96| Unexpected

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Kapitel 96
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
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Ich fürchte, mein Herz springt mir gleich aus der Brust. Meine Stirn fühlt sich kalt und schwitzig an. Ich setze immer einen Fuß vor den anderen, weshalb ich mich kreuz und quer durch Luisas Zimmer bewege.

"Melody, du machst mich wirklich wahnsinnig!", platzt Luisa schließlich heraus und packt mich an meinem Handgelenk. Ich reiße meine Augen auf. Oh Gott, ich stehe wirklich völlig neben mir.

"Beruhige dich, sie werden dich schon nicht umbringen", versucht sie mir zu helfen. Ich schüttele meinen Kopf.

Aufgeregt schreie ich herum:"Oh doch und wie sie das werden! Ich bin verloren. Hörst du? Verloren!"

"Nein und jetzt los!", sagt sie und schiebt mich Richtung Tür.

"Nein! Nein! Lass das!", gewaltsam stemme ich meine Beine in den Boden, als wären sie ein Anker, mit dem ich mich für immer an dieser Stelle festkrallen können, wozu ich triumphierend lache, "Ha! Schon als wir klein waren, konntest du dabei nicht gegen mich gewinnen!"

"Da bin ich aber noch nicht auf die Idee gekommen das zu machen!", sie lässt mich abrupt los. Scheiße. Meine Arme rudern wie verrückt, um mich aufrecht zu halten. Fast kippe ich nach hinten weg.

"Das ist nicht nett!", schreie ich hilflos, ehe ich nach hinten taumele.

Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust.

"Zja. Jetzt geh schon"

Vehement schüttele ich meinen Kopf.

"Nein. Sie müssen es gar nicht erfahren. Ich treibe es ab und schwupsdiwups ist es nicht mehr da"

"Das kann doch nicht dein Ernst sein!"

"Doch!"

-

Ich will nicht. Meine Füße können einfach nicht das Haus betreten, in dem ich früher meine Kindheit verbracht habe.
Was mich darin erwartet ist einfach zu...
"Ich kann das nicht", sage ich zu mir. Trotzdem zwinge ich mich einen Schritt näher an das Haus heran zu machen.

Mein Handy vibriert.

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail
Betreff:...

Nein, ich kann das nicht lesen. Und ich werde es nicht. Denn ich kann und will ihm nicht schon wieder verzeihen, nur damit er mich erneut verletzen kann.

Ehe ich lange darüber nachdenken kann, kralle ich mir das Skateboard, das an die Verander gelehnt ist und springe drauf.

"Scheiß auf die Welt, ich brauche Zeit für mich"

Ich schließe meine Augen, als ich den Berg hinunterfahre.
Mein alter Schulweg. Vor einem Jahr war alles noch okay.
Die Straße ist leer, keine Seele weit und breit. Ich reiße meine Hände in die Luft.

"Scheiße!", brülle ich, als würde ich meine ganze Wut und Enttäuschung hinausschreien können.

Ohne es zu merken bin ich an meiner Schule angekommen. Es ist Sonntag. Niemand ist hier. Ich lege meinen Kopf schief.

Ich springe von meinem Skateboard hinunter und nehme es elegant in die Hand. Ich habe es also nicht verlernt, ich kann es immer noch. Mit Schritten, die schon fast automatisch sind, betrete ich meine alte Schule, da das äußere Schulgelände nie abgesperrt ist.

Die Luft ist kalt, genauso wie der Boden und die Bänke. Trotzdem setze ich mich auf eine Bank, die in der Nähe ist.

"Wie konnte mein Leben nur so abstürzen?", murmele ich zu mir selbst und streiche mir meine Haare aus dem Gesicht.

"Dasselbe frage ich mich auch", höre ich Jaydens Stimme. Ich zucke zusammen, weil es das Letzte ist, mit dem ich gerechnet habe.

"Was machst du hier?", frage ich ihn.

"Ich komme immer hier her, wenn na ja...Ich wusste nicht, dass du hier bist. Soll ich wieder gehen? Wirklich, ich wollte dich nicht stören", murmelt er.

"Ach was, komm", ich deute auf den Platz neben mir.

"Hast du es ihm schon gesagt?", fragt er mich schließlich. Ich verziehe meinen Mund, als hätte ich in etwas saures gebissen.

"Können wir über etwas anderes reden? Weshalb bist du hier?"

"Weißt du noch, als ich dir erzählt habe, dass ich hier bleibe, weil Mutter krank ist?"

Zögerlich nicke ich mit meinem Kopf. Ich erinnere mich daran, doch wenn es so anfängt, kann jetzt gar nichts Gutes mehr kommen.

"Die Ärzte geben ihr nur noch ein paar Monate"

Das Zittern in seiner Stimme ist deutlich zu hören, egal wie sehr er versucht es zu unterdrücken.

Ich seufze: "Das tut mir leid. Und es tut mir leid, dass ich in solchen Situationen nie weiß, was ich sagen soll"

Ich höre, wie er ein wenig lacht.

"Schon vergessen Morgan? Deshalb rede ich so gerne mit dir"

Meine Gedanken schweben zu dem Feuer im letzten Jahr, bei dem wir mit einem Bier da saßen und geredet haben.

"Das Leben meint es wohl nicht gut mit uns, was?", brumme ich.

"Das kannst du laut sagen. Ich weiß einfach nicht, wie es weiter gehen soll. Meine ganzes Leben war sie da, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn sie bald nicht mehr da ist"

Ich lehne meinen Kopf gegen seine Schulter.

"Versprich mir, dass du deine Träume verfolgst", murmele ich.

Darauf sagt er nichts mehr.

"Ich werde das Kind abtreiben, aber ich habe es ihm noch nicht gesagt. Weder, dass ich überhaupt schwanger bin, noch dass ich es nicht behalten will. Ich habe Angst. Angst wie er reagiert.
Was wenn er es behalten will?",

"Du musst es ihm aber sagen. Melody, er ist doch erst 19. Noch dazu ein Weltstar. Warum sollte er es behalten wollen?"

"Ich habe mir letztens ein Video angesehen. Ein Interview. Und er meinte, er wäre bestimmt ein guter Dad", sage ich.

"Das hat doch nichts zu heißen. Er meint sicherlich irgendwann und nicht jetzt. Niemand kann von dir erwarten mit 18 ein Kind zubekommen", flüstert er dann. Ich nicke mit meinem Kopf, während ich sehe, wie kleine, weiße Flocken aus dem Himmel kommen.

"Schneit es?", Jayden streckt erstaunt seine Hand aus.

Schnee heißt, dass alles gut wird.

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt