94| Unexpected

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Kapitel 94
Unexpected
[Shawn Peter Raul Mendes]
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"Verdammt wieso erzählst du ihr so etwas? Bist du vollkommen durchgedreht? Was läuft bei dir schief, Hailey?", blaffe ich sie an, als ich wieder klar denken kann. Melody hat sich heute so oder so anders benommen als sonst, obwohl ich nicht weiß warum, da brauche ich nicht noch Hailey, die ihr so einen Scheiß erzählt.

„Was denn?", Hailey sieht mich unschuldig mit ihren großen Augen an.

„Du weißt wovon ich rede!", schreie ich.

Eiskalt sieht sie mich an: „Nein, weiß ich nicht"

Wie konnte das alles nur passieren? Ich verstehe es nicht. Wir sind gute Freunde. Wirklich, wirklich gute Freunde. Wieso sollte sie mir mein Leben ruinieren wollen?

„Dass wir miteinander geschlafen haben!", platze ich heraus und sehe, wie Camilas Augen größer werden.

„Was? Das hast du Melody nicht angetan oder? Ihr habt nicht ernsthaft miteinander geschlafen!", schreit sie dann. Wenn Blicke töten könnten, dann lägen Hailey und ich jetzt in einem Doppelgrab. Zugleich sieht Camila unheimlich überrascht aus.

„Haben wir nicht!", schreie ich.

„Ich fasse es nicht, dass du es vergessen hast. Ich dachte es bedeutet dir etwas. Und nur so: Ich wollte es ihr nicht sagen. Denn ich will, dass du glücklich bist. Es ist mir herausgerutscht. Aber anscheinend bedeute ich dir nichts"

„Was? Was redest du da?"; frage ich, als sie an mir vorbei stolziert, wobei sie eine Miene aufsetzt, die eingeschnappt und verletzt aussieht. Mit meiner Hand greife ich nach ihrem Handgelenk.

„Du warst betrunken...ich wusste nicht, wie betrunken du warst. Aber weißt du was, Shawn? Vergiss es! Ich dachte da wäre etwas zwischen uns. Mehr als nur Freundschaft. Aber du hast ja Melody. Ach stimmt ja, die hast du auch verletzt", damit dreht sie sich um und geht weg. Es fühlt sich an, als würde sich ein Dolch durch meine Brust bohren. Was habe ich nur getan? Habe ich wirklich mit ihr geschlafen? Ich weiß, dass ich betrunken war. Ich weiß, dass ich bei ihr war.

Egal wie sehr ich mein Gehirn nach Erinnerungen durchsuche, ich finde sie nicht. Da ist nur Leere und die letzten Streifen dessen, was ich erlebt habe. Wie seidene Faden hängen sie vom Himmel. Ich sehe, wie ich bei ihr war, kurz nachdem ich realisiert habe, was ich Melody angetan hatte.

Ich brauchte jemandem zum Reden. Wir redeten. Daran kann ich mich erinnern. Aber an mehr auch nicht. Haben wir wirklich miteinander geschlafen? Ich kenne Hailey. Sie würde so etwas niemals erfinden.

Niemals.

Doch ich kenne mich. Ich würde nie etwas tun, das Melody wehtut.

Zumindest, wenn man die Nacht, in der wir miteinander geschlafen habe, außer Acht lässt. Ich liebe sie, verdammte Scheiße.

„Fuck", zische ich und trete gegen einen der Barhocker, die hier herumstehen. Beinahe kippt er um.

Camila kann nicht anders, als mich mit offenem Mund anzustarren.

„Hast du mit ihr geschlafen, Shawn?", der Vorwurf schwingt nur allzu stark in ihrer Stimme mit. Sie denkt, dass ich es getan habe. Wem soll ich vertrauen, mir oder Hailey?

„Ich weiß es nicht", sage ich kleinlaut während ich auf den Boden starre. Ein schwarzer Boden, der mich immer näher zu sich zu ziehen scheint.

Als würde ich in einem tiefen Loch versinken. Stück für Stück. Als wäre ich mitten im Meer. Meine größte Angst. Ganz alleine. Allein gelassen auf dem Meer. Niemand, der mir jetzt helfen kann. Irgendwie muss ich es schaffen selber das Boot zu steuern, bis ich am rettenden Ufer ankomme. Dabei dachte ich, dass ich es gefunden hätte. Dass ich endlich angekommen bin.

Dabei habe ich das Ufer schon wieder hinuntergezogen. Ich tue ihr weh. Immer und immer wieder. Es fühlt sich an, als würde ich abbrennen. Ich liebe sie so sehr, dass es mir physische Schmerzen bereitet, sie so zu sehen.

Ich bin daran schuld. Ich bin nicht gut für sie. Dabei dachte ich immer, dass ich derjenige bin, der sie auf ewiglich gut behandeln wird.

„Ich muss gehen. Sorry, Camila", ist alles was ich noch herausbringe, ehe ich in Richtung der Tür verschwinde. Die kalte Luft schlägt mir entgegen.

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Seit verfickten zehn Stunden sitze ich in meinem Musikstudio. Ich sitze hier einfach nur mit meiner Gitarre herum. Was versuche ich damit zu bezwecken? Ich kann es nicht mehr sagen. Alles was ich weiß ist, dass es das erste war, das ich gemacht habe, als ich nach Hause kam und Melody nicht erreicht habe. Dabei habe ich es versucht. Immer und immer wieder, aber sie nimmt nicht ab. Verständlich, sie will mich nicht hören.

Sie glaubt Hailey.

Meine Gitarre ist wie Medizin, die dieses Mal, auch wenn sie sonst Wunder bewirkt, einfach nicht so recht helfen will. Was kann ich nur machen, damit die Medizin anschlägt und ihren Nutzen erzielt? Wie soll ich nur weiter machen ohne Melody? Mir ist egal, wie kitschig meine Gedanken sind. Egal, wie seltsam sich das anhört.

Aber sie ist das, das mich am Leben hält. Ich brauch sie.

Schlagartig ist es mir, als wüsste ich, wo das Problem liegt. Ich bin ein Egoist. Alles was ich denke, dreht sich um mich: ICH kann es nicht ertragen, sie leidend zu sehne. ICH kann nicht ohne sie. ICH brauche sie. Sie ist MEIN rettendes Ufer. Verdammt, wie bekomme ich sie nur dazu mir zuzuhören?

Wie geht es ihr jetzt?

Ich muss zu ihrer Wohnung. Ich muss es ihr einfach persönlich sagen.

Anrufe reichen nicht aus, um den Schaden, den ich angerichtet habe, zu reparieren. Wenn es einmal Scherben gibt, mag man sie vielleicht zusammenkleben können, doch die Risse bleiben sichtbar.

Bevor ich mit ihr rede, muss ich herausfinden, was wirklich war. Nur wie?

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt