92| Unexpected

1.7K 117 51
                                    

Kapitel 92
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-

"Ich muss noch kurz... Wie heißt es noch gleich... Die Nase pudern!", grinse ich. Shawn nickt.

"Ich komme mit!", gibt Hailey lächelnd von sich, woraufhin ich meine Augenbraue hebe. Im Nachhinein muss ich sagen, dass sie doch nicht so schlimm ist, wie ich dachte.

"Okay", murmele ich irritiert.

Siebzig Schritte bis zu der Toilette, nur um hinter zwei weiteren Mädchen anzustehen. Ich frage mich, wie viel Zeit man im Leben mit Warten verbringt.

"Weißt du, Melody, hätte ich gewusst dass du und Shawn zusammen seid, dann hätte ich nie..."

Ich drehe mich um.

"Dann hättest du was nie?", frage ich misstrauisch.

Wie automatisch verschränke ich meine Arme.

"Ach nicht so wichtig..."

Ich kneife meine Augen zusammen: "Sag schon"

"Das ist nicht so einfach.... Ich will dich nicht verletzen"

Meine Nerven sind wie an einem Faden gespannt. Wenn sie so weitermacht, dann flippe ich aus.

"Red nicht drum herum", mir ist egal, wie unfreundlich das jetzt wirkt.

"Nein, das kann ich nicht"

Meine Faust schlägt unauffällig, aber dennoch geräuschvoll gegen die Wand neben mir.

Ohne, dass ich es kontrollieren kann entfährt es mir: "Natürlich willst du mich verletzen, deshalb sagst du es ja. Jetzt red nicht um den heißen Brei herum und verrat mir, was in deinem Gehirn abgeht"

Das war zu laut. Es war wahrscheinlich viel zu unfreundlich. Die beiden Mädchen, die vor uns stehen, drehen sich um. Die gefakte Freundlichkeit bringt mich um. Das kann ich nicht und so bin ich nicht. So will ich auch niemals sein.

"Ich habe mit Shawn geschlafen"

"Was?

Ich habe das Gefühl meinen Kiefer augenblicklich herunterfallen zu hören.

"Wir haben miteinander geschlafen"

Ohne etwas zu sagen drehe ich mich um. Nein. Das kann nicht wahr sein. Verdammte Scheiße nein!

Eine mir allzu bekannte Übelkeit breitet sich aus. Ich laufe einfach weiter ohne anzuhalten. Vor meinen Augen habe ich kein Ziel. Ich will einfach nur raus. Weg von hier. Weg von Hailey. Weg von Shawn.

Ich dachte alles wäre okay. So okay wie es eben sein kann, wenn man schwanger ist. Doch dann erfahre ich so etwas. Wie konnte er mir so etwas nur antun?

Es ist lächerlich. Ich habe ihm wirklich vertraut. Und alles was er tut ist, mich immer wieder zu verletzen. Immer und immer wieder, als könnte ich nicht zerbrechen.

Dabei wollte ich heute mit ihm reden. Als Shawn sieht, wie ich rausrenne, blickt er mich fragend aus seinen braunen Augen an. Sein Kopf dreht sich ganz langsam, so als könnte er nicht begreifen was los ist. Natürlich kann er das nicht. Wieso sollte er?

Ist ihm überhaupt wichtig, wie es mir geht? Nur noch 10 Schritte bis zum Ausgang. Eins, es tut weh. Zwei, ein weiterer Stich. Drei, ich halte es nicht aus.

"Melody?", höre ich Shawns Stimme.

"Lass mich einfach in Ruhe!"

Die Laute, die aus meinem Mund kommen, meine ich auch so. Er soll verdammt noch mal aufhören mein Leben zu ruinieren.

Er sieht mich an. Dabei scheint er zu überlegen, was er falsch gemacht hat. Es scheint ihm sehr schwer zu fallen. Weil das, was er getan hat, ja auch so leicht zu vergessen ist. Ich dachte immer er wäre einer der Guten. Der Jungs, die Mädchen nicht wehtun wollen. Die, die sich wirklich verlieben können.

Doch da habe ich mich wohl getäuscht. Er ist genau wie alle anderen. Das zu erfahren tut weh. Es fühlt sich an, als würde sich ein Messer durch mein Herz bohren. Als würde ich über einen Boden voller Glasscherben laufen. Jeder einzelne bohrt sich in meine Füße. Der Schmerz jedoch durchzieht meinen ganzen Körper.

"Melodie kannst du mir sagen was los ist? Auf einmal ist es so anders. Habe ich irgendwas getan?"

"Hast du mit Hailey geschlafen?"

"Nein. So etwas würde ich nie tun. Wir sind nur Freunde. Wirklich niemals. Wie kommst du darauf?"

"Ich weiß es von Hailey. Sie hat es mir erzählt. Gerade eben. Du brauchst gar nicht zu lügen, ihr ward schon damals, als ich dich in Toronto besucht habe, direkt nachdem ich gegangen bin, bei dir. Weißt du, es ist okay. Denn ab heute ist mir scheißegal, was du tust. Mir ist egal mit wem du schläfst. Mir ist egal wo du bist. Mir ist egal was du machst oder mit wem du etwas machst. Nur lass mich in Ruhe!"

Diese Worte zu sagen schmerzt. Genauso, als würde ich die Glasscherben auf, denen ich eben gewandert bin, mit jedem Wort ausspucken. Es fühlt sich an, als wäre ein metallischer Geschmack in meinem Mund. Der Geschmack von Blut. Doch es ist nur der bittere Geschmack der Enttäuschung.

Es ist so viel passiert. Damals hat er mich alleine gelassen. Wieso sollte ich ihm jetzt glauben? Natürlich mag ich Hailey nicht. Aber im Moment weiß ich einfach nicht, was ich glauben soll.

Ich wünsche mir, dass es nicht so ist. Doch letztendlich weiß ich, dass es nur ein Wunsch ist. Das ist nicht die Realität. Nicht das, mit dem ich konfrontiert werde, wenn ich morgens aufwache. Deshalb muss ich jetzt das einzig Richtige tun.

Ich muss mit diesem Kapitel meines Lebens abschließen. Und das Buch, in das ich es geschrieben habe, wegschmeißen.

Denn dieses Buch lässt mich nicht schlafen. Niemals, unaufhörlich. Ich muss es beenden.

Er bleibt still. Kein Wort verlässt seinen Mund. Vielleicht, weil er weiß, dass ich recht habe. Vielleicht, weil er weiß, dass ich die Wahrheit kenne.

Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich glaube ich würde versuchen mich vor diesen Fehlern zu bewahren. Denn genauso wie die Zeit die schön war, so intensiv ziehen mich die Schmerzen runter. Das will ich mir nicht antun.

Das Kind werde ich so oder so abtreiben. Ich mache die Tür auf. Kalte Luft kommt mir entgegen.

Es fühlt sich an, als würde der Wind Stücke meiner selbst hinfort tragen.

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt