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„Und was ist jetzt mit River?", frage ich, nachdem mich meine Freunde eine halbe Stunde durch die Stadt geschleift haben, aber immer noch kein Wort über meinen Nachbarn verloren haben. „Setz dich erst mal hin!" Schon werde ich auf eine Bank gedrückt und von zwei Vollidioten eingeengt.

„Das wird jetzt hart für dich sein, aber da musst du durch." Mitfühlend streicht Trish über meinen Arm. Angewidert ziehe ich diesen weg. Wir sitzen bestimmt noch zwei Minuten schweigend da und starren uns gegenseitig an, bevor die beiden mir endlich erzählen, was denn jetzt mit River los ist.

„River ist ein Callboy." Meine Augenbraue wandert langsam aber sicher nach oben und verleit meinem Gesichtsausdruck die gewollte Ungläubigkeit. „Aha." Also ehrlich gesagt... juckt mich das nicht. Vielleicht würde es mich interessieren, wenn ich nicht so verdammt müde wäre.

„Und was soll ich jetzt machen? Ist ja nicht mein Problem, dass er sich keinen richtigen Job suchen kann." Natürlich kann er machen was er will, aber laut meiner Oma ist alles, was nichts handwerkliches ist, kein Beruf.

„Aber Pyper. Dir kann das doch nicht einfach so am Arsch vorbei gehen. Willst du denn gar nichts dagegen unternehmen?", fragt Jelly ungläubig. „Nein, es ist nicht mein Problem. Auch wenn mich der Beruf nicht sonderlich anturnt, kann er immernoch machen was er will."

Sobald die Worte meinen Mund verlassen haben, wende ich meinen besten Freunden den Rücken zu und trete den Weg nach Hause an. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wo ich eigentlich bin. Nachts finde ich das sowieso total schwierig, weil meine Augen dann auch ihren Geist aufgeben.

„Hey, warte mal du kannst jetzt nicht einfach so gehen! Wir müssen das doch schließlich noch ausdiskutieren." Trish rennt hinter mir her und hält meine Schulter fest, damit ich stehen bleibe. „Wieso darf ich nicht gehen? Ich bin echt müde."

„Vergewaltiger, Mörder, Assoziale... Sowas läuft hier alles rum", gibt Jelly von sich und macht eine gruselige Grimasse. „Deshalb musst du noch hier bleiben und mit uns diskutieren." Das macht absolut keinen Sinn. Anscheinend merkt Jelly dies auch, denn sie erklärt mir noch einmal, warum ich nicht alleine durch die Stadt laufen darf, um mich zu überzeugen.

„Dann kommt eben mit. Es ist Sonntag Abend, morgen müssen wir in die Schule und ich bin müde und brauche meinen heiß geliebten Schönheitsschlaf. Ich bin nicht unbedingt scharf drauf, morgen wie ein gestrandeter Wal auszusehen." „Tolle Beschreibung", meint Trish und grinst von einem Ohr bis zum anderen. „Lass mich doch." Grinsend legt Jelly einen Arm um mich und Trish. Ihhh, Menschenkontakt.

„Wollen wir da klingeln?", frage ich mit einem bösen Grinsen im Gesicht und bewege mich in die Richtung eines fremden Hauses. Mein Gehirn ist manchmal irgendwie nicht fähig zu erkennen, was man als 17-jähriges Mädchen machen sollte und was nicht. Klingelstreiche bei fremden Leuten gehören nämlich zu den Dingen, die man eher nicht machen sollte.

„Lass es!", ruft Trish und packt mich an der Hüfte, um mich vom Weglaufen zu hindern. Mein Grinsen verwandelt sich in ein dreckiges Lachen. Ich reiße mich von ihm los und trabe wie ein geisteskrankes Pferd auf das Haus zu.

Mittlerweile bin ich an der Haustür angelangt und strecke meine Hand nach der Klingel aus.
„Pyper, ich warne dich..-", kommt es von Trish, der seine Augen zusammen kneift und mich streng ansieht.

„Ups." Mit einem unschuldigen Lächeln strecke ich meine Hand noch weiter, bis sie die Klingel berührt. Mein Finger drückt langsam den kleinen schwarzen Punkt neben der Haustür runter, bis ein schrilles Klingeln ertönt.

„Sag mal bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht einfach so an fremden Häusern klingeln." Trishs Aussage ist eine Mischung aus schreien und flüstern, was die ganze Situation noch lustiger macht. Zudem hat er sich komisch nach vorne gebeugt, wahrscheinlich um seine Stellung zu diesem Thema zu verdeutlichen.

„Doch eigentlich schon!", antworte ich schelmisch grinsend. Im nächsten Moment wird die Haustür aggressiv aufgerissen und eine alte Frau blickt mir ins Gesicht. „Was willst du?" Grimmig stemmt sie die Hände in die Hüfte. Hoppla, da habe ich ja wieder den sympathischsten Menschen der Stadt erwischt. „Haben sie meinen Hund gesehen?", frage ich und sehe ich suchend um. „Ach verschwinde." Die alte Frau knallt mir eiskalt die Tür vor der Nase zu. Kurz darauf geht das Licht im Flur wieder aus. Was ist, wenn ich wirklich meinen Hund gesucht hätte, der sich vielleicht gerade in ihrem Garten stranguliert? Dann wäre sie eine Mörderin!

„Leute gibt's...", murmelt Jelly hinter mir und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Da hat sie recht.

„Du bist auch nicht mehr ganz bei Trost oder? Wieso kannst du dich nicht einmal normal benehmen und normale Sachen machen. Pass dich doch einfach mal an die Gesellschaft an und sei nicht die ganze Zeit so..." „So?", hake ich auf Trishs Aussage hin nach. „Wenn du ein Problem damit hast, dass ich so bin wie ich bin, dann musst du ja nicht mit mir befreundet sein! Keiner zwingt dich dazu", gifte ich Trish an.

Ich lasse mir bestimmt nicht vorschreiben wie ich mich verhalten soll. Wenn alle Menschen gleich wären, wäre die Welt unendlich langweilig und spießig. Jeder Mensch hat eben eine eigene Art, das macht ihn ja schließlich aus.

Ich verabschiede mich von Jelly, bevor ich genervt den Weg nach Hause antrete. Trish ist so ein Spießer. Kann er nicht einfach akzeptieren wie ich bin? Was ist denn bitte so schwer daran? Ich bin ja wirklich für jeden Spaß zu haben, aber bei Menschen, die mich verändern wollen, verpieselt sich mein Humor. Leise schließe ich die Haustür auf und schleiche möglichst ohne Geräusche von mir zu geben rein.

„Wo warst du?" Ein gruseliges Gespenst blickt mir entgegen. Vor Schreck lasse ich einen Schrei los. „Bist du wahnsinnig, was schreist du hier so rum? Soll die ganze Nachbarschaft aufwachen oder was?" Oh, ist doch nur meine Mutter. Im Nachthemd. Auch wenn sie kein Geist ist, ist ihr Anblick gruselig. Das Mondlicht macht ihr Gesicht noch blasser, als es eh schon ist.

LIch war nur draußen, weil ich dachte, dass..." „Okay ab mit dir ins Bett." Verwirrt über ihren plötzlichen Stimmungswechsel sehe ich sie an. „Okay?" Gähnend gehe ich nach oben.

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