Henry's Sicht
Ein neuer Tag bricht an und ich starre an die Decke meines Zimmers. Selbst die Stille ist ruhiger als sonst, jetzt wo sie nicht mehr da ist. Dana und Olivia sind inzwischen seit dreieinhalb Wochen weg und haben noch immer kein Lebenszeichen von sich gegeben. Auch wenn ich weiß, dass ich es fühlen würde, wenn meiner Schwester etwas geschehen ist, ist es beunruhigend so lange nichts von ihr zu hören, jetzt da wir alle wieder vereint sind. Ich hoffe, dass der andere Trickster, dessen Name sie mir nicht verraten wollte, ihr dabei helfen kann, Olivia's Kräfte unter Kontrolle zu bringen.
Man sollte meinen, dass man sich nach all den Jahrhunderten auf dieser Erde daran gewöhnt hat, immer wieder fluchtartig auf ungewisse Zeit Abschied zu nehmen. Doch wie irrsinnig ist das eigentlich? Der junge, menschliche Henry hätte mir niemals das geglaubt, was mein unsterbliches Ich weiß. Das wir den Rest unseres Lebens vor jemandem flüchten würden und dieser jemand niemand anderes ist, als unser biologischer Vater. Von ihr fange ich erst gar nicht an. Sie hat Vater nicht aufgehalten, auf Edley einzuprügeln, nur weil er nicht ihrem Konzept von Tradition entsprach. Ellenoire sagte zwar immer, sie würde Ed so lieben wie er ist, doch wie kannst du jemandem dabei zusehen, deinen geliebten Sohn zu schlagen und nichts dagegen tun? Unsere Erzeuger sind Widersprüche auf zwei Beinen.
Dana und ich blasen nicht gerne Trübsal, doch waren wir schon immer die nachdenklichen der Familie. Das bringt der Lauf der Zeit mit sich, wenn das einzige was wirklich bleibt, was wahrhaftig nur dir gehört, deine Gedanken und deine Manieren sind. Alles andere kann und wird dir in dieser Familie, von deiner Familie, früher oder später weggenommen. Vielleicht ist gerade dies der Grund, warum ich keine Beziehung mehr eingehe. Meine Schwester hingegen gibt die Hoffnung an Liebe wahrscheinlich niemals auf. Gut für sie, auch wenn mir die Auswahl ihres Partners nicht gefällt. Ich würde es niemals zugeben, aber sogar Jackson würde ich diesem Wolf vorziehen.
»Haben wir denn hier keine einzige vernünftige Pfanne in diesem Haushalt!« nörgle ich vor mich hin, während ich die Schränke in der Küche durchsuche. »Kann ich ihnen helfen, Sir?« Ich räuspere augenblicklich, diesen Tonfall hätte er nicht mitbekommen sollen. »Danke, aber nein danke, Sawyer« Emily zieht den Knoten zu ihrem Morgenmantel zu, lächelt ihn freundlich an, woraufhin er verstehend nickt. »Habe ich dich geweckt?« erkundige ich mich bei ihr, in der Hoffnung, dass ihre Antwort nein lautet. »Ich konnte eh nicht schlafen« antwortet sie mir zu liebe. »Was willst du machen?« »Scrambled Eggs« »Schmecken dir meine Pancakes etwa nicht mehr?« Dana wird ihr davon erzählt haben, dass ich Pancakes liebe. Emily hat sie oft für mich in den letzten Wochen zubereitet. »Deine Pancakes sind köstlich« Sie schmunzelt. »Na dann, machen wir Rührei« erwidert sie aufgemuntert.
»Du musst sie für zwanzig Sekunden in der Pfanne liegen lassen, bevor du sie mit einem Holzlöffel im Kreis umrührst. So werden sie schön fluffig« erklärt sie mir, während ich ihr beim Kochen genauestens zuschaue. »Du musst nicht extra für mich aufstehen« »Logan war auch schon wach« »Konnte er auch nicht schlafen?« Emily schüttelt mit dem Kopf. Ihn bedrückt die Situation in der wir uns befinden genau so sehr wie mich. »Was machst du mit dem Blut?« frage ich sie, als sie einen Beutel aus dem Kühlschrank geholt hat. »Ein bis zwei Tropfen dazu geben und das werden die besten Rühreier sein, die du gegessen hast« erklärt sie fröhlich. »Mischt ihr kein Blut in euer Essen? Unsere Haushälterin macht das immer für Logan's Portion« »Nein, wir mischen es normalerweise gerne in den Alkohol, aber ich vertraue dir mal« antworte ich und schaffe es, dass meine Mundwinkel sich nach oben ziehen.
»Hat Tyler sich eigentlich nochmal gemeldet?« Emily gesellt sich zu mir an den Tisch. »Er fragt jeden Tag nach ihr« antworte ich kurzgebunden. »Verständlich«
Verwundert schaue ich sie an, wahrscheinlich aber hat sie recht. »An seiner Stelle würd ich das selbe tun, doch was soll ich ihm sagen? Wir wissen ja selbst nicht, wo sie ist« »Muss bestimmt wegen der Prägung schmerzhaft für ihn sein, so lange von ihr getrennt zu sein« »Wahrscheinlich, ja» Stört mich das? Ich denke die Antwort sollte jedem bekannt sein. »Würde es dich ebenso stören, wenn Jack an seiner Stelle wäre?« Ich verdrehe meine Augen, was Emily zum lachen bringt. »Ich würde Jackson dem Wolf gegenüber sogar bevorzugen, doch wenn du ihm das sagst, leugne ich mit dir gesprochen zu haben« entgegne ich ihr, mit dem Finger tadelnd gehoben. »Ich schweige wie ein Grab, versprochen« antwortet sie und hebt beschwichtigend ihre Arme. In diesem Moment verstehe ich, warum Logan sie für immer an seiner Seite haben will. Sie ist ein sich stets kümmernder Sonnenschein. »Ich bin froh dass der mürrische Logan dich hat, Emily« »Das weiß ich zu schätzen Henry, wirklich« Sie legt ihre Hand auf meine und dort ist es wieder, dieses warme Lächeln, welches ihr über das Gesicht huscht. Hatte ich vorher bedenken was sie angeht, sind sie nun im Winde verweht. »Wo ist er eigentlich?« »Jackson?« Ich nicke. »Er ist mit Tiffany ausgegangen«Anhand von Emilys Reaktion merkt man, dass der Schock mir ins Gesicht geschrieben steht. »Wie kann er zu diesem Zeitpunkt ausgehen?!« »Wir sitzen seit einem Monat hier fest, er brauchte mal Ablenkung« versucht Emily zu erklären.
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Die Ersten unserer Art #Darkness
Paranormal[Teil 1 von 3, wird überarbeitet ] Dana und Henry sind nicht nur Geschwister, die versuchen vor ihrem alten Leben wegzulaufen, sie sind die Ersten ihrer Art. Ein bis jetzt gut behütetes Geheimnis, welches sie nur den wenigsten anvertraut haben. Doch...