28. Moment of truth

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Sienna


Seit meinem Treffen mit Mr Anonym dachte ich an nichts anderes mehr, als Fionn hoffentlich bald sehen zu können. Es lag jedoch in seinem Ermessen, ob dies wirklich geschehen würde. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf. Wenn ich diese verlor, konnte ich mich gleich selbst beerdigen.

Obwohl es mir sehr schwer fiel, auf eine Nachricht von Mr Anonym zu warten, versuchte ich so gut es ging, die Zeit herumzukriegen. Dabei half es natürlich, dass mein Urlaub vorbei war und ich wieder der Arbeit nachging.

Wie zu erwarten, stapelte sich diese auf meinem Schreibtisch, als ich am Montagmoren das Büro betrat. Vieles war liegengeblieben, trotzdem läutete ich um punkt sechs Uhr den Feierabend ein. Ich machte mich schon lange nicht mehr verrückt, denn die Gesundheit meines Kindes war mir wichtiger als der ganze Bürokram.

Am Ende der Woche würde der Fetus 15 Gramm wiegen und ungefähr 5,2 Zentimeter groß sein. Mittlerweile hatte ich ein Kilo zugenommen und die ständige Müdigkeit verschwand wie von selbst. Selbst die morgendlichen Übelkeitsattacken blieben aus, worüber ich unglaublich dankbar war. Ich fühlte mich wesentlich besser als zu Beginn der Schwangerschaft und sah auch demnach auch.

Selbst mein Boss machte mir ein Kompliment, als er mich nach meinem dreiwöchigen Urlaub im Büro begrüßte. „Du siehst wirklich gut erholt aus, Sienna. Ich glaube, der Urlaub hat dir gut getan", lauteten seine Worte, welche mich schmunzeln ließen.

Schon sehr bald würde er erfahren, was Sache war. Anfang nächster Woche wollte ich mit der Wahrheit herausrücken, die bestimmt alle im Büro schockieren würde. Sienna Roberts, die Karrierefrau, erwartete ein Baby. Wer der Vater war, ging natürlich keinen etwas an und da ich mein Privatleben in der Vergangenheit strikt aus dem beruflichen Alltag ausgeklammert hatte, würden auch keine Fragen in dieser Hinsicht aufkommen.

Konzentriert erledigte ich meine Arbeit während der nächsten Tage, was mir ein großes Lob durch unseren Boss einbrachte. Noch vor wenigen Monaten hätte mich dies, sinnbildlich gesprochen, zu einem Sprung durch die Decke animiert, doch heute ließ es mich so gut wie kalt. Der Beruf spielte schon lange nicht mehr die erste Geige in meinem Leben.

Am Mittwoch traf ich mich mit Gwenny zum Mittagessen in unserem Stammlokal, eine Zusammenkunft, die ziemlich lustig verlief. Unter anderem berichtete sie über das Kuchenessen bei Seth und Harvey.

„Alexander war auch da."

„Das weiß ich", erwiderte ich grinsend. „Hat er dich gut unterhalten?"

„Oh ja, er ist so witzig, ehrlich."

„Ich weiß. Und er ist kein Schleimer, obwohl er jede Menge Geld, sowie eine der erfolgreichsten Kunstgalerien Londons besitzt", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

„Das weiß ich längst, Sienna. Und falls das eine Anspielung auf Tony sein sollte, dürftest du eigentlich am besten wissen, dass ich mit diesem Idioten abgeschlossen habe."

„Ja, Gott sei Dank hast du das getan", entgegnete ich lachend und tauchte meine Gabel in den Salat.

„Dir scheint es viel besser zu gehen", stellte Gwenny erfreut fest.

Als ich lächelte, senkte sie ihre Stimme, um zu fragen: „Hast du eigentlich noch etwas in Puncto Fionn unternommen?"

„Ich habe den Brief noch nicht geschrieben, da ich noch keine richtige Muse dazu hatte", log ich ohne rot zu werden. „Dabei darf mir nämlich kein Fehler unterlaufen", setzte ich noch hinzu.

Innerlich fühlte mich total schlecht, als ich diese Sätze aussprach. Noch immer empfand ich es als traurig, meine beste Freundin anlügen zu müssen, doch mir blieb keine andere Wahl. Der Weg, den ich nun gehen musste, klammerte all die Menschen aus, die mir am Herzen lagen. Aber da Fionn gerade die oberste Priorität in meinem Leben besaß, sah ich mich außerstande, irgendein Risiko einzugehen, indem ich Dinge ausplauderte, die nur für mich bestimmt waren.

Black RoomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt