Und es war Sommer... (boyxboy)

Kapitel 5.8.

Etwas war passiert, das hatte ich im Ton meiner Mutter mehr als deutlich gehört, und ich würde darauf wetten, dass es mit den Rotlichtgeschichten meines Alten zu tun hat. Die ganze Fahrt mit der Straßenbahn über grübelte ich, was genau in meinem Elternhaus vorgefallen sein könnte, dass die sich erst zwei Tage lang gar nicht melden, und dann meine Mutter so kurz und gehetzt anrief. Gut, ich war selbst auch nicht besser gewesen, als ich Hals über Kopf von zuhause fort bin, aber immerhin hatte meine Mutter den Grund gekannt. Durch das Grübeln und aus dem Fenster der Bahn zu starren ließ die Fahrt in den Süden der Stadt endlos erscheinen, und gefühlt eine halbe Ewigkeit später sagte ich dann endlich "Die Nächste müssen wir raus."

Lukas nickte und ging voraus Richtung Tür. Er hatte die ganze Zeit neben mir gesessen, meine Hand gehalten, aber geschwiegen. Ich wusste, dass er mich die ganze Zeit beobachtet hatte.

Hand in Hand - die "unbescholtenen Nachbarn" meines Vaters mit ihrem Gerede interessierten mich mittlerweile einen Scheißdreck! - lief ich mit meinem Freund in die Siedlung hinein und blieb schließlich vor dem Haus stehen.

"Und nun?" fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern, kramte in meinen Hosentaschen nach dem Schlüssel und öffnete.
Drinnen war es verhältnismäßig ruhig. Ich nahm an, dass wenn mich meine Mutter extra hierher kommen ließ, dass der Alte dann nicht um den Weg war.

"Mom? Bist du da?" rief ich, da kam sie uns auch schon aus der Küche entgegen.
"Meine Jungs. Schön, dass ihr beide so schnell herkommen konntet." rief sie und umarmte mich fest und herzlich, danach drückte sie Lukas an sich.
"Kathi, ist alles in Ordnung?" fragte er sie, und ich sah, dass sie in den letzten Tagen gealtert sein musste.

Erst nickte sie, dann schüttelte sie den Kopf.
"Setzt euch schonmal in die Küche, Jungs. Ich komme gleich zu euch.
Wir taten wie geheißen und setzten uns nebeneinander an den Esstisch, während sie im Gästeklo neben der Haustür verschwand.
"Tut mir leid, mein Kleiner, wenn ich es dir so direkt sage, aber sie sieht nicht gut aus." flüsterte er mir zu. Ich nickte sorgenvoll.

Kurz darauf kam sie auch schon wieder, schenkte jedem von uns ein Glas Wasser ein und setzte sich zu uns an den Tisch. Betretenes Schweigen herrschte zwischen uns dreien, und wir schauten uns nacheinander einfach nur an. Dann plötzlich ließ sie die Bombe platzen.

"Ich lasse mich von Eugen scheiden."

Das kam jetzt doch sehr plötzlich. Ich hatte zwar geahnt, dass die Sache mit meinem Vater und dem Rotlichtbezirk irgendwelche Konsequenzen für ihn haben würde, aber dass sich meine Mutter nach zwanzig Jahren Ehe doch zu solch einem radikalen Schritt entschieden hat, das kam nun doch sehr überraschend.

"Mom, bist du dir sicher? Nach so vielen Jahren?"
Sie nickte, holte sich ein Taschentuch aus dem Ärmel und schneuzte sich die Nase.

"Ja. Es ist jetzt endgültig Schluss! Ich meine... Es war schon länger der Wurm drin bei uns, da mache ich dir nichts vor, Schatz. Früher war er anders gewesen, zu mir und zu euch Kindern. Ich weiß nicht, was dann passierte... Seine kalte Art uns gegenüber, seine Alkoholexzesse, all das kam über die Jahre zusammen, und doch hatte ich nicht aufgeben wollen. Als er dann aber dich, meinen einzigen Sohn, vergrault hatte, nur weil du ihm nicht gepasst hast, ist er entschieden zu weit gegangen. Aber dann auch noch mit anderen Frauen gegen Geld herumhuren... Nein! Das setzt dem ganzen auch noch die Krone auf."

Sie seufzte und nahm einen Schluck Wasser. Ich bemerkte, dass das Glas in ihrer Hand zitterte, als sie es anhob.
"Hast du es ihm schon gesagt?"
"Gleich an dem Tag, als Bekki mir Bilder von Eugen vor diesem... diesem... diesem widerlichen Puff gezeigt hat." murrte sie. "Seitdem ist er weg. Meinetwegen kann er ja zu seinen Huren ziehen und dort schlafen!"