Immer wieder holt mich die Angst ein. Die Angst, dass Zayn hier plötzlich auftauchen könnte. Auch wenn ich mir ständig selbst sage, dass er wahrscheinlich schon sehr weit weg ist, kann ich nicht vergessen wie aggressiv und unkontrolliert er war, zu allem fähig, zu allem bereit.
Und mir ist klar geworden, dass auch Collin zwei Gesichter hatte. Auch wenn ich es nicht wahrhaben will. Das eine ist so liebevoll und fürsorglich aber das andere ist brutal und skrupellos. Jede noch so kleine Erinnerung an diesen Mann, der mir so viel bedeutet, quält mich jetzt so sehr. Egal wie sehr ich mir wünsche, dass das alles niemals geschehen wäre, egal wie sehr ich ihn mir hier her zu mir ersehne, muss ich mir eingestehen, dass ich Angst vor dieser bösen Seite habe.
Die ganze Zeit über war ich verwickelt in einer Spirale aus Glück, Lust und Leid und jetzt habe ich das Gefühl, dass sie mich endgültig nach unten zieht.
Ich habe seit drei Tagen weder geduscht, noch mein Bett verlassen. Ich fühle mich zu schwach, so ausgelaugt. Warum sollte ich auch aufstehen, ich möchte niemanden sehen.
Die Anrufe meiner Kollegen und die Nachrichten von Dad habe ich ignoriert. Ich bin ganz einfach nicht in der Verfassung mit jemandem zu sprechen.
So verbringe auch diesen Tag damit, mich in meiner Bettdecke einzurollen und Musik zu hören.Vom Schmerz anderer Leute zu hören, hilft mir wenigstens etwas, von meinem eigenen Schmerz zu ertragen. Es gibt mir das Gefühl, nicht vollkommen alleine zu sein, obwohl ich es definitiv bin.
Appetitlos rühre ich in meinem Müsli. Jedes Mal, wenn der Löffel meinen Lippen auch nur berührt, rebelliert mein Magen. Außer ein paar Tassen Tee bekomme einfach nichts herunter.
Ich hatte mir selbst vor einigen Wochen geschworen niemals aufzugeben, mich nicht unterkriegen zu lassen.
Doch genau das tut ich. Ich habe mich aufgegeben.Erst am vierten Tag zwinge ich mich endlich dazu, ins Bad zu gehen, um mich wenigstens zu waschen.
Im Spiegel betrachte ich mein Gesicht, die Augen so verquollen, dass ich sie kaum mehr auf bekomme, eingefallen.
Schnell spritze ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, stütze mich auf dem Rand des Waschbeckens ab und starre mich selbst einige Zeit im Spiegel an. Meine Haare sind ungekämmt. Meine Haut ist ungesund blass, fast wie Porzellan, und meine Augen haben tiefe, dunkle Schatten. Meine eingefallenen Wangen lassen mich so leblos und leer erscheinen, wie ich mich fühle.
Blind greife ich nach meinem Handtuch und vergrabe für mehrere Minuten mein Gesicht darin.
Oh Gott, bitte lass das alles einfach aufhören.
Mein Kopf quält mich unentwegt mit Erinnerungen an die wenigen Gelegenheiten, bei denen mir Collin nahe war, und mein Herz zieht sich unter Schmerz zusammen.
Aber ich weine nicht.
Ich bin leer geweint.Am nächsten Tag gelingt es mir, wenigstens einen Kaffee zu trinken und zu duschen.
Danach setze ich mich im Wohnzimmer auf die Couch und starre auf die Seite meines Buches, von dem ich nichts aufnehmen kann, egal wie oft ich sie lese.
Die Gedanken an Collin hängen immer noch wie Blei an meinen Füßen und ziehen mich tiefer runter. Ich kann an nichts anderes mehr denken, kann nicht essen und kaum schlafen. Zudem mache ich mir schreckliche Sorgen um Jadon. Egal, was zwischen uns vorgefallen ist, ich würde ihm niemals etwas Schlechtes wünschen.
Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Alles hier droht mich zu erdrücken.
Manchmal wünschte ich, ich könnte zur Arbeit, um mich so beherrschen zu müssen, aber Mister Roland hat mich fürs Erste freigestellt.
Außer meine Arbeit ist mir nichts geblieben. Nur weiß ich nicht, wie es mir geht, wenn ich wieder im Verkaufsraum stehen sollte.
Ich möchte schreien, wild um mich schlagen, heulen und dem ganzen Schmerz und der Wut freien lauf lassen.
Doch statt es einfach zuzulassen, sitze ich hier und ertrage es, wie mich die Traurigkeit einholt. Regungslos schaue ich ins Nichts, da spüre ich die Wände näher kommen.
Ich muss hier raus.
Einfach weg.
Panisch, als würde ich gejagt werden, schlüpfe ich in meine Schuhe, ziehe mir meine Jacke über und renne die Treppe nach unten, so schnell ich nur kann. Ohne auf den Verkehr, um mich herum zu achten, hechte ich durch die Straßen. Der eisige Wind schlägt mir entgegen und die Kälte brennt auf meiner trockenen Haut. Tränen nehmen mir die Sicht, doch ich laufe einfach immer weiter.Atemlos Stämme ich die Hände in die Hüften. Die Winterluft schmerzt in meiner Lunge und gibt mir gleichzeitig das Gefühl noch am Leben zu sein.
Inzwischen haben dicke Wolken sich vor die Sonne geschoben und die Straßen verdunkelt, sodass ich beschließe mich auf den Rückweg zu machen. Als die kleinen Geschäfte allmählich schließen, sind die Seitenstraße friedlich und leer. Zwar sind mir die Menschen auf dem Bürgersteig völlig egal, so alleine fühle ich mich aber doch ein Stück weit wohler. Also gehe ich die kleinen Gassen entlang, bis ich meinen Häuserblock schon sehen kann.
Plötzlich huscht etwas an mir vorbei und lässt mich erschrocken zusammenzucken. Hektisch schaue ich mich um. Nackte Angst steigt in mir auf. Jedoch ist außer mir niemand auf der Straße unterwegs. Trotzdem habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden.
Schnell schaue ich nach rechts und Links. Nichts.
Mein Herz rast. In meinen Ohren beginnt es zu rauschen.
Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken.
Was ist hier los?
Ich weiß, dass ich es mir nicht nur einbilde.
Dann renne ich.
Ohne nachzudenken, sprinte ich die Gasse entlang zur belebten Hauptstraßen und komme erst vor meiner Haustür zum Stoppen.
Ich habe keine Ahnung, vor was ich eben davongelaufen bin. Schließlich war ich definitiv allein.
So etwas Seltsames ist mir schon einmal passiert. Allmählich habe ich die Befürchtung, völlig überzuschnappen.
Ich verhalte mich wie eine Irre, der in ihrer Wohnung die Decke auf den Kopf fällt, die sich aber fürchtet draußen zu sein.
Ich schaffe es kaum, mich zu beruhigen, als es in meiner Tasche vibriert. Erst will ich den Anruf blockiert, doch dann sehe ich die Nummer, der Polizei auf dem Display aufleuchtet. Meine Finger sind so schweiß nass, dass mein Handy beim ersten Wisch nicht reagiert. Nervös tippe ich ein weiteres Mal auf dem grünen Hörer herum.„Austin, hallo", keuche ich ins Telefon.
„Guten Abend Miss Austin. Polizeipräsidium Süd, Miller, entschuldigen Sie die späte Störung aber wir müssen Sie bitten auf die Wache zu kommen."
Die tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung klingt bestimmt und reserviert zugleich.
„Ähmm, ja", stottere ich aufgeregt, „Was ist denn passiert?"
„Das besprechen wir am Besten alles vor Ort."
„Ok, ich mache mich gleich auf den Weg."
Mit einer knappen Verabschiedung, die gerade noch so als höflich durchgehen würde, legt er auf.
Verwirrung und Unsicherheit breiten sich in mir aus. Allerdings will ich keine Zeit verlieren, versuche die Angst bei Seite zu schieben und gehe los.
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Don't touch me
VampireWas würdet ihr tun, wenn sich eure Liebe verändert, wenn ihr plötzlich den Mann an eurer Seite selbst nicht mehr wieder erkennt? Was würdet ihr tun, wenn euer Leben einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat? Gefangen zwischen Glück und Leid, zwischen V...