Wie erwartet verläuft der Montag nach der Vernissage sehr ruhig. Daher nutze ich die Zeit, um in meinem winzigen Eckbüro etwas zu arbeiten. Uns stehen in den kommenden Wochen mehrere kleine Ausstellungen junger Künstler bevor. Sich in die Arbeit zu stürzen ist zudem die beste Möglichkeit, sich abzulenken und zu vergessen.
Wenn ich mich voll und ganz auf meinen Job konzentriere, muss ich nicht daran denken, was zu Hause nicht in Ordnung ist.
Da klingelt mein Telefon. Das Display zeigt mir einen geschäftsinternen Anruf an.„Kimberly hier", melde ich mich, bevor ich eine aufgeregte Amalia erleichtert aufstöhnen höre.
"Kim? Hier ist ein Ehepaar, das darauf besteht, nur von dir beraten zu werden", sagt sie leise.
„Von mir? Ich bin in einer Minute da!"
Aufgeregt lege ich auf. Wie ich es mir erhofft habe, steht das ältere Paar, mit dem ich auf der Ausstellung bereits gesprochen hatte, vor einem der Gemälde. Freudig begrüße ich sie.
„Wir sind uns einfach nicht einig und Sie hatten uns Freitag Abend schon so freundlich beraten", kommt die Dame sofort zum Punkt, „Vielleicht können Sie uns noch etwas mehr über dieses Bild erzählen."
Ich kenne das Werk, für das sie sich interessieren, sehr gut. Es zählt zu einen meiner persönlichen Favoriten.
„Es handelt sich hierbei um eines von Martinos düsteren Gemälden. Obwohl er oft mit schillernden Farben arbeitet, hat er bei diesem Bild ganz bewusst darauf verzichtet. Der Künstler zeigt damit die Auswirkungen des Waldbrandes in Madeira 2016", erörtere ich sicher, „Das macht es zu einem wahrhaften Genrebild mit historischem Hintergrund."
Entschlossen wendet sich die Dame ihrem Mann zu.
„Benedikt, das ist es. Das möchte ich!", verkündet sie begeistert.
„Dann sollst du es haben, Schatz."
Ich lächle und freue mich für das Paar. Wer möchte nicht das Werk eines so bekannten Malers jeden Tag über seinem Kamin betrachten können.
„Ich gratuliere zu dieser fabelhaften Entscheidung", beglückwünsche ich die Käufer, "Sie können hier hinten Platz nehmen. Ich hole alle Unterlagen für die Kaufabwicklung."
Schnell eile ich den Flur hinunter zu den Büroräumen. Da kommt mir unser Galerieleiter entgegen. Natürlich ist er bereits informiert.
„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem hervorragenden Verkaufsabschluss, Miss Austen", gratuliert mir Mister Roland und ich sprühe nur so vor Stolz, „Wenn Sie alle Formalitäten erledigt haben, kommen Sie bitte in mein Büro."
„Ja, ich bin gleich bei Ihnen", antworte ich etwas verwirrt.
Der Kaufvertrag ist, während eines Glas Champagner, schnell unterschrieben. Dann nehme ich die Lieferanschrift auf, bevor das Ehepaar einen immensen Scheck ausstellt.
Nach einer herzlichen Verabschiedung, mache ich mich auf den Weg zum Büro von Mister Roland. Zögerlich klopfe ich an der Tür zu seinem Büro. Meine Knie sind etwas zittrig und ich habe ein flaues Gefühl im Magen, da ich nicht weiß, was mich erwartet.
„Herein", tönt es von der anderen Seite. Ich atme tief durch, bevor ich die Klinke drücke.
„Miss Austen, bitte setzen Sie sich."
Seit meiner Vertragsunterzeichnung war ich nicht mehr im Büro des Galerieleiters gewesen. Es wirkt dunkler und um einiges größer, als ich es in Erinnerung hatte. Die grauen Wände sind bis auf ein Gemälde einer Skyline karg und alles hier wirkt sehr steril. Den Mittelpunkt des Raumes stellt der massive Schreibtisch mit einem überdimensionalen PC-Bildschirm dar, hinter dem Mister Roland hervorsieht.
Er deutet mit einer eleganten Handbewegung auf den Stuhl ihm gegenüber. Kaum das ich mich setze, kommt er auch schon zum Thema.„Miss Austen, unsere Galerie hat die einmalige Chance das neueste Gemälde von Dominik Martino exklusiv auszustellen. Mister Martino hat sich sogar bereit erklärt, es hier im Rahmen einer weiteren Ausstellung wieder selbst zu enthüllen. Zudem wurde uns von seiner Agentur das Angebot unterbreitet, regelmäßige Ausstellungen in unserem Haus zu veranstalten, die die Präsentationen neuer Werke beinhalten", berichtet er sichtlich erfreut.
„Das ist ja wunderbar", stoße ich ebenfalls freudig hervor, obwohl es mir nicht wirklich klar ist, warum er diese fantastische Neuigkeit nicht direkt in einem Teammeeting verkündet.
Da beugt sich Mister Roland etwas über den Schreibtisch. Sein Blick wird ernst.
„Allerdings besteht das Management auf eine Bedingung", fährt er fort.
Ich schaue ihn fragend an, zupfe angespannt an meiner Bluse herum.
„Sie bestehen darauf, dass Sie die Künstler hier in der Galerie betreuen."
Mir stockt der Atem.
„Sie sind recht neu in dieser Branche, daher stellt sich die Frage, ob Sie dieser Aufgabe bereits gewachsen sind. Selbstverständlich würden Sie in den nächsten Wochen ausgiebig geschult werden.
Fühlen Sie sich schon bereit für solch eine Herausforderung?"Ich schlucke hart, mein Mund ist ganz trocken und meine Wangen glühen.
„Ja, ich denke schon", antworte ich leise, „Nur, wie ist die Agentur dabei ausgerechnet auf mich gekommen?"
„Verstehen Sie mich nicht falsch, das habe ich mich auch gefragt, da unser Haus weitaus erfahrene Mitarbeiter bietet. Der Agent von Martino bestand aber explizit auf die Zusammenarbeit mit Ihnen", sagt er eindringlich.
Die Aufregung und Nervosität überschattet meine Freude.
Das hier ist die beste Gelegenheit beruflich voranzukommen.
Aber bin ich denn wirklich schon soweit?
Ich kann es nur inständig hoffen, da ich, ohne das Risiko zu Versagen in Betracht gezogen zu haben, zustimme.Was hättet ihr getan? Hättet ihr die Chance auch direkt ergriffen oder um Bedenkzeit gebeten?
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Don't touch me
VampirosWas würdet ihr tun, wenn sich eure Liebe verändert, wenn ihr plötzlich den Mann an eurer Seite selbst nicht mehr wieder erkennt? Was würdet ihr tun, wenn euer Leben einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat? Gefangen zwischen Glück und Leid, zwischen V...