56| Unexpected

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Kapitel 56
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-
Der Geruch von Zimtbrötchen kommt mir entgegen, als ich das Café betrete. Die Wärme fließt sofort über meinen ganzen Körper und bedeckt alle fast erfrorenen Stellen. Es verursacht ein Kribbeln.

Meine Augen schließen sich fast automatisch, als ich tief durchatme. Ich will jeden Moment genießen. Jede einzelne Sekunde.

Doch dann wird mir leider schmerzhaft bewusst, dass ich mitten in der Tür stehe.
Jemand reißt die Tür auf.

Mit einem Wums taumele ich nach vorne. Ein stechender Schmerz breitet sich in meinem Rücken aus. Er fühlt sich kalt an. Genauso wie wenn man zu lange Eis in der Hand hat.

Während der Schmerz langsam wieder abklingt, suche ich nach dem Platz mit einer Rose.

Ich kann nicht fassen, dass mir so etwas Kitschiges passiert.

Erst als mein Blick an einer roten Rose hängen bleibt, setze ich mich in Bewegung.

Sie ist dunkelrot. Blutig. Wunderschön.

Ich steuere auf den Tisch zu. Eine Kellnerin taucht auf. Ich habe schon das Gefühl, dass sie auf mich gewartet hat. Das ist total lächerlich.

"Melody?", fragt sie und sieht mich an. Ihr Blick wirkt schwärmerisch.

"Woher kennen sie meinen Namen?"

Irritiert sehe ich die schwarzhaarige, kleine Frau an.

"Dieser Junge. Er hat mir einen Zettel gegeben. Er hat mir gesagt ich solle ihn dir geben und du müsstest seinen Anweisungen folgen. Viel Glück, Kleines", erklärt sie. Sie wirkt so, als würde sie mich beneiden.

Mit offenem Mund starre ich sie an. Er hat sich anscheinend verdammt viel Mühe gegeben.

Ich seufze mindestens genauso schwärmerisch, wie die Kellnerin gerade eben noch mit mir geredet hat.

Er ist unglaublich süß. Wie habe ich das nur verdient?

Jedes Mal, wenn ich von ihm schwärme, wird mir im selben Moment schlecht.

Mir fällt ein, dass er mich nicht kennt. Ich bin unvollkommen. Ich bin seltsam. Was wenn er mich nicht mag?

Ich setze mich auf den Platz.

Die Kellnerin ist schon längst wieder verschwunden. Ich habe es nicht einmal gemerkt. So sehr war ich in meine Gedanken versunken.

Der Zettel fühlt sich gut an. Seidig und gefüllt mit Erwartung.

Ich atme aus.

Dann öffne ich den Brief.

Ich möchte, dass du diese Augenbinde umlegst. Versuch ja nicht zu schummeln, ich merke das!
-S

Ich greife nach der Augenbinde. Sanft lege ich sie mir um.

Alles wird schwarz. Es ist, als hätte jemand das Licht ausgemacht. Alle Gerüche, alle Geräusche prallen gegen mich.

Der Geruch von Zimt und Kaffee. Das Geräusch von klirrenden Tellern. Menschen, die sich mit einander unterhalten.

Alles ist so laut. Mein Herz explodiert. Bum, Bum. Es springt mir aus der Brust. Meine Hände sind kalt und feucht. Eine kalter Windstoß weht mir entgegen, er kommt aus der Richtung der Tür.

Ist es vielleicht S?

Wenn mein Leben ein Film wäre, dann würde mein Gesicht jetzt ein close up bekommen. Es würden meine rosanen Lippen gezeigt und wie ich darauf herumkaue. Der rosane Gloss funkelt in dem hellen Licht.
Dann würde es in die Frontale gehen.

Ich mit einer Augenbinde.

Und alles beginnt sich zu drehen. Die Kamera schwingt um meinen Kopf herum, um das Schwindel Gefühlt, das in mir aufkommt, einzufangen.

Ich atme aus. Ich atme ein.

Stille. Nur mein Atem.

Verdammt wann kommt er? Versetzt er mich?

Meine Hände krallen sich in meine Jeans. Ich spüre, wie meine Nägel sich biegen.

Mein Atem geht unregelmäßig. Meine Gedanken überschlagen sich.

Die Tür geht wieder auf. Ich höre wie sich Schritte nähern.

"Melody?", die Stimme kommt mir bekannt vor. Jetzt bleibt mein Herz endgültig stehen.

"Wie heißt du?", bringe ich mit trockenem Mund heraus. Eine Pause entsteht.

"Das kann ich nicht sagen", flüstert er. Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben.

"Du weißt wie ich heiße, wie ich aussehe, aber ich darf nicht wissen wie du heißt?", frage ich.

"Noch nicht", sagt er. Wieso kommt mir diese Stimme so verdammt bekannt vor? Sie hat einen so eigensinnigen Sound, sodass ich gar nicht anders kann, als sie zu mögen. Sie ist besonders

Ich spüre, wie seine Hand nach meiner greift. Sie ist warm und viel größer als meine.

Trotz der Augenbinde schließe ich meine Augen. Alle Details sind da. Jeder Duft, jedes Geräusch. Doch als seine Hand meine berührt wird alles nur noch ein dumpfes Gemisch.

Ich spüre nur noch ihn. Seine Hand. Er und ich.

Er verdreht mir den Kopf.

"Ich nehme die Augenbinde ab", sage ich und greife nach ihr. Er greift nach meiner anderen Hand.

"Noch nicht", er zögert, "Jetzt nicht"

Dann höre ich, wie ein Teller auf unserem Tisch abgestellt wird.

"Mach den Mund auf", fordert er mich auf. Meine Irritation ist bis zum größten Maß angewachsen. Doch meine Neugier überwiegt das Misstrauen. Ich will wissen, was er vorhat.

"Wieso?"

"Ich habe etwas geplant, vertrau mir", flüstert er.

Ich nicke zögerlich, öffne aber meinen Mund. Ich spüre anhand der Wärme, dass sich seine Hand meinem Mund nähert.

Sofort spüre ich Schokolade. Etwas kuchiges auf meiner Zunge.

Es ist ein Muffin. Er ist unheimlich lecker.

"Du lässt mich meine Augen verbinden, damit ich einen Muffin esse?", frage ich und kichere ein wenig.

Ich nehme war, wie auch er ein wenig lacht.

Plötzlich greift er wieder nach meiner Hand und steht auf.

"Folge mir", sagt er und wartet, dass ich aufstehe.

"Ich sehe doch gar nichts. Ich bin so schon eine wandelnde Katastrophe"

Ich spüre wie er grinst.

"Lass dich von mir geleiten. Ich verspreche, dass ich mein Leben dafür geb, dass du nicht gegen eine Wand läufst"

Zögerlich nicke ich. Er legt seinen Arm um mich. Hitze durchströmt meinen Körper.

Mein Puls beschleunigt sich. Er ist mir so nahe. Trotzdem ist er so weit weg.

Ich kenne ihn genauso wenig, wie zu vor.

"Bereit für Toronto?", fragt er.

Ich nickte. Bin ich das? Bin ich wirklich bereit dafür? Bin ich bereit für S?

Ich atme tief ein und stoße wieder die Luft aus.

Seine Hand verschränkt sich mit meiner.

Sanft führt er mich die Straße entlang. Ich spüre, wie mir die kalte Luft entgegen gepeitscht wird, aber seine Wärme lässt es nicht zu, dass ich friere.

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt