unexpected [s.m]

46| Unexpected

Kapitel 46
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-
Ich ziehe mir den Hoodie immer tiefer ins Gesicht, mittlerweile sehe ich nicht einmal mehr den Bürgersteig.
"Was machst du denn da?", fragt Logan mehr als irritiert.
Ohne aufzublicken antworte ich; "Mir ist kalt"
Das ist glatt gelogen. Mir ist weder kalt, noch will ich mich vor dem Wind schützen.
"Dir ist kalt? Wir haben 36°C!"
"Ach halt doch die Klappe!", brumme ich, während ich einem Pfosten ausweiche, den ich durch sorgfältiges Tasten erspürt haben.
"Tschüss Luisa! Denk an das, was ich dir gesagt habe!", höre ich Kat sagen, die immer näher an uns heran kommt.
Von Luisa kommt lediglich, in einem ironischen Unterton; "Mh ich glaub auch"
Sogar durch meinen Hoodie habe ich das Gefühl zusehen, dass Logan ihr hinterher gafft. Er ist echt durchschaubar.
"Können wir dann rein? Oder bist du noch damit beschäftigt Luisa hinterher zugaffen?", frage ich und wende meinen Kopf Logan zu. Natürlich ist das total sinnlos, schließlich kann ich ihn trotzdem nicht sehen.
"Wenn du keinen Blindenhund und brauchst, um die Tür zufinden"
"Ach Leute, es ist immer wieder lustig euch zu zuhören. Dennoch muss ich jetzt gehen. Physik wartet auf mich und ich habe kein Bock schon wieder angeschissen zu werden", erklärt Kat.
"Aua!", schreie ich, als ich gegen jemanden laufe.
"Melody?", höre ich Jaydens Stimme. War ja klar.
"Nichts verstehen. Melody wer? Ich sein Austauschschülerin. Nicht gut sprechen englisch. Aber muss gehen", sage ich mit einem Akzent, von dem ich nicht einmal weiß, was er darstellen soll.
"Melody was soll der Scheiß?", höre ich ihn etwas angepisst fragen.
"Gehen ich muss. Viel Glück bei Finden Melody", sage ich und gehe an ihm vorbei. Auch wenn ich befürchte gerade in die falsche Richtung gelaufen zu sein. Ich höre noch, wie er etwas murmelt, das verdammt nach Flüchen klingt.
Etwas grinse ich in mich hinein, auch wenn diese Situation nicht wirklich lustig ist. Denn Fakt ist: ich werde nicht drum herum kommen mit Jayden zu sprechen, egal wie viele Hoodies ich auch anziehe.
Erst jetzt fällt mir auf, dass Logan schon lange verschwunden ist. Und so jemanden bezeichnet man als seinen besten Freund. Pfffft.
Langsam und vorsichtig ziehe ich meine Kapuze ab und laufe zu meinem Klassenzimmer.
"Sie sind zu spät", ist das Erste was ich von meinem Lehrer vernehme.
"Ich weiß", sage ich und setze mich auf den Platz in der letzten Reihe.
Normalerweise würde er jetzt eine Diskussion anfangen, doch heute scheint es ihm egal zu sein. Das macht mich ein klein wenig misstrauisch, aber vielleicht ist er nach all den Jahren auch einfach nur ermüdet.
Ich hole mein Collegeblock aus dem Rucksack und blicke nach Vorne.
-
Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail.com
Betreff:...

Ich gebe es auf... Ich finde dieses Mädchen wahrscheinlich nie...
-S

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail. com
Betreff:...

So schnell gibst du auf? Ich hätte von dir mehr erwartet. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich schon ein kleines bisschen eifersüchtig auf dieses Mädchen bin, dass dir den Kopf so sehr verdreht...
-M

Scheiße, was habe ich ihm da gerade gesendet? Okay, vermutlich wird er mir nie wieder in seinem ganzen Leben antworten.

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail. com
Betreff:...

Ich glaube ich hatte einfach einen Moment der Schwäche, als ich dir geschrieben habe. Manchmal habe ich das Bedürfnis aufzugeben, es erscheint alles so sinnlos, aber dann kann ich es einfach nicht, weil es nicht in meinem Blut ist. Das Aufgeben fließt nicht durch meine Adern.
Eifersüchtig? Du?
-S

Von: melody.cobain@ gmail. com
An: muffin.lover@ gmx.de

Es war blöd das zu sagen, es tut mir leid.
Dann solltest du auch nicht aufgeben, bis du sie gefunden hast. Niemals.
-M

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail. com
Betreff :...

Es muss dir nicht leid tun... Mir tut es leid. Aber es ist nicht so, dass ich bei Jayden und dir nicht dasselbe fühle...
-S

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Es fühlt sich wie ein Attentat in meiner Brust an.
Mein Bauch ist mit Schmetterlingen gefüllt, und das ist wahrscheinlich noch untertrieben, es sind verdammte Elefanten.

Von: melody.cobain@ gmail. com
An: muffin.lover@ gmx.de
Betreff:...

Wir... Das ergibt doch gar keinen Sinn. Wir kennen uns gar nicht... Ich bin so verwirrt.
-M

Von: muffin.lover@ gmx.de
An: melody.cobain@ gmail.com
Betreff:...

Ich auch. Ich kann nicht mehr schlafen, nicht essen. Alles ist so verdammt kompliziert. Doch trotzdem wünsche ich nicht, dass es einfacher wäre. Denn wenn es das wäre, wäre es auch nicht so schön, wie es ist. Ich klinge vermutlich wie ein Irrer...
-S

Immer und immer wieder lese ich mir seine Antwort durch. Als könnte ich sie in mich aufsaugen und für immer in meinem Kopf behalten.

Von: melody.cobain@gmail.com
An: muffin.lover@gmx.de
Betreff:...

Du klingst nicht wie ein Irrer, ich verstehe dich... Sehr gut.
-M

Ich schalte mein Handy aus und konzentriere mich auf den Unterricht, zumindest versuche ich es. Mein Leben ist wie ein unaufgeräumter Schreibtisch. Ich komme mir vor wie ein ordnungsbessesener Mensch, der einfach nicht weiß, wo er anfangen muss um den Schreibtisch wieder aufzuräumen. Ihn ordentlich zu machen. Genauso geht es mir mit meinem Leben. Wo zur Hölle soll ich anfangen? Soll ich erst den Kugelschreiber in seinen Behälter tun oder versperrt er mir dann wieder den Weg um den Bleistift an seinen Platz zubringen? Im Moment räume ich alle Sachen bloß von links nach rechts, erschwere mir das Leben, ohne auf ein Ergebnis zukommen.

"Wer gescheit ist, treibt keine Politik. Von wem stammt dieses Zitat?", fragt nun unser Lehrer in die Runde, vermutlich in der Hoffnung, dass es niemand weiß, damit er es uns tadelnd erklären darf.
Ich hebe meinen Arm.
"Miss Morgan"
"Epikur", antworte ich und sehe in das erstaunte Gesicht meines Lehrers.
"Richtig. Woher wissen Sie das denn?"
"Wenn sie davon ausgehen, dass es eh niemand weiß, wieso fragen Sie dann?", setze ich zur Gegenfrage an.