Kapitel 4.5.

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"Du zitterst ja vor Aufregung."
"Wundert's dich?" gab ich zurück.
Er nahm mich in seine Arme und drückte mich fest an sich.
"Es wundert mich nicht, aber du solltest dich beruhigen. So aufgekratzt, wie du bist, kann das Gespräch mit deiner Mutter nichts Sinnvolles werden." flüsterte er.

Es war später Morgen, und wir lagen noch zusammengekuschelt in den Federn.
"Ich weiß nicht, was passiert, wenn wir dem Alten begegnen würden. Vergiss nicht, nach seinen Worten würde er dir schon klar machen, was es ja heißt, Kinder von ehrbaren Bürgern zu missbrauchen. Ich will nicht, dass er auf dich losgeht."
"Quatsch. Erstens hat er auch gesagt, er würde dafür sorgen, dass du mich niemals wieder siehst..." meinte er, und noch immer versetzten diese Worte einen Stich in mein Herz, "... und zweitens habe ich grundsätzlich kein Problem damit, selbst meinem Schwiegervati mal gepflegt auf's Maul zu hauen."

Ich bewunderte immer wieder seine Zuversicht, die er selbst in stressigen Situation an den Tag legen konnte.
"Es wird schon nichts passieren. Und alleine lass' ich dich sowieso nicht dort rein, das steht fest."
"Danke für alles." hauchte ich ihm ins Ohr.
"Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich war schon immer für meine Freunde da, und für dich sowieso." meinte er und wuschelte in meinen Haaren herum.
"Und nun haben wir noch etwas Zeit, bis Franco unten ist, und ich hab' da auch schon so eine Idee, mit was ich dich ablenken kann."
"Oh Gott, bitte kein Basketball mehr." entfuhr es mir.
"Doofi! Ich meinte eher sowas." raunte er und ich spürte eine warme Hand in meinem Schritt.
"Was machst du da?"
"Sagte ich doch: dich ablenken und beruhigen. Ich bin doch ein Perverser laut ihm."
Ich erhob mich zur Seite und stemmte mich über ihn, begann seine Lippen zu küssen und mit meinem Mund seine Wangen zu seinem Hals hinunter zu wandern, wo ich anfing zu saugen.

"Hach, das gibt wieder Knutschflecke." meinte er.
"Tja, der Sohn von ehrbaren Bürgern markiert nunmal gerne seine perversen Schweinchen."
"Oink! Oink!"
"Blödmann!" lachte ich und machte weiter, und aus den Blödeleien wurde schnell heiser Ernst.

Einige Zeit später war ich zutiefst befriedigt unter der Dusche, als es klingelte.
"Ist das Franco?" rief ich nach draußen.
"Ja. Der einzige Italiener auf diesem Planeten, der überpünktlich ist."
Ich beeilte mich mit dem Fertigmachen, zog mir etwas über und wir verschwanden dann nach unten auf die Straße, wo wir ihn bereits auf der anderen Straßenseite in einem silbernen Kombi sitzen sahen.

"Ihr habt ein Taxi bestellt?" meinte er grinsend.
"Bitte an's Meer!" meinte Lukas zu ihm.
"Und wo soll ich nun wirklich hinfahren?"
Als ich ihm die Adresse nannte, schaute er fragend drein. "Wo soll'n das sein?"

"Fahr einfach jetzt erstmal geradeaus und dann über die Brücke rüber." meinte ich und dachte mir schon, dass ich die Fahrt über das Navi spielen durfte.

Wir fuhren also los, über den Fluss, den Stadtring entlang und die Schnellstraße runter in den Süden der Stadt. Man merkte, dass er noch ein ziemlicher Fahranfänger war, als er uns durch Mannheim kutschierte.

Nach der zweiten Brücke am Bahnhof und zwei Beinaheunfällen später - der Radfahrer auf der Ringstraße hatte schon mit der Faust gedroht - wurde auch noch der Verkehr dichter und geriet ins Stocken.
"Che merda! Jetzt auch noch Stau!" schimpfte Franco.
"Fahr' da vorne rechts und dann geradeaus. Da dürfte es nicht so verstopft sein." meinte ich und wies ihn an, wie er zu fahren hatte, und tatsächlich ging es auf dem anderen Weg deutlich besser voran.

Die ganze Zeit über hielt ich die Hand meines Freundes fest, doch als wir zur Einfahrt in das Neubaugebiet kamen, hätte ich mich am liebsten an ihn festgekrallt.

Ich deutete auf eine kleine Seitenstraße und konnte auch von da schon das Haus sehen.
"Park' am besten hier und warte am Auto. Wir müssen noch etwas regeln dort. Wir holen dich dann, weil wir dich vermutlich zum Schleppen brauchen." wies Lukas ihn an.

"Hö? Was wollt ihr denn schleppen?" fragte Franco.
"Och, nur ein paar seiner Sachen. Der Kleine wohnt ja jetzt bei mir."
"Ohh? Wieso das? Das ging aber schnell bei euch."
"Unfreiwillig schnell, ja." meinte ich. Dann knuffte ich meinem Freund in die Seite und meinte nur zu ihm "Und ich bin nicht klein!".

Zu zweit stiegen wir aus, und ich fühlte, wie sich bereits meine Kehle zuschnürte, als ich mit ihm zusammen auf das Haus zuging.
Ruhig und friedlich lag es da in seinem Garten, und keine Spur von seinen Bewohnern war zu sehen. Dennoch empfand ich diese Idylle trügerisch, als ob eine unsichtbare Bedrohung lauern würde. Er wollte bereits klingeln, doch ich schüttelte den Kopf.

"Hab 'nen Schlüssel."

Ich kramte in meiner Hosentasche herum und fand den Schlüssel, den ich mitgenommen hatte, doch der war nicht mehr nötig gewesen. Ich schrak urplötzlich zusammen, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und jemand mir in den Weg trat. Direkt vor mir stand plötzlich mein Vater...

Ich schluckte bei seinem Anblick. Seine Augen waren stechend in meine gerichtet.
Ehe ich es kommen sah, hatte er mich am Kragen gepackt, gegen die Haustür gepresst und versetzte mir eine Ohrfeige, dass ich funkelnde Sterne sah. Der Geschmack von Blut drang in meinen Mund und ein sengender Schmerz durchlief mich.
Ich merkte, wie ich schwankte.

"Die ist dafür, dass du einfach so abgehauen bist, du undankbarer Rotzlöffel!" raunte er mit ungehaltener Stimme. Und schneller, als man es hätte kommen sehen klatschte er mir noch eine. Meine Wange brannte wie Feuer. "Und die ist dafür, dass du deswegen hier so viel Ärger verursacht hast."

"Aber sonst geht's noch, oder was?!" hörte ich Lukas schreien. Er war bereits zu uns hergerannt und hielt den erhobenen Arm meines Vaters fest, welcher erneut zuschlagen wollte. Noch nie sah ich so viel Hass in seinem Blick, mit welchem er den Alten bedachte.

"Du!" raunte mein Vater und ließ mich endlich los. Drohend hatte sich Lukas zwischen mir und meinem Vater aufgebaut.
"Dich kenn' ich doch! Du bist dieser... dieser andere Perverse!"
"Der einzige Perverse hier sind Sie!" herrschte mein Freund ihn an.
Schneller, als ich es erfassen konnte, hatte mein Vater ihn am Kragen gepackt und die Stufen hinunter geschleudert.

"Lu!" schrie ich nun meinerseits und hastete zu ihm, doch er sprang mit einem Satz wieder auf die Beine.
"Alles bestens." knurrte er.
"Du spinnst ja wohl!" schrie ich wie von Sinnen zu meinem Vater hin, was dessen Zorn noch mehr erregte und er bereits wieder im Begriff war, erneut auf mich los zu gehen, doch Lukas baute sich erneut vor mir auf, seinen Blick drohend auf den Alten gerichtet.

"So, mein lieber 'Schwiegervater', eines sag ich Ihnen jetzt ein für alle mal: wenn Sie noch ein einziges Mal Ihre Hand gegen meinen Freund erheben, dann schwöre ich Ihnen, dass Sie künftig ihr Essen durch einen Strohhalm lutschen!"

Er hielt tatsächlich inne und blieb vor uns beiden stehen.

"Oho! Hört euch den Perversen an! Droht mir eine zu verpassen! Und nenn' mich ja nie wieder Schwiegervater, du Schwuchtel!" schrie er, doch Lukas schrie zurück "Der einzige Perverse in dieser gottverdammten Gegend sind ja wohl Sie! Behandelt man so seinen eigenen Sohn?"

"Ich habe keinen Sohn!" schrie er wütend.
"Und das ist wohl auch besser so, Sie kranker Wahnsinniger!"
Ich merkte bereits, wie die Nachbarn hinter den Fenster standen und in den Garten schauten.
"Du elender Bastard!" schrie er voller Wut und ging erneut auf Lukas zu und packte ihn am Kragen.

"Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig, Meister, wem sie hier drohen. Eine Anzeige vom Jugendamt reicht ihnen wohl noch nicht? Aber ich merke schon, Sie mögen's grob! Und überhaupt... hab ich Sie nicht auch schon mal gesehen? Bei der Riedstraße oben? Bei Marischa?"

Die letzten Worte flüsterte er schon und mein Vater geriet kurz ins Stocken, doch dann holte er aus und verpasse Lukas eine, dass dieser zurück taumelte.
"Du widerlicher Mistkerl!" schrie ich nun wieder wie von Sinnen und rannte zu meinem Freund hin.

"Aufhören! Sofort!" kam nun ein weiblicher Schrei hinzu und ließ uns alle erstarren.

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt