicht doch gut mit mir meinte, aber schließlich gab ich es ganz auf.

Dennoch hatte dieser Zufall etwas in mir bewirkt. Denn dadurch, und vor allem durch die guten Ratschläge meine besten Freundes, war ich etwas offener geworden.
Wenn ich irgendwo unterwegs war, und mir ein Junge in den Blick kam, der mir gefallen könnte, so zögerte ich nicht, diesen etwas genauer zu betrachten. So wie andere irgendwelchen Frauen hinterher schauten, so schaute ich irgendwelchen Kerlen gerne mal nach. Und dennoch kam mir immer wieder dieses Bild vor Augen, als wir uns in die Augen sahen, diese wunderschönen, grauen Augen...

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt