Kapitel 2.6.

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"H...o - Hei.. - Heiko..."

Erschrocken fuhr ich auf, als mein Name wie aus weiter Ferne in meinen Kopf drang. "Heiko Maurer! Bist du schon wieder am Träumen?"
Die Stimme des Lehrers hatte einen strengen Unterton, begleitet vom Gemurmel und Gekicher meiner Klassenkameraden.
"Entschuldigung..." raunte ich kaum hörbar, und Herr Amrhein fuhr mit seiner mathematischen Analyse fort.

"Hey, sag mal, kommst du nach der Schule noch mit?" raunte mir Daniel zu.
"Nee, geht heut' leider nicht. Ich treff' mich nachher mit ihm."
"Achso. Kleines Date?" kicherte Daniel.
"Daniel! Heiko! würdet ihr bitte aufhören zu schwätzen!" meinte Herr Amrhein.

Wir verstummten und richteten unseren Blick wieder nach vorne auf die Tafel.
"Und was macht ihr heute Mittag so?" raunte mir Daniel nach einiger Zeit wieder zu.
"Weiß noch nicht. Er hat gemeint, er ist heute Mittag Basketball spielen. Werden wohl danach noch gemütlich irgendwohin gehen, mal schauen. Wir können uns aber gerne morgen treffen."

"Spiel' doch mit." meinte Daniel grinsend.
"Heiko! Daniel! Hört ihr nun endlich auf zu schwätzen!"
Wieder verstummten wir, während Herr Amrhein uns mit seinem Blick fixierte. Also versuchten wir, die Aufmerksamkeit wieder nach vorne auf die Tafel zu lenken.
"Ich spiel' doch gar nicht. Bin doch zu doof dazu." meinte ich irgendwann wieder.
"Du bist ja schon im Sportunterricht 'ne Niete." gackerte er.
"Heiko! Daniel! Setzt ihr euch mal bitte auseinander?!" meinte Herr Amrhein und deutete auf Daniel und gleichzeitig auf einen der leeren Plätze im hinteren Klassenzimmerbereich.

"Wir reden nachher..." raunte er mir noch zu, als er seinen Krempel nahm und sich nach hinten verzog. Nun schien Herr Amrhein zufrieden zu sein und führte sein mathematisches Problemkonstrukt weiter fort, während ich versuchte, das Einschlafen zu verhindern. Als die Schule dann endlich fertig war, und ich nocheinmal mit Daniel ein wenig erzählt hatte, machte ich mich endlich auf den Weg in Richtung Bahnhof.

Als ich am Bahnhof ausstieg, musste ich ehrlich gesagt erst einmal suchen, wo ich hin musste. Ich erinnerte mich, dass er bei unserer ersten Begegnung ins Bahnshofsgebäude gegangen war, also folgte ich einfach mal der Ansammlung von Menschen in Richtung der Unterführungen, und tatsächlich, am Hintereingang kam ich direkt unterhalb des markanten Victoriatums heraus und überlegt, wo hier ein kleiner Park sein konnte, denn die Parkanlagen am Rheinufer ziehen sich mehrere Kilometer lang. Etwas planlos lief ich in der Gegend herum, als ich tatsächlich unweit des Hochhauses einen kleinen Park, versteckt hinter einem alten Gebäude fand. Etwas abgelegen darin befand sich ein umzäuntes Areal, auf welchem eine ganze Schar von Leuten sich tummelten.

"Treffer!" hörte ich, und ich wusste, dass ich richtig war.

Zwischen all den Jungs sah ich beim Näherkommen dann auch Lukas und Franco, wie sie umher wirbelten, den Ball jagten, ja völlig vertieft in ihr Spiel waren. Keiner der beiden schien bemerkt zu haben, dass ich mich auf eine der Parkbänke am Feldrand setzte und die Spieler beobachtete, was mir sogar Spaß machte. Der Ausblick auf lauter junge, anmutige und verschwitzte Kerle hatte durchaus etwas für sich.

Mittendrin fiel mein Blick immer wieder auf Lukas, wie er keuchend, doch konzentriert sich auf das Spiel fixierte, mit Reflexen bei welchen ich neidisch werden konnte, so wendig wirbelte er um die anderen herum, und selbst als er einmal, angerempelt von einem Mitspieler, fast zu Boden fiel, stand er auf und machte einfach weiter, als wäre nichts gewesen, im gleichen Moment traf Franco den Korb.

"Treffer, Alter!" meinte Lukas und schlug in Fancos Hand ein. Erst jetzt bemerkten die beiden, dass ich am Feldrand saß und ihnen zuschaute. Ich winkte Lukas zu, was er mit einem erschöpften Nicken quittierte. Wie konnte man überhaupt bei dem schwülen, heißen Wetter Basketball spielen? Doch die Jungs ließen sich vom Wetter nicht abbringen. Schon ging es weiter mit dem Gerangel auf dem Platz, und erst als noch drei weitere Körbe versenkt wurden, kam er kurz zum Spielfeldrand, um eine Schluck Wasser zu nehmen, während die anderen noch immer hin und her dem Ball nach jagten.

"Hey." meinte ich und ging zu ihm hin.
"Hi." keuchte er und trank gierig an seiner Flasche.
"Wie läuft's? Du siehst fertig aus." meinte ich.
"Ach was, ich doch nicht!" meinte er und wischte sich mit seinem Hemdzipfel den Schweiß von der Stirn.
"Spielt ihr noch lange?"
"Weiß nicht." sagte er, ziemlich kurz angebunden.
"Willst du lieber erst heute Abend was machen, und nachher erstmal heimgehen und duschen?" fragte ich ihn.
"Wäre vielleicht besser."

Ich bemerkte, dass er gerade nicht sonderlich in Gesprächslaune war.
"Lu! Was treibst du da? Wir wollen weiter spielen! Du wolltest doch nur was trinken."

"Nur die Ruhe, ich komm' ja gleich, verdammt!" schrie er den anderen zu und flüsterte zu mir "Es tut mir leid. Aber ich kann gerade echt nicht, sorry." meinte er gehetzt.

"Na gut, ich warte einfach." gab ich missmutig zurück.
"Wir seh'n uns dann später, okay?"

Was blieb mir auch anderes übrig? Ich nickte nur zur Antwort, als er vom Zaun zurückging.

"Hey Lu! Jetzt mach endlich. Wir wollten spielen! Mit wem laberst du da eigentlich die ganze Zeit." raunzte irgendein Typ wieder vom Feld her.

"Halt die Schnauze da hinten, ich komm' ja schon! Das ist nur ein Bekannter, nichts Wichtiges. Wir können ja schon weitermachen!" blaffte er zurück.

In diesem Moment war mir, als würde man mir eine Faust in den Magen rammen, so hatten mich gerade seine letzten Worte getroffen. Irgend etwas brannte plötzlich in mir durch.

"So ist das also? Nur ein Bekannter bin ich?! Nichts Wichtiges?! Und was ist mit den letzten Tagen, die wir verbracht hatten? Waren die auch nichts Wichtiges?! Wenn das so ist, dann fick' dich, Lukas!" schrie' ich ihn an.

Er blieb stehen und drehte sich zu mir um. An seinem Blick erkannte ich, dass er erst jetzt realisierte, was er gerade über mich gesagt hatte.

"Bitte, Heiko! Warte kurz! I-Ich wollte...", doch weiter kam er nicht mit seinen Worten. Ich rannte bereits den Weg zurück zum Ausgang des Parks. War etwa die gemeinsame und schöne Zeit in den vergangenen Tagen, und unser beider Näherkommen wirklich nichts Wichtiges für ihn? Ich war den Tränen nahe in dem Moment.

An der Straße hielt ich noch einmal kurz inne und blickte zurück. Die meisten spielten weiter, doch ich sah ihn, wie er mit gesenktem Blick am Zaun lehnte und den Kopf hängen ließ, während Franco auf ihn einredete.

Ich drehte mich herum und lief zurück zum Bahnhof. Ich wollte hier nicht mehr bleiben. Ich wollte einfach nur nach hause.

"Du bist aber früh daheim, mein Schatz." sagte meine Mutter, als ich die Tür reinkam.
Ich nickte nur und wandte mich bereits zur Treppe hin, unfähig ihr ins Gesicht zu blicken.
"Ist alles in Ordnung mit dir, mein Schatz?"
"Ja, Mom." log ich schnell, und hastete nach oben in mein Zimmer, um ihr auszuweichen.

Doch gar nichts war in Ordnung! Ich fühlte mich einfach dreckselend in dem Moment.
Noch nie hatte ich für jemanden so empfunden gehabt wie für Lukas, und er war abweisend gewesen und es schien ihm alles nichts zu bedeuten. Waren die Zärtlichkeiten von ihm ernst gemeint gewesen? Oder gar seine Küsse? Hatte ich falsche Hoffnungen gehabt?

In meinen Kummer mischten sich nun auch Zweifel hinein, ob es überhaupt richtig war, auf einen Fremden so schnell und so innig einzugehen. Das Schlimmste war, dass ich wirklich gerade dabei war, mich richtig in diesen Jungen zu verlieben, und nun das!

Doch vielleicht war ich auch selbst schuld an der ganzen Situation. Vielleicht hätte ich meine Gefühle ihm gegenüber endlich äußern sollen, statt auf Worte von ihm zu warten - vielleicht wäre dann alles anders verlaufen.

Doch jetzt war es zu spät. Ich hatte ihn einfach stehen lassen und bin davon gelaufen. Ob auch dies ein Fehler von mir war? Ich wusste es nicht, ich wusste so vieles gerade nicht! Die Gedanken fuhren in meinem Kopf gerade Karussell, bis ich mich letztendlich einfach auf mein Bett warf und mich dem Schluchzen ergab.

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Ende vom zweiten Teil.

Liebe kann aber auch manchmal kompliziert sein ...

Und es war Sommer... (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt