Kapitel 45

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Die Luft heute Abend ist feucht und kalt, wie nach einem Unwetter

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Die Luft heute Abend ist feucht und kalt, wie nach einem Unwetter.
  Trotzdem scheint es hier niemanden abzuschrecken. Die Menschen laufen in Gruppen, halten Ausschau nach Angeboten in den Schaufenstern und führen angeregt Gespräche. Auf den Straßen herrscht reger Verkehr, und obwohl die kleinen Geschäfte hier allmählich schließen, tummeln sich die Leute auf dem Bürgersteig.
  Eisiger Wind fegt durch die Straßen, wirbelt die braunen Blätter auf und lässt sie ein Stück über den Gehweg tanzen. Geschickt huschen sie zwischen den Beinen der Passanten hindurch, als würden sie ihnen tatsächlich ausweichen, bevor sie ein Stück weiter schließlich wieder zu Boden flattern.
  Schnell wickle ich den dicken Wollschal noch etwas fester um mich, während ich mit eiligen Schritten die Straße herunter hechte, um zum Polizeirevier zu gelangen. Während es mir gerade so vorkommt, als wären die Menschen um mich herum geradezu unnatürlich fröhlich, schaffe ich, es kaum meine Gedanken zu sortieren. Dem Chaos aus Trauer und Aufregung wird zu allem Übel noch diese schreckliche Ungewissheit zugemischt.

Was könnte die Polizei um diese Uhrzeit von mir wollen?
  Warum wollte der Beamte mir am Telefon nichts sagen? Vielleicht haben sie ja noch einige Fragen? Vielleicht gibt es ein paar Unklarheiten, bei denen ich Auskunft geben kann.
  Oder aber sie haben Neuigkeiten über Jadon. Vielleicht ist er ja endlich wieder aufgetaucht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er nach einem völlig durchzechten Wochenende irgendwo orientierungslos versackt ist. Leider wäre das inzwischen bei Jadon durchaus vorstellbar.
  Oder es gibt etwas über Zayn?   
Beim bloßen Gedanken an Zayn stellen sich die kleinen Härchen in meinem Nacken auf und ein leichtes Schaudern lässt meinen Körper beben. Ich werde niemals vergessen, was er getan hat, niemals. Er und sein Komplize haben nicht nur die Galerie ausgeraubt, NEIN. Zayn hat mich bedroht und er wollte mich kaltblütig erschießen. Er war bereit für Geld ein Leben einfach so auszulöschen. Und genau das werde ich ihm nie verzeihen können. Er hat mir Collin genommen, für immer.
  Schnell wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, wobei sich mein Magen vor Wut und Schmerz verkrampft.
  Ich bin kein rachsüchtiger Mensch, aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass er die Strafe bekommt, die er verdient. Ich werde alles dafür tun, wenn ich bei den Ermittlungen gegen ihn noch irgendwie helfen kann.
  Aber die Antworten auf all die Fragen, die mir im Kopf schwirren, werde ich wohl oder übel erst auf der Wache bekommen.
  Daher schlängle ich mich gehetzt durch die Menschenmengen, bis ich schließlich beschließe, auf die Nebenstraßen auszuweichen, damit ich noch etwas schneller vorankomme.

Allmählich steigt auch eine gewisse Nervosität in mir auf.
  Kann es sein, dass die Beamten mir nicht glauben oder noch schlimmer, dass sie denken, dass ich vielleicht in der Sache verwickelt bin? Verdächtigen sie mich etwa?
  Ein ungutes Gefühl drängt sich in meine Magengegend und bereiten mir noch stärkere Bauchschmerzen.
  Die Gehwege sind durch die feuchten Blätter stellenweise so glatt, dass ich zwischendurch wegrutsche und ich aufpassen muss, nicht hinzufallen. Doch wirklich achtsam kann ich jetzt nicht sein. Meine Gedanken drehen sich immer wieder im Kreis, als hinter mir  auffällt, dass sich die Gasse verfinstert. Dunkler Nebel breitet sich zwischen den Wänden aus und ein heftiger Windzug bläst mit von hinten die Haare ins Gesicht.
  Erst bleibe ich verblüfft stehen.
Doch plötzlich wird mir klar, wie suspekt diese Situation tatsächlich ist.
  Sofort beschleunigt sich mein Puls. Blanke Furcht schießt durch meine Venen. Was ist hier los?
  Hastig laufe ich weiter, während sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitet. Meine Kopfhaut beginnt zu kribbeln. In diesem Augenblick beginnen meine Beine wie aus Reflex zu rennen.
  Der Wind wird stärker, der Nebel raubt mir die Sicht. Plötzlich erscheint eine schwarze Gestalt direkt vor mir.
Grob zerrt sie mich zu Boden. Ich will schreien, doch eine Hand auf meinem Mund raubt mir jeglichen Ton.
  Panisch trete ich um mich und treffe die Gestalt tatsächlich so hart, dass sie mich loslässt.
  Das ist meine Chance.
Ohne mich auch nur eine Sekunde umzudrehen, renne ich los, rutsche aus und falle hart zu Boden. Mein Kopf trifft ungebremst auf den Gehweg. Mir wird schwindelig. Alles dreht sich. Ich kann kaum mehr klar sehen. Hinter mir höre ich ein fluchen.
  Da werde ich gepackt und nach oben gezerrt. Ich versuche, mich zu wehren, aber meine Kräfte schwinden. Etwas Warmes läuft über meine Schläfe. Blut. Mir wird übel.
  Verzweifelt schließe ich meine Augen. Das sind vielleicht meine letzten Momente.

  „Bitte nicht, bitte nicht. Ich will nicht sterben“, sage ich mir im Geiste vor, in der Hoffnung, erhört zu werden.

Dann erlischt alles um mich herum und die letzte Hoffnung schwindet. Alles um mich herum scheint rasend schnell zu sein. Nur ich selbst fühle mich wie in Zeitlupe gefangen.
  Mein Körper wird schwer wie Blei. Ich kann mich nicht bewegen. Doch ich merke, dass ich fortgetragen werde. Alles zieht an mir vorbei. Immer wieder drohe ich das Bewusstsein zu verlieren. Aber ich kämpfe dagegen an, aus Angst nicht wieder wach zu werden. Nie wieder.
  Wie durch zähen, undurchdringlichen Nebel höre ich Stimmen, Worte, lose Satzfetzen, die ich nicht verstehen kann. Und obwohl die  Gefahr so nahe sein muss, habe ich nur noch das Gefühl, in den Nebel eintauchen zu wollen, der an meinem Bewusstsein zieht.
  Vielleicht ist es besser so. Vielleicht sollte es so sein. Dann ist alles vorbei und ich muss diese Trauer nicht länger ertragen, nie wieder weinen, nie wieder zittern aus Furcht, nie wider lügen und vertuschen, nie wieder leiden.
  Aber dann sehe ich Collins schmerzenverzerrtes Gesicht vor mir. Er hat mich gerettet. Er hat mir geholfen, mich von Jaden zu lösen. Wer weiß, was an diesem Abend sonst noch passiert wäre. Und Collin hat mich vor Zayn gerettet. Er sein  Leben für mich geopfert. Er hat mir diese neue Chance geschenkt. Ich darf sie nicht aufgeben.
  Und da verschwimmt das Bild wieder vor meinen Augen. Meine Lider sind zu schwer, als dass ich sie noch einmal öffnen könnte. Aber das will ich auch gar nicht. Ich bin einfach nur müde.
  Alles wird immer schwerer. Ich kann nicht dagegen ankämpfen. Es zieht mich in ein Loch. Sanft entweiche ich an einen anderen Ort, ohne Schmerz, ohne Angst.

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Don't touch meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt