MDMA in den Wolken

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Wie lange es her ist seit ich mir die Bunte Pille auf die Zunge gelegt hatte, weiß ich nicht.
Aber das ist auch nicht wichtig.
Nichts ist wichtig außer mein pulsierender Körper und das Mädchen neben mir.

Drogen sind gar nicht so schlimm, nein sie können fantastisch sein. Unglaublich.
Meine Finger verschränken sich mit den ihren, sie sind so warm.

Irgendwie fühle ich mich bei ihr sicher. Geborgen. Ich kann mit Alea essen, reden und tatsächlich Dinge tun die ich niemals hätte tun wollen.
Denn sie lässt alles was so gefährlich und unbezwingbar erscheint so einfach wirken. So vertraut.

„Ich frage mich..." fing ich plötzlich an zu sprechen
„Ich frage mich wozu wir das alles machen. Warum wir uns diese Ketten aufzwingen die unser Leben einschränken.
Schule, Abitur, Job, Familie, Haus, Rente, Tod. Möglichst viel Leistung in Möglichst wenig Leben quetschen. Ich habe das Gefühl mein Leben nicht zu leben und dabei habe ich doch nur das eine..."

Alea dreht sich zu mir. Ihre dunklen Augen betrachten mich intensiv.

„Du kannst nur dann wirklich leben wenn du Dinge tust die dich erfüllen. Wenn du aufhörst etwas nur für andere aber nicht für dich selbst zu tun."

„Ich weiß nicht wann ich mich das letzte mal frei gefühlt habe..."

Plötzlich steht Alea auf und reicht mir ihre Hand. Verwundert lasse ich mich von ihr auf die Füße ziehen.

„Dann wirst du es jetzt wieder tun."
Sie greift nach ihrer Jacke und zieht mich dann nach draußen.
Das alles wirkt so unwirklich, so surreal.

Ich habe das Gefühl mein ganzer Körper ist erfüllt mit Glücklich sein. Habe ich so etwas überhaupt schon mal verspürt?

Draußen zieht sie mich durch enge Gassen, das Motel liegt versteckt zwischen verdreckten unbewohnten Hochhäusern und zwielichtigen Shops.

Wir kommen in einem Hinterhof an.
„Hier war ich Gestern, als ich einbisschen spazieren war. Schau" Sie deutet auf ein Motorrad welches mit einer rostigen Kette verschlossen an der Backsteinmauer lehnt.

„Das Ding is schon so eingestaubt, das hat wohl irgendwer hier mal stehen gelassen und nie wieder abgeholt." ich gucke immer noch wie ein Fragezeichen. Worauf will sie hinaus?

Lachend verdreht sie die Augen.
„Manchmal bist du echt süß wenn du kein Plan hast." sie sagt das so beiläufig das es fast normal wirkt. Aber auf mich hat es eine andere Wirkung? Alea findet mich süß?

Sie nestelt an dem Schloss herum bis es plötzlich laut Klick macht und die Kette zu Boden fällt.

„Du hast keinen Schlüssel." merke ich an doch Alea lacht nur.

„Ich bekomm alles angeschmissen glaub mir ich hab Übung."

„Du bist 15."
„und von zu Hause abgehauen."
Das ist ein Argument dem ich nicht viel entgegenbringen kann und so stehe ich da, wartend, mit verschränkten Armen.

Ich habe das Gefühl jede einzelne Pore in meiner Haut ist auf das Zehnfache geweitet und absorbiert alles um mich herum.
Den süßen frischen Sauerstoff, die warmen Abendlichen Sonnenstrahlen, die dumpfen Geräusche New Yorks.

„Na also!" das laute knattern eines alten Motors ist zu hören und beeindruckt stelle ich fest das Alea es wirklich hinbekommen hat dieses Ding zu starten.

„Steig auf." sie klopft hinter sich auf den freien Platz.
„Kannst du überhaupt fahren?"
„Na klar. Also nen Führerschein hab ich nicht aber ich bin ne Zeit lang immer mit dem meines Bruders gefahren."
Sie grinst verschmitzt, was ihre Grübchen hervorhebt.

„Du bist high."
„Und du verklemmt. Jetzt Steig auf."

Heute überrasche ich mich immer wieder selbst, denn tatsächlich setzte ich mich auf das rostige Motorrad, lege meine Hände an Aleas Hüften und spüre wie wir losfahren.

~

Ein so berauschendes Gefühl wie das was ich gerade durchlebt hatte war mir davor noch nie passiert.

Ich war schonmal auf einem Mottorad gefahren aber da hatte ich einen dicken schweren Helm getragen der meine Sinne eingeschränkt hatte.

Diesmal hatte ich jeden Quadratmillimeter meiner Haut gespürt.
Das pfeifen des Windes in meinen Ohren gehört.
Die kühle Nachtluft wahrgenommen.

Ich sitze mit Alea auf einem Hügel, weiter außen von Manhattan.
Hier sind keine Verkehrsgeräusche zu hören, keine blinkenden Lichter zu sehen.

Der Himmel hat sich Purpurrot verfärbt, die Sonne steht wie ein glühender Ball über der Skyline.

Ich drehe mich zu Alea. Sie schaut gedankenverloren zu den vereinzelten Wattewolken. Ihr Profil sieht so makellos in dem Moment aus.

Auch sie dreht sich jetzt zu mir. Das Licht fällt so in ihr Gesicht das es die tiefen Augenschatten noch mehr betont.
Ihr zu großes Shirt ist ihr etwas über die Schulter gerutscht und entblößt einen ihrer Blutergüsse.

Der Anblick macht mich traurig.

„Ally... ich weiß du willst nicht drüber reden und vielleicht kennen wir uns dafür auch zu wenig aber... was ist passiert? Warum bist du abgehauen warum hat dein Vater dich geschlagen? Warum..." die Worte sprudeln nur so aus mir heraus. Ob es die Droge ist die mich so ehrlich macht?
Ich weiß es nicht.

Alea schaut für einige Sekunden in die Ferne. Scheint nach zu denken.
Vielleicht war es zu voreilig. Vielleicht war es dumm von mir so persönlich zu werden.

„E-Es tut mir leid, ich-„
Doch diesmal ist es Alea die ihre Finger auf meine Lippen legt.

„Ist schon gut." sie lächelt etwas traurig.
Dann löst sie sich wieder von mir und wirft sich nach hinten ins Gras.
Dem Beispiel folge ich und so liegen wir mal wieder gemeinsam nebeneinander und schauen in den Himmel.

„Als mum ging hat dad angefangen zu trinken. Ich habe es nie wirklich verstanden weil sie doch wiederkommen würde, aber er hat getrunken und getrunken und getrunken.
Ich sehe mum ähnlich, hat er mal gesagt. Und immer wenn er mich sieht hat er ihr Gesicht vor Augen. Er kann damit nicht umgehen, aber verlieren will er mich auch nicht. Er sagt das ich ein Geschenk des Himmels und der Hölle wäre."

Sie macht eine kurze Pause, ich höre wie sie tief ein und aus atmet.

„Den Teufel muss man eben bestrafen."

„Nein."

Sie schaut zu mir, diesmal ist es Alea die nicht weiß von was ich rede.

„Das macht keinen Sinn.
Denn der Teufel ist nur ein gefallener Engel. Er ist wunderschön, weil er einst Gottes Liebling war."

Ich weiß nicht woher das kommt was ich über die Lippen bringe.
Dinge die ich nie ausspreche, die nicht in das Konzept passen, nicht realistisch sind.
Vielleicht haben sie immer in mir geschlummert aber sind nie an die Oberfläche gekommen.

„Um zu fallen muss man aber einen Fehler gemacht haben."

„Fehler passieren. Du kannst von der höchsten Wolke fallen, in das tiefste Loch stürzten. Aber du bist wieder aufgestanden. Das macht die Stark, kleiner Teufel."

Motel - room 39 ||girlxgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt