Kapitel 5.9.

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Ein paar Wochen später...

"Guten Morgen, mein Kleiner."
Verschlafen öffnete ich die Augen und schaute ihn an. Er stand bereits fertig angezogen neben meiner Bettseite und blickte mich aufgeregt an.
"Guten Morgen... Oder besser gute Nacht?" gähnte ich und linste auf die Uhr. "Gott, es ist erst fünf Uhr morgens!"
"Ja, aber ich muss nun los. Die Pflicht ruft in einer halben Stunde."

Es war sein erster Arbeitstag und gleichzeitig der erste Schultag für mich im Abschlussjahr.
"Heute Mittag hast du mich ja wieder." meinte er lächelnd und setzte sich neben mich auf die Bettkante, als ich ihm einen ihn jetzt schon vermissenden Blick zuwarf.

"Du siehst sexy aus mit deiner Warnweste." scherzte ich.
Er schaute an sich herab. Über seinen gewohnten schwarzen Klamotten hatte er als Arbeitskleidung eine Weste in quietschgelb angezogen, die er tragen musste.
"Sehr witzig!" meinte er.
"Stimmt, du siehst in allem sexy aus. Aber ohne alles siehst du natürlich am Besten aus."
"Doofi! Ich würde jetzt auch lieber 'ohne alles' neben dir liegen. Aber wie gesagt, ich muss leider schon los, und wollte mich noch von dir verabschieden."

Ich setzte mich auf und schlang meine Arme um ihn.
"Viel Erfolg an deinem ersten Tag."
"Danke mein Kleiner." antwortete er und gab mir einen innigen Kuss zum Abschied.
"Dann bis später, Lu. Ich liebe dich. Pass' auf dich auf."
"Geht klar. Ich liebe dich auch, mein Kleiner."
"Ich bin nicht klein." scherzte ich, dann musste er auch schon weg.

Ich ließ mich in die Kissen zurück sinken, denn es war noch Zeit, bis ich los musste. Motivation hatte ich nicht wirklich, aber nach sechs Wochen Freizeit war der erste Schultag immer scheiße.
Lukas würde bis ungefähr zehn Uhr arbeiten, was hieß, er würde wieder zuhause sein, wenn ich schulaus hatte. Da freute ich mich umso mehr auf's Heimkommen.
Er hatte einen kleinen Job im Lager eines Supermarkts in der Nähe unserer neuen Wohnung gefunden. Es war nichts bahnbrechendes, aber auf jeden Fall ein guter Anfang.

Wir haben die Neckarstadt-West hinter uns gelassen und uns eine neue Wohnung gesucht. Es war alles sehr kurzfristig und schnell gegangen, und schließlich waren wir im einundzwanzigsten Stockwerk eines der Neckarhochhäuser gelandet. Die Wohnung war geräumig, hell und sauber, und vor allem bezahlbar. Und mit den fleißigen Händen unserer Freunde konnten wir diesen spontanen Umzug in Windeseile bewältigen. Das Beste an der neuen Wohnung war aber die Aussicht. Ich schaute durch die großen Fenster hinab auf die Lichter der Stadt unter dem schimmernden Himmel über Mannheim. Der Ausblick faszinierte mich immer wieder aufs Neue.

An Schlaf war nun nicht mehr zu denken, also konnte ich auch genauso gut aufstehen. Ich hangelte nach einer Hose und schlich ins Badezimmer und begann, mich gediegen fertig zu machen, bis ich mich dann selbst auf den Weg machten müsste.
Das "gediegene Fertigmachen" dauerte dann doch nicht allzu lange, und ich hatte tatsächlich noch Zeit für ein Frühstück. Zugegebenermaßen war ich auf Lukas' Rhythmus eingestiegen, und mein Frühstück war meistens entweder eine Tasse Kaffee oder das Mittagessen selbst, doch beschloss ich, dass es im Schulalltag wieder vernünftiger wäre, den Tag mit einem Nutellabrot im Magen zu beginnen.

"Guten Morgen, mein Schatz." begrüßte mich meine Mutter, welche bereits ebenfalls fix und fertig für die Arbeit angezogen war. Anscheinend war ich der Einzige, der hier immer noch herum gammelte und Zeit hatte.
"Morgen, Mum." erwiderte ich fröhlich.

Auch dies war ein Schritt in unser neues Leben gewesen, und ich dankte Lukas immer noch dafür, dass er diese Idee hatte. Nachdem sie sich nun von meinem Vater trennte, und meine Schwester zu ihrem Freund gezogen war, hatten wir beschlossen gehabt, sie zu fragen, ob sie es sich nicht vorstellen könnte, statt nun einsam irgendwohin zu ziehen, vielleicht zusammen mit zwei Schwulen unter einem Dach zu leben, und was soll ich sagen: sie hat sofort zugestimmt gehabt und angefangen zu packen. Wir wohnen nun vielleicht eine Woche zusammen, und in dieser kurzen Zeit ist sie regelrecht aufgeblüht und kümmerte sich rührend um ihre "beiden Jungs". Und auch Lukas genoss es wirklich sehr, so bemuttert zu werden, denn als Kind hatte er diese Fürsorge nie gehabt.

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt