Sienna
„Morgen, drei Uhr nachmittags, Entenfüttern, Duck Island, im St. James Park."
Insgesamt las ich diese Nachricht fünfmal, um mich zu vergewissern, dass ich nicht einem Traum zum Opfer fiel. Doch die Zeilen blieben real. Obwohl sie keine Unterschrift trugen, ging ich fest davon aus, dass sie von Rosie stammten. Logischerweise wurde der Absender als Anonym angezeigt, da ich ihre Telefonnummer nicht kannte. Aber wer sonst, außer Rosie, sollte mir solch eine Mitteilung schicken?
Aufgeregt ging ich in meinem Wohnzimmer auf und ab. Gerade jetzt hätte ich dringend jemanden zum Reden gebraucht, aber genau das durfte ich nicht tun. Auf der einen Seite fiel eine tonnenschwere Last von mir, weil ich fest daran glaubte, dass Rosie positive Nachrichten für mich haben würde, auf der anderen Seite hatte ich Angst, da mich niemand auf diesem Weg begleiten konnte. Vollkommen auf mich alleine gestellt, harrte ich nun der Dinge, die da kamen.
Verständlicherweise schlief in jener Nacht sehr unruhig, wurde zwischendurch immer wieder wach und schaute auf das Handy, ob die Nachricht noch vorhanden war. Nicht, dass ich dies doch nur geträumt hatte. Doch die Zeilen blieben bestehen, ebenso der Name Anonym in der Kontaktliste. Trotz des Schlafdefizites erwachte ich am Morgen gegen neun Uhr, mit klopfendem Herzen und der Gewissheit, dass ich heute auf Rosie treffen würde.
Ohne Hast erhob ich mich aus dem Bett, zog die Gardinen zurück und blickte auf einen strahlendblauen Himmel. Solche Tage waren selten in London, doch hin und wieder tauchten sie auf und verwandelten die Stadt in eine wunderschöne, entzückende Metropole. Ich liebte London über alles, das wurde mir mit jedem Tag mehr bewusst. Seufzend schlenderte ich in die Küche, um Tee zuzubereiten. Noch immer brachte ich am Morgen keinen Bissen hinunter, das war erst gegen Mittag möglich und deshalb blieb es bei zwei Tassen Früchtetee.
Als ich aus der Dusche zurückkehrte, meldete sich Gwenny telefonisch bei mir.
„Hey, Sienna, ich wollte dich fragen, was du heute so vorhast", plapperte sie drauflos.
„Ähm, ich, - also mir geht es heute nicht so gut", stammelte ich hastig.
„Wirklich? Oh nein! Das tut mir echt leid! Ich wollte dich fragen, ob wir uns treffen können, das Wetter ist nämlich gigantisch."
„Das habe ich bereits bemerkt", erklärte ich mit klopfendem Herzen.
Es tat unglaublich weh, seine beste Freundin anlügen zu müssen, aber niemand durfte erfahren, dass ich mich mit einer Frau namens Rosie traf, die hoffentlich mit Informationen bezüglich Fionn herausrücken würde. Gwennys nächster Satz beförderte mich allerdings beinahe rücklings auf das Sofa.
„Soll ich vielleicht bei dir vorbeikommen?"
Jetzt musste ich schnell und vor allem klug reagieren.
„Nein, nein, genieße du nur die Sonne. Es reicht doch, wenn ich zuhause bleiben muss", versuchte ich sie zu beschwichtigen.
„Bist du dir sicher? Wir könnten eine bisschen reden, Tee trinken oder einen Film schauen."
Meine beste Freundin war genauso hartnäckig wie ich, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und heute sollte dies wohl der Besuch sein, welchen sie mir abzustatten gedachte. Da ich mein Treffen mit Rosie bereits stark gefährdet sah, griff ich nun zu einer absoluten Notlüge.
„Gwenny, ich will mich heute echt nur ausruhen. Kein Besuch, keine Filme, denn ich werde vermutlich einen ausgedehnten Mittagsschlaf machen und später einige Unterlagen sortieren. Das hatte ich mir schon lange vorgenommen und durch die ganze Sache mit Fionn ist es immer liegengeblieben."
DU LIEST GERADE
Black Room
General FictionDunkel, aufregend und geheimnisvoll. - Sienna, jung und lebenslustig, entschließt sich, die Vorzüge eines sogenannten „Black Room" zu nutzen, in welchem man absolut nichts sieht. Dort trifft sie auf Fionn, der ihr Leben binnen weniger Wochen komplet...