Kapitel 12 - Familie endet nicht beim Blut

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In unserem vorläufigen Versteck angekommen, atme ich einmal tief ein und aus. Erst jetzt, wo wir wahrscheinlich außer Gefahr sind und ich einen Moment für mich habe, spüre ich wie angespannt ich doch eigentlich bin. Meine Hände beginnen zu zittern und mein Kopf dreht sich, weshalb ich mich hinsetze. Meine Brust hebt- und senkt sich schneller als sonst.

»Denkst du dass wir es geschafft haben?« Henry lässt sich vorsichtig in den Sessel neben mir fallen, während Logan und Jackson damit beschäftigt sind, die Gegend zu erkunden, um sicher zu gehen dass wir hier auch wirklich alleine sind. »Ich weiß es nicht« antworte ich ehrlich und merke, dass ich innerlich immer noch total aufgewühlt bin. »Willst du noch etwas trinken?«

Ich bin mehr als erleichtert dass Henry aufgewacht ist, aber um ehrlich zu sein sieht er aus wie drei Tage Regenwetter. Verständlich, bei dem was er gerade durchgemacht hat. »Ja bitte« antwortet er mit leiser Stimme und schließt seine Augen.

Ich stehe wieder von dem Sessel auf, bücke mich und greife nach Logan's Tasche. Er hat natürlich voraus gedacht und uns etwas mitgebracht, damit es uns an nichts fehlt.

»Hier, trink« Henry huscht ein kleines, gezwungenes Lächeln über das Gesicht, während er sich nach vorne beugt und schließlich aus der Konserve langsam das Blut trinkt. So gerne würde ich ihn fragen, was dort alles passiert ist, und doch weiß ich, dass ich ihn jetzt nicht ausquetschen kann. Er wird es mir schon erzählen, wenn er so weit ist.

Mein Handy klingelt und reißt mich aus meinen Gedanken. »Ja?«

»Wo bist du?!« fragt Tyler aufgebracht. »I-Ich« stottere ich, da ich nicht weiß was ich darauf antworten soll. »Ich kann es dir nicht sagen« Seufzend setze ich mich wieder hin, in der Hoffnung dass jetzt nicht auch noch er durchdreht. »Wie jetzt?« »Wir sind in Schwierigkeiten« flüstere ich. »Warum redest du so leise? Bist du nicht alleine? Mit wem bist du?« Seine Stimme hebt sich immer mehr, was mich sauer macht. »Dana!« brummt er, so als würde er gleich platzen, weil ich nicht sofort antworte. »Gerade bin ich mit meinem Bruder« »Gerade?!«

Ist das jetzt sein Ernst?!

»Was willst du mir damit sagen?!« »Die bessere Frage ist doch warum du mir nicht sagst mit wem zum Teufel du gerade bist!« »Nein Tyler, die bessere Frage ist doch, warum du mich nicht fragst weshalb wir in Schwierigkeiten sind, sondern es dir anscheinend wichtiger ist mit wem ich bin!« Ich laufe in unserem Zimmer auf und ab, kann gerade nicht still sitzen bleiben, weil ich nicht glauben kann wie schnell er an die Decke fährt. »Was ist denn passiert?« seufzt er und ich könnte schwören, ihn bis hier hin mit den Augen rollen zu hören. »Ach komm, als wäre es dir wichtig Tyler. Bevor du mir hier unterschwellig irgend etwas mitteilen willst, solltest du vielleicht mal lieber darüber nachdenken wie du mit mir sprichst. Bis dann« antworte ich wütend und lege auf, ohne abzuwarten was er vielleicht noch zu sagen hätte. Ich schalte mein Handy aus und schmeiße es in die andere Ecke des Raumes, wobei ich eine Lampe kaputt mache, die in tausend kleine Einzelteile zerspringt.

»Hups« Ich zucke mit den Schultern und beiße mir auf die Lippen. Henry, der inzwischen seine Konserve ausgetrunken hat und nun wieder tief und fest schläft, hat davon Gott sei Dank nichts mitbekommen oder ist wach geworden.

Ich schließe meine Augen für einen Moment und flüstere leise »zauna tare«, mit dem Gedanken an die vor mir liegenden Scherben. Als ich sie wieder öffne, staune ich nicht schlecht als ich sehe, wie die vielen kleinen Teile in der Luft schweben.

»Wow« höre ich hinter mir, doch kann meinen Blick einfach nicht davon abwenden, wie sich die Lampe wieder zusammen fügt.

Als ich mich umdrehe, sehe ich Jackson und Logan. Neben ihnen steht eine junge Frau, mit langen blonden Haaren. Ich bin so glücklich darüber, dass meine Magie, dieser kleine Zauber, funktioniert hat, dass ich kein Wort aus mir bekomme. Jackson grinst mich verschmitzt an, und Logan kommt ein paar Schritte auf mich zu. »Dana, das ist Emily« stellt er mir sie vor und fügt dann flüsternd »Meine Freundin« hinzu. Etwas geschockt darüber, dass ein Mensch gerade meine übernatürlichen Kräfte mit angesehen hat, gucke ich Logan an. »Keine Sorge, ich weiß bescheid« grinst sie. „Freut mich dich kennen zu lernen« Sie läuft auf mich zu und umarmt mich. »Endlich habe ich ein Gesicht zu Logans Schwester« fügt sie hinzu. »Freut mich.. auch?« sage ich lediglich, verwundert darüber, dass sie das was sie gerade gesehen hat so leicht wegsteckt, denn wenn ich daran denke wie ich damals damit umgegangen bin, ist das ein Unterschied von Welten.

Henry wacht langsam wieder auf und reibt sich die Augen. Auf seinem Shirt ist ein kleiner Blutfleck, den er bis jetzt anscheinend gar nicht bemerkt hat. Als er Emily sieht, reißt er seine Augen weit auf. »Wo sind denn meine Manieren..« murmelt er mit angeschlagener Stimme vor sich hin. Er hält sich an der Lehne des Sessels fest um aufzustehen. Da Henry noch sehr wacklig auf den Beinen ist, greift Logan ein und hält ihn stützend fest. Dieser nickt ihm lediglich zu, da es mehr Worte nicht bedarf. Logans uns Henrys Art zu kommunizieren hat mich schon immer fasziniert. Sie wissen was der andere denkt und meint, ohne es laut auszusprechen.

»Ems, das ist mein Erschaffer und Bruder, Henry« stellt Logan ihn seiner Freundin vor. »Freut mich dich kennen zu lernen« Er reicht ihr die Hand. »Dank dir war es mir überhaupt erst möglich Logan kennen zu lernen, die Freude ist also ganz meinerseits« grinst sie, nimmt seine Hand und schüttelt diese.

Sie ist respektvoll und höflich, was mir gefällt. Ob Tyler auch so wäre, wenn ich ihn den anderen vorstellen würde?

Jackson, der die ganze Zeit neben Logan steht, lässt mich nicht aus den Augen. Immer wieder starrt er mich an, und das nicht mal unauffällig.

»Wem haben wir dieses Schlamassel zu verdanken?« Emily guckt mich fragend an. »Das ist eine lange Geschichte..« antwortet Henry ihr. »Die Kurzfassung?«

»Die Kurzfassung ist, dass wir Probleme mit unserem Va..Erzeuger haben« »Probleme« Jackson schüttelt seinen Kopf. „Er will seine eigenen Kinder umbringen, das ist das Problem« »Was?!« fragt Emily total erschüttert. »Warum?!« »Weil er uns hasst. Mit jeder einzelnen Faser seines Körpers, obwohl wir ihm nie etwas getan haben« Mehr möchte ich dazu nicht sagen, und ich hoffe dass die anderen es verstehen. Zumindest Logan, denn er weiß am besten was wir durchmachen mussten. »Wenn du Vater sagst, dann meinst du« »Nicht David« unterbreche ich sie. »Victoria und David haben uns seit dem ersten Tag an dem wir sie trafen behandelt als wären wir ihre eigenen Kinder. Sie haben unseren Schmerz gesehen und alles in ihrer Macht stehende getan, uns vergessen zu lassen, weil wir uns um Logan gekümmert haben, als sie es nicht mehr konnten. Wir haben vielleicht nicht die selbe Blutgruppe, aber David und Victoria waren uns mehr Eltern, als es unsere Erzeuger jemals waren. Sie sind unsere Familie. Logan ist unsere Familie.« Glücklich grinse ich Logan an, der Henry und mich ebenfalls anlächelt.

»Wer hat dich entführt, Henry?« fragt Jackson. »Leo. Ich habe absolut keine Ahnung wie sie mich gefunden haben, denn wenn ich eins die letzten Jahre war, ist es vorsichtig. Bis vor kurzem habe ich mich sogar immer noch von Dana ferngehalten« Henry räuspert sich. »Wer ist Leo?« flüstert Emily mir zu, die sich neben mich gestellt hat. »Die rechte Hand von unserem..« »Ich verstehe« unterbricht sie mich und lächelt mich verständnisvoll an.

»Dana, kannst du einen Schutzzauber aussprechen, damit wir nicht gefunden werden?« »Meine Magie.. sie funktioniert nicht richtig. Ich weiß nicht warum, aber der Zauber gerade eben war der erste seit Tagen der erfolgreich war« Jackson schüttelt seinen Kopf. »Deine Magie war schon immer an Gefühle gebunden« Das ist alles was er dazu zu sagen hat? »Was meinst du?«

»Ich will damit sagen, dass bei dir gerade irgendwas vorgeht, was dir nicht gefällt. Irgendwas passt dir nicht in den Kram und du spielst gute Miene zum bösen Spiel. Und genau deshalb kannst du nicht zaubern«

Ich hasse es. Ich hasse es dass er immer auf alle Fragen Antworten hat.

»Da du gerade mit uns bist und sie beginnt zu funktionieren, solltest du darüber nachdenken was in Palm Springs alles vorgefallen ist, was deine Magie beeinflussen könnte« fügt er hinzu, wobei es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fällt und ich zu Henry sehe. »Sie weiß es« sagt er und ich nicke ihm zu. »Gut, dann löse das Problem und sei wieder die Dana die wir kennen«


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Ich hoffe dass das Kapitel euch gefallen hat und würde mich wie jedes Mal über Votes und Kommentare freuen 🤍

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