Ehrlichkeit

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Mit finsterem Blick spuckt Jan auf den Boden, sein Speichel gemischt mit Blut.

Er hebt seinen Blick und schaut Ruben direkt ins Gesicht, hat sein überlegenes Grinsen wieder aufgesetzt und streckt die Brust durch um zu zeigen das er sich nicht geschlagen gibt.

„Wir wollten nur ein bisschen Spaß haben..."
„Laber keine scheiße." unterbricht Ruben ihn und funkelt ihn durchdringend an. Seine Stimme, gestern noch so entspannt und leicht verpeilt, ist nun kalt und kontrolliert.

Obwohl ich weiß das er mich beschützt schüchtert mich diese Seite an ihm ziemlich ein.

„Warum seit ihr wirklich hier?"

Langsam verschwindet das Grinsen von Jans Lippen.

„Na gut, du willst die ganze Wahrheit?" er schaut zu mir und durchbohrt mich seinen Augen.
Eine Gänsehaut jagt mir über den Rücken und ich Rutsche noch näher an Ruben.

„Die kleine Schlampe ist seit zwei Wochen spurlos verschwunden! Und ihr Vater bietet demjenigen der das Miststück findet 500$."

Bei dieser Aussage muss ich schlucken.
Denn ich weiß das nicht ich selbst ihm soviel wert bin, sondern das es meine Ähnlichkeit zu Mama ist die er so liebt und gleichzeitig so hasst.

„und außerdem" er kommt einen Schritt auf uns zu und mit Entsetzen stelle ich fest das einer seiner zwei Freunde ebenfalls wieder steht und hinter ihn tritt.

„Außerdem hab ich doch so sehr die downtown hure vermisst."
Wieder brennen Tränen in meinen Augen, aber ich unterdrücke sie mit aller Kraft.

„Aus der Belohnung wird wohl nichts." knurrt Ruben, doch Jan lacht nur.

„Du glaubst doch nicht ernsthaft das ich den ganzen Weg gekommen bin um am Ende mit leeren Händen zu gehen!" Meint Jan spöttisch und kommt noch etwas näher.

„Wenn du meine Fäuste nicht wieder in deiner Fresse willst würde ich dir raten genau das zu tun."

„Du hast mich vorhin Überrascht und außerdem" er grinst zu mir und lässt seinen Blick wieder über mich wandern.
„War ich abgelenkt."

„Du willst also unbedingt nochmal zu Boden gehen?" Ruben schiebt mich hinter sich, neigt seinen Nacken nach links und rechts um ihn knacken zu lassen.

„Auch wenn du den Lappen da" Jan nickt abfällig zu einem seiner Kumpel der immer noch bewusstlos am Boden liegt
„Ausgeschaltet hast, sind wir immer noch in der Überzahl. Die Prinzessin zähle ich jetzt mal nicht mit."

„Da wäre ich mir nicht so sicher!"

In innerhalb von nur wenigen Augenblicken hat Alex sich aus der Dachluke hochgestemmt, Amba und Finn ihm folgend.

Jetzt wirkt Jan wohl doch etwas unsicher, denn abgesehen von Finn der seine Kräfte ja schon vorhin unter Beweis gestellt hat, wirkt auch Alex alles andere als schwächlich und selbst Amba strahlt eine innere Kraft aus.

„Nicht die schon wieder." Flucht Jan, während die drei auf uns zu kommen.

„Oh doch, wir schon wieder! Und wenn du nicht sofort verschwindest werde ich dich auf dem direkten Weg vom Dach befördern." Knurrt Alex.

„Oder wir rufen die Polizei." fügt Amba hinzu und legt Alex beschwichtigend eine Hand auf den Oberarm.
Wahrscheinlich will sie vermeiden das er sich verletzt.

Ein kratziges freudloses Lachen dringt aus Jans Kehle und will gar nicht mehr aufhören.

„Was ist so witzig du penner?!" ruft Alex wütend.

„Nichts... es ist nur" amüsiert blickt Jan zu mir, scheint die anderen komplett zu ignorieren.

„Ich würde all zu gerne sehen wie ihr zu den Bullen rennt um Anzeige zu erstatten. Ein einfacher Junge, der auf der Suche nach einer alten Freundin ist um sie zurück zu ihrem Papa zu bringen oder ein instabiler, verrückter Junkie der halluziniert und Dinge erfindet. Wem würden sie eher glauben?" wieder lacht er.

„Außerdem würden sie euch nicht mal zuhören sondern die kleine einfach direkt wieder nach Hause karren."

„Alea ist nicht unglaubwürdiger als du!"

„Ach wirklich?" Jan legt den Kopf schräg als müsste er überlegen. Übertrieben verzieht er sein Gesicht, als wäre er Überrascht.

„Also denkt ihr wirklich alle, das man Menschen glauben kann die nicht mal Realität und Wunschvorstellung unterscheiden können?"

Meine Atmung geht immer schneller, es gefällt mir gar nicht in welche Richtung das hier läuft.
Diese Situation erinnert mich an etwas doch die Erinnerung ist verdrängt, in irgendeiner meiner hintersten Ecken im Kopf.

„Ich will hier weg" flüsterte ich und sofort zieht mich Ruben in seinen Arm, drückt mich beruhigend an sich.

„Gleich. Wir müssen das nur noch kurz klären, alles wird gut."

Wird es das? Ich bin mir da nicht mehr so sicher...

„Will die kleine schlampe weg weil sie mit der Wahrheit nicht umgehen kann?" spottet Jan.

„Was meinst du damit du Arschloch?!" Mit einem gehässigen Grinsen starrt Jan Ruben durchdringend an.

„Ich meine damit, das unsere Alea nicht einsehen will das ihre Mama verreckt ist, und das schon vor vielen Wochen. Genauso wie ihr Bruder. Sie hat nur noch ihre Vater, aber das will sie nicht glauben." noch breiter grinsend schaut er zu mir. „Mama kommt bald wieder, Till hat einfach viel zu tun " äfft er mich nach, aber ich höre ihm gar nicht wirklich zu.

Ich will das nicht hören, ich will das nicht hören!
Ich will wegrennen, so laut schreien bis ich ihn übertöne!
Er lügt!
Er lügt...
Er lügt?
Lügt er wirklich oder bin ich es die lügt?

„Hat sie euch euch diesen Schwachsinn erzählt, von wegen ihre Mutter wäre auf Geschäftsreise und ihr Bruder hatte wegen seinem Studium wegziehen müssen? So ein bullshit! Die beiden hatten einen Autounfall, Alea war auch dabei aber sie ist unversehrt da rausgekommen. Ihre Mum hat's direkt erwischt, ihr Bruder las noch einen Monat im Koma bevor er den Löffel abgegeben hat."

Ich kann das nicht hören!

Langsam sinke ich zu Boden, spüre wie jemand mich schützend umarmt, höre wie jemand anderes „verpiss dich endlich brüllt!" und dann...

Spüre ich so etwas wie...

Gewissheit.
Erleichterung.
Als wäre eine tonnenschwere Last von meinen Schultern gefallen, und auch wenn mich das Gefühl von Leichtigkeit beinahe erdrückt, muss ich lachen.

Heiße salzige Tränen spüre ich auch meinen Lippen, welche zu einem Lachen verzogen sind.

Ich bin frei und gleichzeitig bin ich mir endlich bewusst wie tot mein Innerstes tatsächlich ist.

Motel - room 39 ||girlxgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt