104| Unexpected

1.7K 120 56
                                    

Kapitel 104
Unexpected
[Melody Rose Morgan]

-

Das ist das Albernste, das ich je gesehen habe. Man müsste meinen, dass man mit 20 Jahren alt genug ist, um sich normal anzuziehen. Auch, wenn das der Junggesellenabschied ist.

Das ganze Pink macht mich wahnsinnig. Vor allem hätte ich nie gedacht, dass ausgerechnet Sarah Barbies als Freundinnen hat.

Ich dachte sie wäre eher bodenständig.

Plastikkrönchen gehören nicht unbedingt zu den Must-Haves dieser Saison. Wenn es nach mir geht, wird das auch so bleiben.

"Du guckst so verklemmt!"

Als ich meinen Blick von den blinkenden Plastikintimteilen männlicher Wesen, die wie eine Kette um ihre Hälse hängen, gelöst habe, sehe ich, wie Sarah auf mich zukommt.

"Ich bin nicht verklemmt und so gucke ich nicht! Aber muss das wirklich sein?", ich deute auf alles, was leuchtet, blinkt, Geräusche macht oder irgendwie pink ist.

"Das ist doch lustig! Also ja, das muss sein!", grinst sie mir entgegen. Ich wette sie hat schon ordentlich vorgeglüht, bevor sie mit ihren zwei besten Freundinnen zu dem Platz gekommen ist, an dem wir uns treffen.

Dort, wo ich mir gerade den Arsch abfriere.

Sie streckt ein silbernes Krönchen, das an der Seite mit pinken Fell verziert ist, entgegen: "Hier, probiere es doch wenigstens an!"

Schnell schüttele ich meinen Kopf.

"Niemals. Das hat Fell dran. Pinkes Fell"

"Ja, ich weiß!", quietscht sie, wobei sie geflissentlich ignoriert, dass ich es nicht in einer positiven Art und Weise gemeint habe.

"Die ganze Emanzipation am Arsch", seufze ich und greife nach einem Keks. Nachdem ich sehe, wie er geformt ist, lasse ich ihn angewidert fallen.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du so eine Spaßbremse bist"

Ich hätte nicht gedacht, dass du so... aufgedreht und barbiehaft bist. Trotzdem muss ich sagen, dass sie nett ist. Nur weil sie sich anders verhält, auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt schlecht sein muss, heißt das nicht, dass sie nicht nett ist.

"Zja", sage ich, da ich befürchte die Kekse essen zu müssen, wenn ich dementiere, dass ich eine Spaßbremse bin.

"Sarah! Wir sind jetzt glaube ich vollzählig"

"Super!", das Mädchen mit dem braunen Bob dreht sich so schnell herum, dass ihre Haare auf und ab wippen. Triumphierend streckt sie ihre dünnen, zierlichen Arme in die Höhe. Ich fürchte schon fast vor dem, was jetzt kommt. Ich war noch nie ein Fan davon in einer Gruppe betrunkener Leute herumzulaufen, da sich das meistens als mehr als peinlich herausstellt.

Mein Level an Fremdschämen wird in diesen Fällen aufs Höchste überschritten.

"Wenigstens die Federboa!", fordert ein Mädchen, das eine, für meine Ohren, viel zu hohe Stimme hat. Sie hält mir ein pinkes, fedriges Ding hin. Als ich zugesagt habe, habe ich mir das Ganze deutlich relaxter vorgestellt.

Ich strecke meinen Arm aus und greife danach. Schon auf dem Weg zu meinem Hals verliert das Ding so viele Federn, dass es fast nicht mehr vorhanden ist.

Wie läuft's?

Ich blicke auf die Nachricht von Ben.

Als wäre ich im Barbiepornoland.

Kann ich vorbeikommen?

Halt die Klappe.

Hab Spaß und sei nicht so verklemmt.

Okay, jetzt reicht es mir. Wirklich. Wieso denkt jeder, ich sei verklemmt? Bin ich nicht. Wirklich nicht. Ich stecke das Handy in meine Hosentasche und geselle mich zu den anderen, die bereits ein wenig vorgelaufen sind.

Wie lange ist es her, dass ich einfach nur Spaß hatte? Gefühlt eine Ewigkeit.

Angestrengt versuche ich mein Gehirn abzuschalten und nicht darüber nachzudenken, dass ich mit Shawn reden muss. Nicht darüber, dass ich schwanger war. Ebenfalls nicht darüber, dass die Academy nicht so ist, wie ich sie mir erhofft habe.

Das Mädchen von vorhin sieht mich an: "Ich bin übrigens Carly"

"Ich bin Melody"

"Schöner Name, wie die Melodie", lächelt sie mir zu. Ja, wie die Melodie. Das hat mir ja noch niemand gesagt.

"Wohin wollen wir als erstes gehen?"

"10k", sagen alle wie aus einem Mund. Ich beuge mich ein bisschen nach vorne, um alle zu sehen.

"Euch ist schon klar, dass das Ding einen extrem strengen Dresscode hat", gebe ich zu bedenken. Das weiß ich nur, weil ich ein paar Mal daran vorbeigelaufen bin.

"Geht das, was wir anhaben, denn nicht?"

Fragend sehen sie an sich hinab. Ich kann nicht so recht deuten, ob das nun Sarkasmus sein soll oder ob sie das ernst meinen. Traurigerweise meinen sie es wahrscheinlich ernst.

Das was mir auf der Zunge liegt, verkneife ich mir geflissentlich.

"Du siehst so aus, als ginge es dir nicht gut. Alles gut Melody?", hakt Sarah nach.

"Nichts, nichts. Habe nur ein Husten unterdrückt"

-

Nach einer Weile kommen wir am Club an. Schon von weitem kann ich sagen, dass wir da nicht hereinkommen. Ich bilde mir sogar ein, Kim Kardashian zu sehen. Einbildung. Wobei Promis sogar wirklich gesichtet werden.

Dafür, dass ich die Tussi mit dem Arsch mit Namen kenne, würde ich mich gerne selbst schlagen. Wenigstens kann ich mich damit beruhigen, dass ich zufällig etwas bei Promiflash über sie gelesen habe.

Die Mädchen, die in der Schlange stehen, haben weder Federboas um, noch haben sie Krönchen auf. Das Einzige, was sie anhaben, sind scheiß teure Stofffetzen, die vielleicht fünf Prozent ihres Körpers bedecken. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist das sogar noch recht viel.

Mein Blick wandert an mir herab. Vans, ein schwarzes Kleid, das zwar aus Seide und recht kurz, jedoch nichts im Vergleich hierzu ist. Zudem hat niemand, wirklich niemand Sneakers an. Alle tragen Plateauschuhe, die so aussehen, als wären sie dazu gemacht worden, um jegliche Krankenkassen in den Wahnsinn zu treiben und Ärzten Beschäftigung zu verschaffen.

"Das wird so cool!", quietscht Sarah. Genau. Wenn wir vorne ankommen, hat der Club bestimmt schon geschlossen. Die Schlange ist Meter lang und wir werden wahrscheinlich nicht hereingelassen.

Aber vermutlich bin ich einfach zu verklemmt für das alles.

"Meint ihr wirklich, dass wir hier hereinkommen?", hake ich nach, wobei ich mir böse Blicke von den anderen einhandele. Abwehrend hebe ich meine Hände hoch.

"Ist ja gut, ich sage nichts mehr"

Während sich alle amüsiert über Zeug unterhalten, das mich nicht interessiert, schweben meine Gedanken zu Shawn. So viel zu "Ich sollte mein Gehirn abschalten".

unexpected [s.m] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt