Kyle
Pünktlich am Nachmittag setzte der große Airbus in San Diego zur Landung an. Kurz blickte ich zu Avril, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, denn sie litt ein wenig unter Flugangst.
„Alles gut?", raunte ich ihr zu, was sie mit einem Nicken beantwortete.
„Ja, alles gut, Kyle. Ich bin nur froh, wenn wir endlich unten sind."
„Ach weißt du, runter kommen wir immer", erwiderte ich grinsend, worauf Avril mir leicht auf den Arm schlug.
„Und du weißt genau, dass du mich nicht aufziehen sollst, wenn es um solche Dinge geht", stellte sie klar, schmunzelte jedoch dabei.
„Ja, ich weiß. Aber schau mal, als Belohnung kannst du dich nachher an den Pool legen."
„Das kann ich ehrlich gesagt, kaum erwarten", kam es enthusiastisch zurück.
Wenn man uns so reden hörte, hätte man meinen können, wir seien ein Liebespaar auf Urlaubsreise. Unser Trip nach Kalifornien besaß jedoch einen ganz anderen Charakter.
Avril und ich hatten von Alistair den überaus wichtigen Auftrag erhalten, für unseren Klienten nach einer geeigneten Bleibe zu suchen. Da der Gerichtstermin nun feststand, kannten wir den genauen Umzugstermin, welcher logischerweise auf den gleichen Tag fiel.
Direkt im Anschluss an die Verhandlung würde Alistair Mr James Edwards, so hieß er nun, zum Flughafen begleiten und sicherstellen, dass er den nächsten Flug nach San Diego antrat. Hier in den USA würde die Mafia ihn am wenigsten vermuten.
Da wir inzwischen mit sämtlichen Polizeibehörden weltweit kooperierten, war es kein Problem, eine Aufenthaltsgenehmigung für Mr Edwards und seine Frau zu erhalten. Unter der Hand, verstand sich. Auch um die Jobsuche hatte Alistair sich bereits gekümmert. Diese erwies sich sogar als relativ einfach, da unser Klient den Beruf eines evangelischen Priesters ausüben wollte; gerade diese wurden hier verzweifelt gesucht. Uns war durchaus bekannt, dass er vom katholischen zum evangelischen Glauben übergetreten war, um mit der Frau, die er liebte und die ein Kind von ihm erwartete, zusammen sein zu können.
Gedanklich zog ich meinen Hut vor diesem Mann, der sich im gleichen Alter befand wie ich, nämlich vierundzwanzig. Wenn das Baby zur Welt kam, würde er zwar fünfundzwanzig sein, aber ich wusste nicht, ob ich momentan in der Lage gewesen wäre, in eine Vaterrolle zu schlüpfen. Ich bekam gerade so meine noch relativ frische Beziehung mit Avril auf die Reihe, denn eine andere Frau hätte es auch gar nicht mit mir ausgehalten. Ständig beruflich unterwegs zu sein und dann noch nicht einmal über seine Arbeit reden zu dürfen, tat keiner Partnerschaft auf Dauer gut.
Wenn man den Statistiken Glauben schenken wollte, gab es überdurchschnittlich viele Beziehungen zwischen Leuten, welche unseren Job ausübten. Oh Wunder! Denn wir konnten uns untereinander austauschen und über unsere Arbeit reden, sofern diese im gleichen Team stattfand, was bei mir und Avril jedoch gegeben war.
Als britische Immobilienmakler getarnt, würden wir ab morgen durch San Diego und Umgebung ziehen, um nach der geeigneten Beute Ausschau zu halten. Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass wir zwei nebeneinanderliegende Häuser finden mussten, welche möglichst zeitnah zu beziehen waren. Unser Klient würde nämlich nicht ohne Beobachtung in seiner neuen Umgebung wohnen, zumindest nicht am Anfang.
Alistair hielt das in diesem Fall für dringend notwendig, da mit der Drogenmafia nicht zu spaßen war. Normalerweise waren sie zu faul und zu ignorant, wenn ein kleinerer Ring gesprengt wurde, nach dem Zeugen zu suchen, da dieser sich relativ rasch und ziemlich problemlos wieder neu errichten ließ. Doch in dieser speziellen Angelegenheit würde es unweigerlich dazu kommen, dass die Mafia keine Ruhe hielt. Zumindest die Teile, die noch davon übrig bleiben würden.
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Black Room
General FictionDunkel, aufregend und geheimnisvoll. - Sienna, jung und lebenslustig, entschließt sich, die Vorzüge eines sogenannten „Black Room" zu nutzen, in welchem man absolut nichts sieht. Dort trifft sie auf Fionn, der ihr Leben binnen weniger Wochen komplet...