Papa

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Kaum hatte Alea das Zimmer verlassen und die Tür geschlossen, wich ihr freches Grinsen einer nervösen Mine.
Während sie langsam Richtung Treppen ging zog sie mit zittrigen Händen ihr Handy hervor.

Es hatte vorhin geklingelt. Und egal wer es war, es war kein gutes Zeichen.

Unbekannte Nummer

Das verwirrte sie noch mehr. Wer könnte das sein?
Doch als sie auf ihre Mailbox klickte, wusste sie sofort wer es war.
Und ihr Herz schien für einen Moment auszusetzen.

„Hey meine Süße. Ich bin ziemlich sauer das du einfach weggelaufen bist. Aber keine Sorge, ich werde dich schon finden, und wenn nicht dann wird es die Polizei tuen. Ewig kannst du nicht ohne mich überleben. Du brauchst mich, das weißt du.
Du weißt was das letzte mal passiert ist als ich richtig wütend wurde, also provozier mich nicht.
Komm nach Hause. Komm zu mir."

Bei jedem weiteren Wort der Stimme war ihr ein bisschen kälter geworden.
Nur ein Bild prangte gerade in dem Moment vor ihrem inneren Auge.
Das eines Mannes.
Das von Papa.

Ihr war schlecht. Richtig schlecht.
Die Übelkeit überfiel sie so plötzlich das sie gerade noch nach draußen stürmen konnte, bevor sich die Reste der Chips von gestern ihren Weg nach draußen bahnten.

Jetzt viel ihr wieder ein was für einen Hunger sie gerade noch gehabt hatte. Aber die Nachricht steckte wie ein fetter ekelhafter Klumpen in ihrem Hals.
Trotzdem, sie musste essen.

Mit ihren Fingern fuhr sie sich durch ihre kurzen Haare.
Eine Erinnerung kam in ihr hoch.
Von dem Tag wo sie sich ihre langen Haare kinnlang geschnitten hatte.
Und wie sie dafür ihre erste blutige Lippe kassierte.

Ihr Vater war nie jemand gewesen der handgreiflich wurde. Nicht bis zu dem Tag, an dem mom das Haus verlassen hatte.
Das war vor vier Monaten gewesen.
Vor zwei Tagen hätte sie wieder vor der Tür stehen sollen, aber das hatte sie nicht getan. Also würde sie wohl in vier Monaten erst kommen.
Und dann würde Alea wieder zu Hause sein, weil ihr Vater dann auch wieder normal wäre.
Aber bis dahin musste sie warten.

Die Erinnerungen der letzten Monate drohten über sie herzufallen.
Das wollte sie nicht und das konnte sie nicht.

Alkohol.
Alea brauchte Alkohol.
Sie musste sich jetzt ablenken. Musste vergessen. Musste den Schmerz betäuben.

Fast schon panisch hämmerte sie in der Lobby auf die kleine rostige Klingel auf dem Tresen.

Der Typ... Connor ?, kam wie immer genervt zum Vorschein.

„Was is los?"
„Ich hab für die Bar gezahlt, aber da gibts nichts mehr." sagte sie mit kratziger stimme.

Theatralisch verdrehte er die Augen, schaute kurz zu allen Seiten, musterte Alea dann prüfend.
Dann bückte er sich hinter den Empfang und kam gleich wieder mit einem Karton, in dem es klirrte zum Vorschein.

„Mein persönlicher Vorrat." meinte er
„Den geb ich normalerweise nicht aus aber du scheinst so als würdest du es brauchen."
Er schob ihn zu ihr rüber
„Sauf mir aber nicht alles weg."

Ehrlich dankbar nahm sie die Kiste entgegen und versprach sie später wieder runter zu bringen.
Dann fuhr sie nach oben in den vierten Stock und setzte sich an die leere Bar.
Öffnete die erste Schnapsflasche.
Begann zu trinken.
Und zu vergessen.

Quinn

Obwohl ich es mir nicht eingestehen will, mache ich mir irgendwie sorgen.
Alea ist vor über zwei Stunden gegangen, nur um etwas einzukaufen. Es ist Nacht. Und mittlerweile scheiße dunkel.
Ich habe mich nicht aus meinem Zimmer raus bewegt, meine einzige Beschäftigung war es, Nachrichten von meinem Handy zu beantworten. Ich hasse es so fucking sehr.

Wieder denke ich an Alea und ein Unwohlsein überkommt mich.

Ich weiß das ich sie nicht suchen muss. Nicht suchen sollte. Eigentlich gar nicht an sie denken sollte, aber ich muss.
Also stehe ich auf und laufe auf den Flur.
Als ich gerade an dem Aufzug vorbei und die Treppen runter laufen will, höre ich etwas. Jemanden.

Es klingt fast wie ein Schluchzen.

Ich blicke um die Ecke.
Da wo die Bar steht, sitzt jemanden. Der Kopf liegt auf der Tresenplatte.

Alea.

Ohne darüber nachzudenken renne ich zu ihr und ziehe sie mit den Schultern in eine aufrechte Position, drehe ihren Oberkörper zu mir.

Ihre Haare sind zerzaust, ihre Nase und Wangen rot angelaufen.
Ihre Augen hat sie nur halb geöffnet und mit ihren Fingern umklammert sie eine fast leere Wodkaflasche, als wäre es ihr einziger Halt.

„Alea" ich streiche ihr die Haare aus den Augen doch halte sie mit der anderen Hand immer noch fest, aus Angst sie würde ihr Gewicht alleine nicht halten können.

„Scheiße Alea was ist mit dir passiert? Was ist los?"
Sie antwortet nicht, starrt nur ins leere.

Ich hebe meine Hand um ihr die verwischte Mascara unter den Augen wegzuwischen, doch sie zuckt erschrocken zurück.

Ihre Augen sind vor Angst geweitet, ich erkenne das ruhige gefasste intelligente Mädchen was sie ist, nicht wieder.

„Nein, nein bitte." flüsterte sie mit zitternder Stimme.
„Bitte tu mir nichts bitte."
Ich bin geschockt wie verzweifelt sie klingt.

Doch sie schaut nicht mich an, eher durch mich hindurch.
Als wäre sie in einem Film.

„Ich tu dir doch nichts." versuche ich sie zu beruhigen doch es scheint alles noch schlimmer zu machen.

„Es tut mir leid! Ich wollte das nicht! Bitte!" schreit sie fast und krümmt sich zusammen.
Die Alkohol Fahne schlägt mir unangenehm ins Gesicht doch ich ignoriere es.

Ihr Gesicht verzieht sich immer mehr zu einer panischen hilflosen Maske.
Tränen rinnen ihr über die bleiche Haut.

„Alea! Alea!" rufe ich nun und übertöne sie.
„Was ist los? Wer denkst du bin ich??"
„Es tut mir leid..." sie vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.

„Es tut mir leid Papa..."

Motel - room 39 ||girlxgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt