23 || überarbeitet
„Guten Morgen, River. Wie geht es dir? Wartest du auf Pyper?", ertönt die wundervoll hohe Stimme meiner Mutter und zerschmettert meine, am Morgen noch sehr empfindlichen, Ohren. „Hallo Jenna, mir geht es vorzüglich..-" Ich kann förmlich spüren, wie sich sein Mund zu einem dümmlichen Grinsen verzieht. „Wo ist denn meine Lieblingsfreundin?", fragt er mit dem schnulzigsten Tonfall, den ich meinen Ohren je antun musste.
Panisch lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen, entdecke jedoch lediglich ein Handtuch unter dem ich mich verstecken könnte. Immerhin besser als nichts. Also greife ich vorsichtshalber nach dem dünnen Stück Stoff, das mittlerweile von ziemlich vielen Löchern geziert wird. Durch diese ist es jedoch leider ein leichtes mich zu erkennen.
Enttäuscht lasse ich die Schultern hängen und bereite mich innerlich auf den Schwall Gute Laune vor, der gleich zu dieser Tür herein geschwappt kommt. Und zwar genau in drei... zwei... eins...
„Hey Babe. Machst du dich fertig für die Schule? Deine Mutter und ich haben beschlossen, dass du ab sofort immer mit mir dort hin fährst. Ich habe ihr von meiner freiwilligen Zusatzarbeit erzählt." Ich ziehe meine Augenbrauen so weit es geht hoch und lasse das Handtuch aus meiner Hand gleiten. Verstecken nützt jetzt auch nichts mehr.
„Sie weiß also nicht, dass du arbeitslos bist und als Sozialarbeiter den Schulgarten um graben musst?", frage ich extra laut, weshalb seine Hand blitzartig nach vorne schießt und mir den Mund zu hält. Seine wunderschönen Smara-... Ich meine natürlich: seine gruseligen Zombie-Augen funkeln mich böse an, weshalb ich mir das Grinsen nur schwer verkneifen kann.
„Du wirst ihr davon nichts erzählen, hast du mich verstanden? Sie würde Salat aus mir machen, wenn sie es herausfände." Ich schüttle energisch den Kopf und amtworte: „Nein, Salat macht sie nicht. Sie steht nicht mehr so auf gesundes Essen. Ich würde sagen du wärst entweder Hackfleisch oder eines der Burgerbrötchen von McDonald's, die aussehen wie eingeweichtes Klopapier."
Seufzend beugt er sich ein Stück nach unten, sodass wir auf einer Augenhöhe sind. „Dafür, dass du so klein bist, hast du eine ganz schön große Klappe." Seine Augen glitzern in der Sonne und blicken mir wahrscheinlich gerade in die Seele. Zumindest fühlt es sich so an. Doch dann wandern sie von meinen eigenen Augen nach unten. Erst habe ich schon Angst, dass er mir auf die Nase starrt und ein paar Mitesser entdecken könnte, doch dann bemerke ich, dass sein Blick schon längst auf etwas viel weiter unten fokussiert ist. Keine drei Sekunden später liegen seine Lippen auf meinen und drängen mir einen Kuss auf. Energisch drücke ich ihn von mir und quetsche mich zwischen ihm und Tür in mein Zimmer.
Verwirrt kommt er mir, wie ein kleines Entlein, hinterher gewatschelt und sieht mich an. „Was sollte das denn? Ich dachte du willst eine Beziehung mit mir?"
„Fake-Beziehung", betone ich und zeichne mit meinem Finger in der Luft eine waagerechte Linie. „Siehst du das? Das ist die pessimistische Grenze. Wenn du sie mit deiner guten Laune übertrittst, dann platzt dein Gehirn."
Er kommt einen Schritt auf mich zu und schmollt: „Nur einen Kuss. Bitte, bitte, bitte!" »Nein. Schau mal, es fängt schon an, du erleidest einen Gehirnausfluss." Entschuldigend hebe ich die Hände und wühle in dem Mount Everest an Klamotten nach einem sauberen Shirt. „Cholerikerin!" Blitzschnell drehe ich mich zu ihm um. „Das hast du jetzt nicht gesagt..."
Sein Gesichtsausdruck bleibt ernst, wobei ich insgeheim hoffe, dass er das nicht ernst meint. „Ich kann auch zur Schule laufen", sage ich etwas eingeschnappt und ziehe einfach das nächst beste Shirt aus dem Kleiderberg. Die Tatsache, dass er mich in BH und kurzer Schlafhose gesehen hat, ignoriere ich gekonnt.
„Du bist jetzt aber nicht beleidigt, oder?" Ein schiefes Grinsen ziert sein hübsches Gesicht und..- STOP! Er hat kein hübsches Gesicht. Es ist durchschnittlich, nichts besonderes. Wenn ich es mir genau überlege ist es doch wirklich nicht sehr schön. Eigentlich recht hässlich. Ja, das ist gut. Hässlich passt.
Mit meinem einstudierten Bitchblick dränge ich mich wieder an ihm vorbei und gehe nochmals ins Badezimmer um mich umzuziehen.
„Pyper... es tut mir Leid. Das habe ich nicht so gemeint, wie es rüber gekommen ist." „Halt einfach die Klappe", murre ich und hoffe, dass er es hört. Seine Anwesenheit hat mir den Tag nicht wirklich versüßt.
Als ich endlich fertig bin, atme ich einmal tief durch, bevor ich wieder aus dem Badezimmer komme und mich abermals meinem Teilzeit-Feind stelle.
„Okay, ich nehme zurück, was ich vorhin gesagt habe, aber es stimmt ja auch, das kannst du nicht leugnen." Es wird nichts bringen, wenn er versucht sich aus der Sache raus zu reden. „Weißt du River, mit dieser Einstellung wirst du nie eine richtige Beziehung haben, die länger als einen Monat hält. Du kannst nicht einfach Leute aufgrund ihres Charakters - für den sie, nebenbei erwähnt, nichts können - beleidigen." Zuerst meine ich in seinem Blick etwas wie Reue zu sehen, doch dann verlässt ein arrogantes Schnauben seinen Mund. „Vielleicht bin ich ja ein Aufreißer, aber immerhin kann ich jede haben die ich will."
Ein böses Lachen platzt aus mir heraus. „Jetzt hör mir mal zu, du Trizepsmaus. Das einzige, das du aufreißt, sind Chipspackungen." Mit diesen Worten drehe ich mich um, hänge mir meine Tasche um die Schulter und gehe schnurstracks nach unten.
Dann laufe ich eben zur Schule.
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Crazy Things
ComédieDefiniert man den Begriff „verrückt", so liefert man doch meist eine negativ ausgerichtete Erklärung für dieses Wort. Pyper macht sich diesen Begriff jedoch zu eigen und definiert ihn auf ihre ganz eigene Art und Weise. Sie hat es sich zur Aufgabe...