Ich weiß nicht wie, aber ich habe es geschafft etwas zu essen und mich nach oben in mein altes Zimmer zurückziehen.
Auch hier hat sich wenig verändert. Eigentlich ist es noch ganz genau so, wie ich es an dem Tag, als Jadon und ich nach Seattle gezogen waren, hinterlassen hatte. An der Wand ist deutlich zu erkennen, wie verblasst die Tapete ist, im Gegensatz zu der Stelle, an der früher die Kommode stand, die ich mitgenommen hatte. In diesem kleine Raum. Habe ich meine Kindheit verbracht, meine Jugend. Hier stecken so viel schöne und weniger schöne Erinnerungen zwischen der altrosa Tagesdecke und den Postern von Bon Jovi.
Gerädert lasse ich meine Kopf auf das Kopfkissen sinken und rolle mich schützend in meine Decke ein. Obwohl sich die Fragen in meinem Kopf überschlagen, werden meine Lider zunehmend schwer. Das alles ist einfach zu viel für mich.
Schließlich schließe ich die Augen, treibe hin und her, zwischen Alptraum und Realität, und bin mir im Augenblick nicht sicher, was schlimmer ist.Mitten in der Nacht lässt mich ein lautes Geräusch hochschrecken. Schweißgebadet sitze ich im Dunkeln, als ich begreife, dass mich mein eigener Schrei aus dem Schlaf gerissen hat. Mein Herz pocht mir heftig gegen die Brust und ich befürchte, dass jeden Moment mein Vater durch die Tür kommt.
Eine Weile lausche ich in die Stille, während ich versuche mich selbst wieder zu fassen. Zum Glück habe ich meine Dad nicht geweckt. Er hatte sich bereits genug Sorgen gemacht und sollte heute Nacht besser seinen Rausch ausschlafen. Vielleicht kann er mich dann morgen früh aufklären, was wirklich passiert ist.
Bis dahin sollte ich ebenfalls versuchen noch ein wenig zu schlafen. Morgen möchte ich nämlich wieder nach Hause fahren.
Doch gerade als mir die Lider zufallen, lässt mich etwas noch einmal zusammenfahren. Sofort bin ich hellwach.
Ein Schatten huscht durch das Zimmer. Schemenhaft, unklare Umrisse rauschen an mir vorbei.
Jeder Muskel meines Körpers verkrampft sich.
Ich möchte mutig sein und nachsehen, bleibe aber regungslos unter der Bettdecke liegen, wage es noch nicht einmal zu atmen, und lausche.
Außer meinem heftigen Herzschlag ist nichts zu hören. Plötzlich überkommt mich das erdrückende Gefühl beobachtet zu werden.
Ich bin nicht alleine. Ich spüre es.
Mein Puls rast und das Adrenalin peitscht durch meine Adern, während ich mich aus Furcht keinen Zentimeter rühre.
Soll ich weinen, schreien, aufstehen und rennen?
Mein Magen zieht sich schmerzend zusammen. Ich fühle mich hilflos, ausgeliefert. Meine Hände krallen sich zitternd ins Laken, während ich vor Anspannung die Augen zudrücke. Da gibt es einen Schlag, so laut, dass mir ein Schrei entfährt. Erschrocken presse ich beide Hände vor den Mund.
Wieder hallt das Geräusch durchs Zimmer.
Dieses Mal leiser.
Es klingt wie aufeinanderschlagendes Holz.
Es klingt wie mein Fenster, dass auf den Rahmen fällt.
Erst jetzt traue ich mich vorsichtig nachzusehen.
Und tatsächlich. Mein halboffenes Fenster schwingt im Takt des Windes.
Ich muss es wohl versehentlich offen gelassen haben.
Augenblicklich erscheint mir meine Angst als absolut lächerlich. Um jetzt endlich schlafen gehen zu können, stehe ich auf, um das Fenster zu schließen.Draußen hat das Mondlicht die Bäume und Häuser in ein zartes Blau gehüllt. Der Gehweg und die Straße vor unserem Haus liegt friedlich schlummernd vor mir.
Da bemerke ich eine schwarze Silhouette an unserer Einfahrt. Aufgeregt lehne ich mich aus dem Fenster, kann aber nur noch einen großen, dunklen Umriss hinter den Bäumen die Straße herunter verschwinden sehen.
Hektisch schnappe meine Häkeldecke, die ich mir um die Schultern werfe, während ich mit nackten Füßen die Treppe hinunter renne.
Doch unten angekommen, ist alles still.
Aufgewühlt fahre ich mir durchs Haar.
Ich kann nicht begreifen, was hier vor sich geht.
Um mich zu beruhigen atme ich tief ein. Da bemerke ich eine bekannten Geruch. Noch einmal atme ich ganz tief ein. Es riecht erdig und nach irgendetwas Dunklem, was ich nicht deuten kann. Es ist ein Duft, der mich sofort erschaudern lässt.
Ich spüre seine Nähe.„Wie kann das sein“, hauche ich leise.
„Hast du Angst?“, ertönt seine tiefe, rauchige Stimme.Ich schließe die Augen. Mein Körper erbebt unter dem leisen Klang seiner Worte. Aber ich wage es nicht, mich zu bewegen, aus Angst, es könnte mit einem Wimpernschlag wieder vorbei sein.
„Nein“, wispere ich kaum hörbar.
Ein leichter Windhauch streicht über mich und läßt mich frösteln.
„Wie ist das möglich?“
Langsam drehe ich mich um und schaue in sein Gesicht.
„Collin“
Mehr bekomme ich nicht über meine Lippen. Meine Beine drohen nachzugeben. Meine Hände werden taub.
„Kimberly, es tut mir so leid. Aber du warst in Gefahr. Ich musste etwas unternehmen. Es war keine Zeit für Erklärungen. Hier bei deinem Vater bist du fürs erste sicher.“
Mit wird schwindelig.
„Ich… ich habe gesehen, wie die Kugel dich getroffen hat“, stottere ich, wobei ich unwillkürlich eine Schritt nach hinten weiche.
„Geh wieder ins Haus. Ich dürfte gar nicht hier sein.“
Widerwillig schüttle ich den Kopf.
Und plötzlich ist er verschwunden.
Fassungslos starre ich in die Nacht, kaum in der Lage zu atmen.
Es ist als wäre nie etwas gewesen.
Tränen lassen meine Sicht verschwimmen.„Collin“, wimmere ich, bevor ich weinend zu Boden sinke.
Ich habe jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren. Doch es dürfte nicht sehr lange dauern, bis die Haustür hinter mir aufgeht und mein Vater neben mir steht.
„Kindchen, was machst du denn hier draußen“, fragt er, während er mir behutsam aufhilft, „Komm, es ist kalt.“
Er spricht noch weiter, fragt, ob ich noch eine Tablette brauche, und gibt sich aller größte Mühe, mein Verhalten nicht merkwürdig zu finden. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Aber ich kann nicht mit ihm sprechen. Wie soll ich ihm das denn erklären, wenn ich es selbst nicht begreifen kann.
Dieses Duft, die Stimme, das war keine Einbildung.
Es war kein böser Scherz.
Es war echt! Oder?
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Don't touch me
VampireWas würdet ihr tun, wenn sich eure Liebe verändert, wenn ihr plötzlich den Mann an eurer Seite selbst nicht mehr wieder erkennt? Was würdet ihr tun, wenn euer Leben einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat? Gefangen zwischen Glück und Leid, zwischen V...