Farbmalkasten

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Es war ihr egal was Quinn von ihr dachte und anscheinend war der auch egal was sie tat.
So holte Alea eine der bunten, Eulen förmigen, Tabletten heraus und legte sie sich auf die Zunge.

27 min später

Die ersten Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster und auch durch die kaputte Decke. Mir fällt erst jetzt auf wie löchrig sie ist. Die hellen Lichtflecken tanzen auf dem staubigen Fußboden. Er ist aus Holz, darauf liegt ein roter Teppich. Es ist ein dunkles sattes rot das, trotz seiner alters Spuren, noch leuchtet. Ja, alles in dem Raum leuchtet. Die Matratze auf der ich sitze ist jetzt nicht mehr grau und fleckig sondern strahlend weiß. So weiß und rein wie mein Gewissen einst war.
Auch meine Haut strahlt, ich glaube ich kann das Blut fühlen was durch meine Adern pulsiert. Wenn ich meine Hände gegen das Licht halte glühen meine Fingerspitzen rot. Rot. Es ist die schönste Farbe. Auch früher in der Grundschule im Kunstunterricht, habe ich mir immer zuerst einen Farbmalkasten gesucht der ein Töpfchen mit rot besaß.
Ich war immer eins dieser Kinder gewesen welches keinen eigenen Malkasten hatte weil seine Eltern dafür kein Geld ausgeben wollten. Und die von der Schule hatten nie alle Farben. Ich wollte immer einmal eine rosa haben. Rosa ist auch eine schöne Farbe. So sanft, so lieblich.
Ich schaue zu Quinn. Gerade hat sie sich umgezogen und trägt jetzt eine Jeans und ein Rosanes top. Rot wäre mir lieber gewesen aber rosa passt zu ihr.
Wenn ich sie genauer betrachte fällt mir auf das sie eigentlich ziemlich hübsch ist. Ihre Nase ist klein und stupsig, ihr Gesicht ist auch klein und irgendwie rund. Aber auf eine niedliche Art. Sommersprossen sind über ihren Nasenrücken verteilt als hätte jemand einen Eimer Sand drüber ausgeleert.
Aber sie ist so dünn. Warum ist sie so dünn? Ihre Arme sind so schmal, sie könnte jedes Paar Handschellen einfach abstreifen. Ihre Schlüsselbeine treten stark hervor und unter dem engen top kann ich ihre Rippen genau zählen. Sie sieht nicht mager aus, nein das nicht, aber dünn. So dünn.

„Was starrst du mich so an?" höre ich sie sagen. Und ihre stimme ist schön.

„Warst du schon mal high?" stelle ich die Gegenfrage, ohne jeglichen Kontext.

„Was? Nein, natürlich nicht!!" warum ist sie so entsetzt?
„entspann dich."
„Wieso fragst du mich sowas?"
„wieso nicht? Das ist doch so ne frage wie... hast du schonmal geatmet."

Jetzt schaut sie noch verwirrter, aber im Moment bin ich wirklich nicht in der Lage ihre Gedanken zu entschlüsseln.

„Wie... ist es?"
Nun bin ich diejenige die verdutzt guckt.
„Wie ist was?"
„Na das.. high sein"
Sie flüstert die letzten Worte, als wären sie gefährlich. Illegal. Unangebracht.

„Geil" ich grinse werfe, mich wieder nach hinten.
„Mega geil."
Ich drehe meinen Kopf und schaue zu ihr. Ihre Augen sind grün. Grün hatte ich immer in meinem Farbmalkasten, aber sie war nie so hell, nie so sauber, nie so... schön.
„Willst du auch eine?"
Jetzt reißen sich ihre Augen auf, sie sehen aus wie kleine Ping Pong Bälle. Grüne Ping Pong Bälle.

„Hast du nen Schaden? Nein!" ihre Stimme ist viel zu laut und viel zu aggressiv.
„Alles gut, entspann dich."
Ich krame mein Notizbuch und einen Kugelschreiber hervor. Durch die Droge habe ich das Gefühl die ganzen Ideen die mir zugeflogen kommen Hämmern gehen das Innere meines Kopfes und warten nur darauf nieder geschrieben zu werden.

„Was... war das für ne Tablette?"
Jetzt bin ich doch etwas genervt. Kann die sich nicht entscheiden?
„Dafür das du's so super schlimm findest bist du aber ganz schön neugierig." gebe ich zurück und lehne mich dann mit dem Rücken gegen die Wand.
„Und du bist ne blöde Zicke."
„Oh sorry ich vergaß, wir sind ja noch im Kindergarten." ich verdrehe die Augen und Klappe mein Buch auf. Wow, ich hab echt schon viel geschrieben, bald muss ich mir ein neues holen.

„Naja ich dachte nur... das alle die Drogen nehmen dann halluzinieren und komplett irre werden." meint Quinn Schulterzuckend. Ihre Stimme ist auf einmal ganz anders. Irgendwie unsicher und neugierig.
Ein süffisantes grinsen schleicht sich auf mein Gesicht.
„Süß"
„Warum süß?" jetzt klingt sie wieder hart.
„Das denken die meisten die keine Ahnung von sowas haben."
Ich lege mein Notizbuch wieder bei Seite, das Gespräch ist viel lustiger.
Und bunter. Ich nehme immer mehr Farben auf und sie bereichern mich so sehr.

„Jede Droge wirkt anders."
„Und was hast du jetzt genommen?"
„Ecstasy."
Erschrocken reißt sie erneut die Augen auf.
Ping Pong.
„Ich hab mal gehört das is ne total süchtig machende Party Droge."

„Süchtig machend? Vielleicht. Party Droge? Wie Mans nimmst. Klar kannst du sie zum feiern einschmeißen, aber meiner Meinung nach ist das Verschwendung. Du siehst alles viel klarer und bunter und schöner. Deine Gedanken laufen plötzlich ganz anders, du kannst dich einfach treiben lassen. Es ist wie Gras, nur viel besser. Wenn du's fürs feiern nimmst ist die Wahrscheinlichkeit das du verreckst viel größer."

„Warum?" wie ein wissbegieriges Kleinkind schaut Quinn mich an und ich frage mich, warum sie so gar keine Ahnung von so etwas hat.

„Durch die Droge nimmst du auch die Musik viel stärker wahr. Es kann passieren, das wenn du feiern gehst, du überhitzt oder einen Kollaps bekommst oder einen Herzstillstand. Weil dein Warn System im Körper abgeschaltet ist. Wenn du dann noch Alkohol trinkst hast du komplett reingeschissen und das Risiko will ich nicht eingehen."

In meinem Kopf spreche ich den Satz zu Ende: „noch nicht."

In meine Gedanken versunken gleite ich zur Seite. Ich habe viel geredet. Das hat mich angestrengt. Ich verarbeite das gesprochene, lasse alles auf mich wirken, und versuche zu begreifen wie interessant ich Quinn finde.

Motel - room 39 ||girlxgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt