Fionn
Als ich ihren Schrei hörte, rannte ich sofort los. Obwohl sie eigentlich aufgeregter sein sollte als ich, war Sienna plötzlich die Ruhe in Person.
„Endlich", seufzte sie. „Fahr mich ins Krankenhaus und dann bringen wir es hinter uns."
Avril war mit dem Köfferchen zur Stelle und Kyle verschloss sämtliche Fenster und Türen, während ich meine Frau zum Wagen brachte.
„Wie schließen alles ab, Fionn. Fahrt ruhig und wir wünschen euch viel Glück!", rief er uns hinterher.
Der Weg zur Klinik kam mir vor, als ob er niemals enden würde. Jede rote Ampel wurde zur Qual, jedes Auto, das die Geschwindigkeit strikt einhielt zu einem Hindernis.
„Verfluchter Penner! Geh aus dem Weg!", brüllte ich hektisch, als ein alter Sack in aller Seelenruhe die Spur wechselte und sich mit seiner Rostlaube von Auto vor mich setzte.
Sienna, die sich den Bauch hielt, blieb noch immer ruhig. „Reg dich doch nicht so auf, Schatz", sagte sie. „Das macht es nicht besser."
„Du hast Nerven! Was machen wir denn, wenn das Baby im Auto kommen will?"
„Soweit ist es noch nicht", entgegnete sie. „Die Wehen sind noch nicht stark genug."
In solchen Augenblicken war ich wirklich froh, der Mann zu sein und nicht die Frau, die das Kind zur Welt bringen musste. Auch fehlte mir zu diesem Zeitpunkt jegliche Vorstellungskraft in Bezug auf das, was noch auf mich zukommen würde.
Hin und wieder warf ich einen Blick auf Sienna, die sich nach wie vor den dicken Bauch hielt, ansonsten aber ziemlich gelassen wirkte. Erst, als wir auf dem Parkplatz des Krankenhauses standen, verzog sie zum ersten Mal schmerzhaft das Gesicht. Besorgt griff ich nach dem kleinen Koffer, nahm sie am Arm und ging mit ihr in Richtung Eingang. Zum Glück hatten wir uns den Weg zur Geburtenstation gemerkt und als wir dort eintrafen, wurden wir sofort in Empfang genommen.
Sienna hängte man an einen Wehenschreiber, während ich ihre Hand hielt und jedes Mal, wenn sie kurz stöhnte, ängstlich zusammenzuckte. Ich konnte es nicht ertragen, wenn sie litt, egal in welcher Form.
Als die diensthabende Hebamme auftauchte, wurde es ernst.
„Da ihre Fruchtblase geplatzt ist und die Wehen eingesetzt haben, sollte es nicht mehr allzu lange dauern", erklärte die nette Dame mittleren Alters freundlich. „Ab in den Kreissaal. Junger Mann, ich hoffe, Sie haben heute gut gegessen."
Das hatte ich zwar, doch ich hegte trotzdem die Befürchtung, vielleicht einen Schwächeanfall zu erleiden. Mir war jetzt schon schlecht und die Geburt hatte noch nicht einmal richtig begonnen.
Sienna wurde auf einer Liege in den Kreissaal transportiert und ich lief neben ihr her.
„Hab keine Angst, ich bin bei dir", murmelte ich leise, worauf sie kurz meine Hand drückte, die ich ihr reichte.
Ich spürte, wie sehr sie mich brauchte, meine Kraft und meinen Zuspruch. Verzweifelt verdrängte ich den Gedanken an ihre Schmerzen, welche sie unweigerlich erleiden musste. Es gehörte dazu, es war normal. Je länger ich mir das einredete, umso besser ging es plötzlich. Langsam kehrten die Dinge, die wir im Geburtsvorbreitungskurs gelernt hatten, in mein Gedächtnis zurück.
„Ruhig atmen, Baby", flüsterte ich ihr ins Ohr, nachdem ich meinen Platz am Kopfende des Bettes eingenommen hatte.
Schweiß stand auf ihrer Stirn, während sie automatisch nach meinen Händen griff, dich ich ihr ohne zu zögern reichte. Jetzt war Kämpfen angesagt.
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Black Room
General FictionDunkel, aufregend und geheimnisvoll. - Sienna, jung und lebenslustig, entschließt sich, die Vorzüge eines sogenannten „Black Room" zu nutzen, in welchem man absolut nichts sieht. Dort trifft sie auf Fionn, der ihr Leben binnen weniger Wochen komplet...