67| Unexpected

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Kapitel 67
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-

Es ist weiß. Einfach nur weiß. Es ist leer. Weiß und leer.

Ohne meine Sachen darin sieht mein Zimmer so trostlos aus. Wie eine karge Wüste. Dort kann man nicht leben, es nicht aushalten.

Melancholisch blicke ich noch ein letztes Mal in mein Zimmer.
Es war mein Zimmer. Jetzt ist es nur noch der Raum, zu dem ich zurückkehren werde, wenn ich meine Eltern besuche.

Meine Eltern. Sowieso nur Menschen, die in letzter Zeit eine viel zu kleine Rolle in meinem Leben spielen. Je näher ich meinem Traum komme, desto weiter entferne ich mich von ihnen. Das Schlimmste ist jedoch, dass es mich gar nicht so sehr stört. Ich fühle mich irgendwie frei. Das Gefühl dass es mich nicht stört, macht mich allerdings herunter. Es sind meine Eltern. Es sollte mich stören.

"Bist du fertig?", fragt meine Mutter und schaut mir über die Schulter. Ich nicke, während ich mich auf der Ferse umdrehe.

"Ich lasse meine Sachen da und treffe mich mit den anderen. Ist das ok?", gebe ich dann von mir, während ich die Treppe hinunter gehe. Meine Mutter nickt.

Ich nehme mein Skateboard, das an einem Umzugskarton lehnt und blicke mich um. Das wird das vorletzte Mal, dass ich das Haus verlasse.

Unglaublich. Als ich in Kanada war, kam es mir vor, als seien nur ein paar Sekunden vergangen. Nur ein paar Augenblicke. Doch als ich nach Hause gekommen bin, fühlte es sich an, als seien Jahre vergangen. Als wäre jeder um mich herum eingefroren, nur ich habe weitergemacht. Ein seltsames Gefühl der Unsterblichkeit und Endlichkeit zugleich.

Ich kann es nicht beschreiben. Es ist surreal.

"Ich bin dann mal weg!", informiere ich meine Eltern und mache die Holztür hinter mir zu. Amerikanische Kleinstadt. Das ist es, was auf meine Heimat zutrifft. Häuser, die aussehen, als würden sie von Puppen bewohnt. Sie sind sich so ähnlich.

Straßen, die groß, breit und leer sind.

Mit meinem Skateboard fahre ich ein letztes Mal den Weg entlang, der mir nur allzu bekannt ist.

Dieses scheiß Werbeplakat. Wenn es etwas gibt, das mir nicht fehlen wird, dann das. Die Frau, die mit einem Baby im Arm auf uns hinunterstarrt, als wäre sie die heilige Maria der Pempers.

Die Sonne ist gerade am Untergehen. Die Straße wird von orangenen Licht geschluckt, sie scheint nur noch aus Lava zu bestehen.

"Hey", begrüßen mich alle wie aus einem Mund, als ich an dem Diner ankomme.

"Na ihr", entgegne ich und sehe sie an. Dieses 'Na' ist wirklich eine sehr schlechte Angewohnheit, die ich mir in dem letzten Jahr draufheschafft habe.

"Habt ihr schon gepackt?", frage ich alle. Ich sehe sie gespannt an.

"Jup. Aber ich muss erst am Sonntag los. Schließlich studiere ich ja nicht in New York", gibt Kat in einem merkwürdigen Unterton von sich.

"Ja, ich habe auch schon gepackt, aber ich will nicht gehen. Dann muss ich Luisa verlassen", schmollt Logan.

"Ist deine Uni nicht bloß eine halbe Stunde entfernt?", hake ich nach.

"Ja"

Er sieht mich bierernst an.

"Ihr seid cute", sage ich bloß und lache.

Luisa nickt: "Das ist nicht lustig. Das ist eine sehr weite Entfernung"

Wir betreten das Diner. Wie üblich setzen wir uns an unseren Stammtisch.

"Ich bin gleich wieder da", murmelt Logan und steht auf.

Kat und ich werfen uns einen verschwörerischen Blick zu.

"Also, wie läuft es bei euch?", hake ich nach.

"Er will mit mir zusammenziehen", flüstert Luisa und lehnt sich über den Tisch.

Kat und ich sagen wie aus einem Mund: "Das ist doch schön!"

"Aber wir sind erst seit Kurzem zusammen"

"Aber ihr kennt euch schon ein Leben lang"

"Stimmt", nicke ich.

Die roten Locken fliegen ihr um den Kopf, als sie ihn schüttelt, "Trotzdem... Es ist etwas anderes zusammen zu sein..."

"Ja... Da hast du recht", stimme ich ihr zu und blicke zu der Kellnerin, die an unseren Tisch kommt. Sie scheint hier neu zu sein. Sie ist jünger als wir. Vermutlich ist das ihr Nebenjob.

"Was darf's sein?"

Ich gebe meine Bestellung auf, nachdem alle anderen schon bestellt haben: "Einen Erdbeermilchshake bitte"

Logan sitzt ebenfalls wieder am Tisch.

"Wie ist dieser Typ eigentlich?"

Logan spielt an den Salz und Pfefferstreuern herum. Er schiebt sie von links nach rechts, was mich ganz nervös macht.

"Es ist Shawn Mendes!", quiekt Kat. Mein Blick schweift zu ihr.

"Was? Nein. Ihr verarschst mich"

"Nein, tun sie nicht. Es ist wahr... Das Einzige, von dem ich nicht weiß, was wahr ist, ist er. Er ist so süß... Ich meine die Rosen und das alles, aber dann Hailey"

"Rosen?", Luisa sieht mich irritiert an.

"Die ganze Geschichte bitte!", fordert Kat mich auf.

Ich seufze und nehme einen Schluck von dem Milchshake. Er schmeckt genauso rosa, wie er aussieht.

"Das kann dauern"

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"Er ist in dich verliebt. Aber sowas von", platzt Logan heraus. Luisa, Kat und ich starren ihn fassungslos an. Er klingt wie ein Teenie, der soeben das erste Mal Twighlight gesehen hat und völlig gesflasht ist. Jetzt benutze ich dieses Wort auch schon, obwohl ich es hasse.

"Was denn? Der Typ hat dir die Welt zu Füßen gelegt und du zweifelst noch daran, dass er verliebt in dich ist?"

Er hat recht. Das alles-Wieso sollte Shawn es machen, wenn ich ihm egal bin? Wenn er eine Freundin hat...Oder zumindest etwas mit Hailey am Laufen hat?

"Du hast recht", sage ich.

"Das will ich doch auch meinen...", er wendet seinen Kopf zu Luisa, "Du erwartest das jetzt aber nicht auch oder?"

Wir alle brechen in Lachen aus. Das Gesicht, das er dabei macht, ist unbezahlbar.

Logan zieht einen Schmollmund: "Für euch bin ich doch nur euer Clown. Nur dazu gut euch zu belustigen"

"Weshalb sonst sollte ich mit dir zusammen sein?", fragt Luisa grinsend und drückt ihm einen Kuss auf die Wange.

-

"Ruf an. Und dieses Mal machst du es wirklich ja?!"

Ich nicke und umarme Kat, Luisa und Logan das letzte Mal für eine lange Zeit. Es schnürt mir die Luft ab, dass ich ab jetzt komplett auf mich alleine gestellt bin. Dennoch bin ich frei. Mein Leben beginnt. Ein neuer Abschnitt.

Vielleicht ein Abschnitt mit Shawn. Es wäre schön zu wissen, dass er darin einen Platz hat.

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Glaubt mir bald, spätestens morgen, wird es spannender...

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt