Kapitel 3.3.

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Die zweite Band des Abends machte sich gerade bereit, als Lukas, Sandra und Hakan in den Saal zu uns kamen. Sofort warf ich mich an seinen Hals.

"Das war so wunderschön, Lu. Danke."
"Eher habe ich dir zu danken, dass du mir verziehen hast. Ich habe Fehler gemacht, und es tut mir wirklich furchtbar Leid." meinte er.
"Es ist vergessen und in Ordnung. Ich..." doch er unterbrach mich.
"Nein, das ist nicht in Ordnung gewesen! Ich habe dir weh getan und hab es nichtmal gemerkt." meinte er und zog mich an sich.
"Du hattest Gefühle für mich, und ich hab mich so blöd angestellt, und ich empfand doch das selbe für dich, ohne es mir eingestehen zu können... Aber ich liebe dich wirklich!" fuhr er fort und küsste mich. Seine Lippen versiegelten meine, und unsere Zungen trafen sich in der Mitte. Es war der Himmel auf Erden.

Wir besorgten uns Nachschub an Bier vom Tresen und verzogen uns in eine ruhigere Ecke des Saals, während die Menge nun bei der zweiten Band des Abends abging wie ein Zäpfchen.

"Wir sind beide nicht mit der Sprache rausgerückt, obwohl wir das selbe empfanden. Wenn, dann sind wir beide einfach dumm gewesen." meinte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. "Aber ich hätte mir keine schönere Liebeserklärung wünschen können als dein Lied."
Er lächelte glücklich bei meinen Worten, mehr konnte ich mir wirklich nicht wünschen.

"Und? Wie fandet ihr unseren Auftritt heute Abend?" fragte Sandra.
"Ihr wart großartig!" meldete sich Daniel zu Wort. Hört, hört!
"Danke, das hören wir gerne." meinte sie
"Ja, ihr wart wirklich verdammt gut." antwortete Daniel, sah dabei jedoch Sandra direkt an, welche geschmeichelt ihren Blick von uns ablenkte. Fast könnte man meinen, mein bester Freund würde der besten Freundin meines Liebsten schöne Augen machen.

"Wo sind eigentlich die anderen beiden von eurer Truppe?" wollte ich spaßeshalber wissen. Lukas lachte dreckig, und Sandra machte eine obszöne Geste, mehr musste ich nicht wissen.

Irgendwann trafen die beiden total verwuschelt auch wieder zu uns, und wir verbrachten den Abend bei Bier und Musik in der Sofaecke und hatten einfach eine gute Zeit in unserer Clique. Natürlich konnten Lukas und ich die Finger nicht voneinander lassen, doch das störte hier niemanden, nur verging die Zeit wieder viel zu schnell. Die zweite Band hatte irgendwann ihr Repertoire durch, und die Jungs mussten noch ihre Instrumente und sonstiges Zeug in die Autos packen. Und ich musste auch langsam wieder nach hause.

"Könnt ihr grad meinen Kram mit runter in den Probekeller nehmen? Ich bringe meinen Freund noch schnell an die Haltestelle vor." meinte Lukas und nahm mich am Arm.
"Kein Thema!" grinste Franco und ich verabschiedete mich von den anderen. Daniel war bereits vor gegangen. Die Worte "mein Freund" von ihm zu hören machten mich unglaublich glücklich.
"Am liebsten würde ich jetzt bei dir bleiben. Die ganze Nacht." jammerte ich.
"Ich weiß, das würde mir auch gefallen. Nur müsstest du mir Vorsprung geben zum Aufräumen. Meine Wohnung macht momentan keinen guten, optischen Eindruck." meinte er und ich musste lachen.
"Sehen wir uns morgen?" fragte ich und er nickte. Dann schien er kurz zu überlegen, begann in seinen Hosentaschen zu wühlen, fand einen Papierfetzen und kritzelte mit einem Kuli etwas drauf.
"Hier, falls du mich anrufen willst, und damit du weißt wo du mich findest." meinte er und reichte mir den Zettel mit seiner Adresse drauf.
"Danke für alles." meinte ich, steckte den Zettel ein und zog ihn zu einem innigen Abschiedskuss an mich heran, ehe für mich der Heimweg begann.

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Das Neubauviertel brütete im Dunkeln, als ich freudetrunken ankam und in die Straße schlich wie ein Dieb. Ich besah das Haus meiner Eltern, es brannte kein Licht darin. Das bedeutete, dass meine Eltern wohl schliefen und es keine Schwierigkeiten geben sollte.
So leise wie möglich schloss ich auf, zwängte mich durch den Spalt und schloss wie in Zeitlupe die Tür. Vor der Treppe zog ich die Schuhe aus und schlich barfuß nach oben zu meinem Zimmer hin. Einer der vielen Vorteile der Großstadt war, dass es niemals dunkel war und ich durch die Lichtglocke am Himmel das Licht auslassen konnte, und so schaffte ich es ohne Behelligung in mein Zimmer, wechselte schnell in meine Schlabberhosen, doch als ich noch in's Badezimmer wollte, sah ich Licht im Zimmer meiner Eltern brennen. Mist! Es dauerte auch keine zwei Minuten, ehe es sachte an meiner Tür klopfte und ich die Stimme meiner Mutter hörte.

"Du bist spät Schatz."
Sie kam kurz zu mir her.
"Ich Weiß, Mom, entschuldige. Die Bahnen fahren nachts nicht mehr regelmäßig." schwindelte ich. Okay, die Bahnen fuhren tatsächlich nachts nicht mehr so oft wie tagsüber, aber das war nicht der Grund gewesen.
"Du weißt doch aber, dass du um zwölf zuhause sein sollst. Vater wollte sich schon wieder aufregen deswegen."
"Mom, ich bin sechzehn und kein kleines Kind mehr!" protestierte ich, doch sie legte mir freundlich die Hand auf die Schulter und meinte leise "Ich mache mir doch auch Sorgen um dich, wenn du nachts alleine herum läufst."

Ich sah ihr im Gesicht an, dass sie diese Worte ernst meinte, wie sollte ich da widersprechen.
"Na gut. Ich werd' in Zukunft darauf achten, okay?"
"Ist gut, mein Schatz. Gute Nacht." meinte sie und schloss die Tür hinter sich.

Da meine Mutter wach war, musste ich wenigstens nicht mehr herum schleichen und konnte sogar noch Duschen gehen, doch als ich dann im Bett lag, war ich noch viel zu aufgekratzt von diesem wunderbaren Abend, um einschlafen zu können.

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Es war bereits später Vormittag, als mich das Rufen und Spielen von Kindern draußen auf der Straße weckte. Gemütlich räkelte ich mich im Bett und blinzelte über den Rand meiner Decke ins Sonnenlicht am Fenster. Der erste Tag ohne Schule und lästige Verpflichtungen, und das war erst der Anfang von sechs Wochen Ferien! Also sehr viel Zeit, die ich mit meinem Liebsten verbringen konnte.

Es war das erste Mal seit langem, dass ich freudig aus dem Bett stieg, und nicht muffelig wie sonst immer. Ich zog mir etwas über und rannte die Treppe nach unten.

"Hallo mein Schatz." sagte meine Mutter, die in der Küche stand und das Essen zubereitete.
"Guten Morgen, Mom." antwortete ich ihr und wollte mir etwas aus dem Kühlschrank holen.
"Och Schatz! Es gibt doch gleich Essen." meinte sie liebevoll tadelnd, und ich stellte den Pudding wieder zurück.
"Ist es okay, wenn ich heute Mittag außer Haus bin?" fragte ich sie.

Sie atmete tief ein und aus und meinte "Du warst doch gestern schon zu lange weg. Und Vater wollte dir schon Hausarrest geben, weil du viel zu spät heimgekommen bist."
"Ach Mom, bitte! Es sind Ferien, und ich werde schon nicht so spät kommen wie gestern." protestierte ich. Ich merkte, wie sie mit sich rang, aber schließlich sagte sie dann doch "Na schön, mein Schatz. Aber komm' pünktlich heim!"

"Danke Mom, du bist die Beste!" meinte ich und umarmte sie dankbar.
"Wie war eigentlich dein Konzert?" fragte sie.
"Och, es war richtig mega-klasse!" meinte ich, was wohl die Untertreibung des Jahres war.
"Und wer hat dort gespielt?"
"Eine Rockband hier aus der Stadt. Ich kenne den Sänger von denen, der ist bei mir auf der Schule." log ich ungenierter Weise.
"Rockmusik? Klingt nicht so nach meinem Geschmack. Und seit wann hörst du sowas?"
"Naja, mal zwischendurch etwas Abwechslung ist immer gut." meinte ich grinsend.

Bis zum Essen würde es noch Weilchen dauern, so konnte ich mich immerhin noch ausgehfertig machen und dann nach dem Essen gleich los.
Während ich dann mit meiner Mutter und meiner Schwester am Tisch saß - mein Vater war glücklicherweise Arbeiten - konnte ich es kaum erwarten.

"Sag mal, mein Schatz, hast du Hummeln im Hintern?" fragte meine Mutter.
"Nö, wie kommst du denn da drauf?"
"Weil du so hippelig bist."
"Vielleicht hat er ja ein Date?!" neckte mich meine Schwester und schmunzelte, als ich sie giftig anschaute.
Dabei beließ sie es jedoch nicht, denn nach dem Essen fragte sie mich oben vor meinem Zimmer nochmal, ob ich ein Date hätte.
"Wie kommst du da drauf, dass ich ein Date habe?"
"Na komm' schon! Du bist hippelig, hast kaum etwas gegessen und bist schon vormittags angezogen zum weggehen." meinte sie.
"Du weißt am besten auf dieser Welt, wie man mir auf die Nerven gehen kann, weißt du das?"
"Dafür sind Geschwister doch da, Brüderchen. Wer ist es denn?"
"Ich hab' kein Date!" meinte ich gereizt.
"Ja! ja! Natürlich nicht. Und warum wirst du gerade rot wie eine Tomate?" meinte sie lachend und ging weiter in ihr Zimmer. Es würde vermutlich nicht das letzte Mal sein, dass sie mich jetzt fragt. 

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt