Kapitel 3.5.

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Ich wachte etwas zerknittert auf und rieb mir die Augen. Ein Blick auf den Wecker sagte, dass es noch früh am Tag war. Meine innere Uhr war wohl noch auf Alltag eingestellt. Egal! Einmal kurz geräkelt und im Badezimmer ein paar Spritzer Wasser ins Gesicht, und schon würde ich wach sein. Ich klemmte mir also meine Klamotten unter den Arm, und lugte vorsichtig aus meinem Zimmer in den Flur. Freitags ging mein Vater meistens auf Kundenbesuche und ging später außer Haus, konnte also noch irgendwo hier herumlungern, und auf den Mann hatte ich so kurz nach dem Aufwachen weiß Gott keine Lust. Und auf meine penetrante Schwester auch nicht! Die Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern war geschlossen, und meine Schwester hörte ich in ihrem Zimmer leise murmeln, vermutlich hatte sie mal wieder das Telefon für ihren Freund in Beschlag genommen. Die Luft war also rein.

Auf leisen Sohlen schlich ich ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir. Die Dusche war erfrischend. Noch schnell ein paar Schlabberklamotten übergezogen und zurück ins Zimmer. Das alles, ohne dass mir jemand im Haus begegnet wäre.

Ich huschte zurück in mein Zimmer und schloss die Tür wieder. Solange ich nicht wusste, wo meine Mutter steckte, konnte ich sowieso noch nicht mit ihr über meine Pläne am Wochenende sprechen, und da ich auf die anderen Familienmitglieder keine Lust hatte, konnte ich mich also genauso gut hier in meinem Zimmer beschäftigen.

Mein altes Skizzenheft aufschlagend, ließ ich mich an meinem Schreibtisch nieder und kritzelte gedankenverloren darin herum. Ob mein Liebster wohl schon wach war? Ich konnte mir vorstellen, dass er ein richtiger Langschläfer ist. Daher sah ich davon ab, ihn jetzt schon anzurufen. Wobei? Jetzt in diesem Moment seine Stimme zu hören, hätte wirklich den Morgen versüßt. Ach ne! Oder doch? Verliebt sein ist schon auch ein bisschen kompliziert. So oder so ähnlich gingen meine Gedankenspiele eine ganze Zeit lang.

Ich richtete meinen Blick wieder auf mein Gekritzel und stellte fest, dass ich unbewusst versucht habe, eine Zeichnung von ihm zu fertigen. Wuschelhaare, seine Nase, das anmutige Kinn, seine Lippen, die ich so gerne küsste. Nur bei seinen Augen würde ich es nicht schaffen, ihren Glanz und ihre Tiefe zu erfassen. Das lag wohl an ihrem Zauber.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich doch bereits zwei Stunden hier gesessen und in meiner eigenen, kleinen Welt in meinem Kopf gefangen gewesen war.

Ich beschloss, mir in der Küche eine Tasse Kaffee zu machen und bis zum Mittagessen weiter hier meinen Träumereien nach zu hängen und in meinem Skizzenheft herum zu malen.

Als ich die Treppe herunter kam, sah ich meinen Vater mit seinem Laptop im Wohnzimmer sitzen und konzentriert auf den Bildschirm starren. Anscheinend hat er das Sofa als Büroersatz in Beschlag genommen mit dem ganzen Papierkram um ihn herum, bevor er zu seinen Kundenbesuchen fahren würde.

"Guten Morgen. Ist Mom nicht da?"
Er schaute über den Rand des Laptops und meinte nur trocken "Sie ist oben im Schlafzimmer, Wäsche sortieren. Warum?" fragte er und schaute mich skeptisch an.
"Nur so. Habe sie heute noch nicht gesehen."
Ich watschelte in die Küche und ließ mir erst einmal eine Tasse Kaffee einlaufen.

Flatsch!

Ich erschrak, als ein paar Papierblätter plötzlich neben mir landeten.
Ich realisierte erst nicht, wo sie her kamen, als ich plötzlich meinen Vater hinter mir bemerkte, der mir wohl gefolgt war.

"Was ist das?" fragte ich und hob die Zettel auf. Augenblicklich gefror mein Gesicht zu Eis! Etwas undeutlich und teilweise zu dunkel konnte man trotzdem erkennen, was es war. Es waren Bilder aus dem Jugendzentrum. Vom Konzert. Und auf ein paar sah man deutlich Lukas und mich, Arm in Arm. Und küssend...

"Kannst du mir das erklären?!" fragte er mit scharfem Tonfall.

Sein Blick traf meinen, und seine Augen schienen Funken zu sprühen. Ich bemerkte, wie sich meine Kehle zuschnürte und ich keinen Ton herausbringen konnte.

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt