Kapitel 2.2.

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Der nächste Morgen lehrte mich mal wieder, dass eigentlich so kurz vor Schuljahresschluss das Absitzen der Zeit in einem überfüllten und überhitzten Raum nichts anderes war als pure Zeitverschwendung!

Neben Wiederholungen irgendwelcher photosynthetischer Vorgänge in Blättern von Bäumen und einer Stunde Sportunterricht, welche eher einem Gewaltmarsch durch die Wüste glich, war das einzige Highlight an diesem Tage die Besprechung der Endnoten mit unserer Klassenlehrerin. Und wie ich befürchtet hatte, rutschte ich in Französisch durch die verkorkste Arbeit gleich eine ganze Stufe ab.

"Scheiße. Mein Alter wird mich umbringen." meinte ich zu Daniel.

"Ach was. Wird schon nicht so schlimm werden. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Ich nehme mal an, in Gedanken warst du ganz woanders? Oder sollte ich besser sagen: Bei jemand ganz anderem?"

Ich sagte dazu nichts und kramte nur genervt in meinem Rucksack herum.

"Naja, was soll's. das Schuljahr ist gelaufen, und da brauchst du dir eigentlich keine Gedanken um so eine Kleinigkeit zu machen. Bald hast du sechs Wochen Zeit, an deinen Punk zu denken." meinte er.

"Nenn' ihn nicht immer Punk!" meinte ich, woraufhin er einfach abwinkte.

"Wie war überhaupt gestern dein Date?"

"Öhm ja... Hmmm..." meinte ich verlegen und kratzte mich am Kopf.

"Also lief es ganz toll?!"

"Öhm... Ja?!"

"Du stammelst dir gerade einen ab. Aus dir werd' ich manchmal nicht schlau."

"Ich auch nicht. Wir sind uns zwar irgendwie näher gekommen, aber so richtig laufen tut es wohl noch nicht."

"Du musst ihm halt ein bisschen Zeit geben. Und würde es dir überhaupt gefallen, wenn er mit der Tür bei dir ins Haus fallen würde?"

Ich schüttelte den Kopf. "Du hast ja Recht. Fände ich auch blöd." meinte ich.

"Ich habe immer Recht!" antwortete er grinsend.

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"Sag mal, spinnst du?"

Die Augen meines Vaters waren stechend auf mich gerichtet, als ich von der Schule heimgekommen war.

"Du hast so kurz vor Schluss noch eine Französischarbeit in den Sand gesetzt gehabt?!"

Ich blieb stumm und traute mich nicht, meinen Vater anzusehen. Ich war wenigstens ehrlich gewesen, was die fünf in Französisch anbelangte, doch nun verfluchte ich mich dafür, nicht einfach den Mund gehalten zu haben.

"Denkst du etwa, nur weil es kurz vor Schuljahresschluss und das meiste schon gelaufen ist, dass du nun nichts mehr zu arbeiten hast für die Schule?"

"Das war es ja nicht. Es ging mir einfach an dem Tag nicht gut." sagte ich entschuldigend.

"Nicht gut? Spar' dir die Ausreden!"

"Schlimm ist es ja auch wieder nicht, wenn ich die anderen Noten dazu rechne."

Das Klatschen von Vaters Ohrfeige in meinem Gesicht drückte jedoch klar und deutlich seine andere Meinung aus.

"Du hast es vermasselt, Junge! Also stehst du auch dafür gerade, hast du verstanden? Und eins versprech' ich dir: Wenn du in den Ferien nichts lernst, dann lernst du mich aber kennen."

Trotzig schaute ich nun zu ihm auf und rieb mir die Wange.

"Aber ich..." wollte ich ansetzen, doch er winkte barsch ab.

"Ich hab dir schon mal erklärt, dass wenn du nicht parierst, oder nichts für die Schule lernst, die Konsequenzen auch mal härter ausfallen können. Ich hab dir, als du sitzen geblieben bist, angedroht, dass ich dich für jede schlechte Note bestrafe. Also halte dich daran. Verstanden?"

Ich blieb stumm und schaute immer noch trotzig drein, als er mir nochmals eine Backpfeife verpasste, mit den Worten "Dass du das nicht vergisst!"

Das du das nicht vergisst... Als ob ich vergessen könnte, wie ich diesen Mann einfach hasste.

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"Wann lernst du endlich mal, dich zur Wehr zu setzen? Oder warum zeigst du den Alten nicht mal an?"

Daniel hielt mir dies schon seit langer Zeit vor und kam gerade wieder darauf zu sprechen, als ich ihm von der Reaktion meines Vaters auf meine vermasselte Klassenarbeit berichtete. Aber was sollte ich tun? Wenn ich etwas gegen meinen Vater unternehmen würde, er hätte nicht gezögert und mich vor die Tür gesetzt. Aber vermutlich erst, nachdem er mich windelweich geprügelt hätte... "Du weißt, dass das nicht geht." meinte ich missmutig zu ihm.

"Meine Güte. So kann es ja wohl echt nicht mehr weiter gehen."

Ich ließ den Kopf sinken und dachte daran, dass Daniel leicht Reden hatte. Klar, er und seine Mutter hatten es auch nicht gerade leicht, weil sie von der staatlichen Stütze leben mussten, und es gab zwischen den beiden natürlich auch mal Meinungsverschiedenheiten. Aber zwischen den beiden herrschte wenigstens ein liebevolles Miteinander, was ich zwar von meiner Mutter ebenfalls bekam, aber der alte Tyrann machte den Familienfrieden immer wieder zunichte.

"Ich komm' schon zurecht." meinte ich schließlich und signalisierte am Tonfall, dass ich nicht mehr dazu geneigt war, das Thema noch zu vertiefen.

Daniel verdrehte die Augen als Antwort, verbiss sich aber jeglichen weiteren Kommentar.

"Und? Wann triffst'e dich wieder mit deiner neuen Flamme?" fragte er mich nach einer kurzen Zeit des Schweigens.

"Voraussichtlich übermorgen, also Donnerstag... Da wollten wir uns mittags nach der Schule gleich treffen."

Ich ließ meinen Blick vom Balkon in Daniels Hochhauswohnung in die Ferne schweifen. Wenigstens heiterte mich der Gedanke an ein weiteres Treffen mit ihm auf.

"Und am letzten Schultag ist abends ein Konzert von seiner Band, für das ich eine Freikarte hab." fügte ich nach kurzer Weile hinzu und grinste dabei schelmisch.

"Und wo?"

"Im Jugendzentrum, oder so."

Ich hörte, wie Daniel die Luft durch die Zähne zog.

"Also doch ein Punk!"

"Wie kommst du denn da drauf?" fragte ich mit monotoner Stimme, da mich diese ewige Diskussion um um das Thema "Punk" langsam nervte.

"Ei schau mal. Das JUZ da oben ist so 'ne Linkenhochburg. Da gehen nur Punks und so hin."

"Na und? Ich hab ja schon ein paar Lieder von ihnen gehört. Ich muss sagen, das war alles andere als Punk."

Daniel verdrehte die Augen.

"Naja, dir muss es ja gefallen. Aber tut mir leid, dass ich nicht sonderlich mit ihm warm geworden bin am Wochenende."

Ein bisschen wie in einer Zwickmühle kam ich mir schon vor. Auf der einen Seite Daniel, mein Sandkastenfreund, zum anderen Lukas, von welchem ich mir mehr als nur einen Kumpel erhoffte. Vielleicht würde sich das aber mit den beiden irgendwann von selbst legen.

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt