Blinzelnd öffne ich die Augen. Obwohl es um mich herum dunkel ist, brennen sie empfindlich. Ich fühle mich benommen, irgendwie seelisch taub, doch durch meinen Körper zieht der bekannte Schmerz.
Meine Lippe pocht, mein Rücken scheint zu zerreißen, mein Magen kämpft. Jeder Muskel brennt bei dem Versuch, mich aufzusetzen.
Erst jetzt realisiere ich, wo ich bin.
Mein Kopf ruht weich auf einem zerknüllten Jackett, auf dem Beifahrersitz eines Wagens.
Neben mir sitzt Collin, der mit ernster Miene konzentriert auf die Straße schaut.
Das Licht der Straßenlaternen, das durchs Fenster scheint, taucht sein Gesicht in schnellem Wechsel zur Hälfte in warmes Licht und lässt seine Züge noch markanter wirken.„Wo… wohin fährst du?“, flüstere ich kaum hörbar.
Collin dreht seinen Kopf, mustert mich besorgt, bevor sein Blick meinen fängt.
„Wie fühlst du dich?"
Er bemüht sich, sanft und fürsorglich zu klingen, doch in seiner Stimme schwingt zu viel Zorn mit, um zu verbergen, dass es in seinem Inneren gefährlich brodelt.
„Scheiße, ich hätte diesen Schweinehund umbringen sollen“, presst er hervor, bevor er sich rasch wieder zügelt, „Und du brauchst einen Arzt. Am besten fahren wir direkt ins Krankenhaus.“
„Nein, nichts ins Krankenhaus“, widerspreche ich heftig, wobei ich auf schnelle, was mich mit einem Reißen in der Seite straft.
Aber ich will auf keinen Fall zu einem Arzt, dem ich entweder alles erklären soll oder mit fadenscheinigen Lügen um mich werfen muss. Zu beidem wäre ich im Moment nicht im Stande. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Ich bin einfach nur schrecklich fertig und müde", erkläre ich ihm leise, während ich meinen dröhnende Kopf wieder aufs Jackett lege.
„Bist du dir sicher?", vergewissern sich Collin voller Sorge.
Aber ich bin absolut sicher. Die Schmerzen kann ich ertragen, denn auch wenn sie heftiger sind als sonst, bin ich daran gewohnt, dass Ziehen und Pochen still zu ertragen. Die Konfrontation mit meiner eigenen Wahrheit gegenüber einem völlig Fremden wäre jetzt schlimmer, als all die Blutergüsse. Zu sehr bin ich gewohnt, alles zu verstecken, nur niemanden etwas merken zu lassen.
„Dann bringe ich dich zu mir. Du musst dich ausruhen.“
Weil ich nicht weiß, wo ich sonst hin sollte, versuche ich die Tränen nieder zu ringen und schweige, bis Collin schließlich vor seinem Haus parkt.
Schützend legt er seinen Arm um meine Taille und führt mich am Portier vorbei zu den Aufzügen und eben in sein Appartement.
Auch wenn ich es gerade nicht aussprechen kann, bin ich unendlich dankbar, hier bei ihm sein zu können.
Was wäre geschehen, wenn er nicht in unsere Wohnung gestürmt gekommen wäre?
Zu was wäre Jadon wirklich noch in der Lage gewesen?
Wie weit wäre er gegangen, welche Grenzen hätte er weiter überschritten?
Ich kann es mir nicht ausmalen und es jagt mir eine Heidenangst ein.„Besser du legst dich gleich etwas hin, ich bringe dir eine Decke und Eis. Wir müssen dein Gesicht kühlen“, reißt mich Collin aus meinen düsteren Überlegungen, während er auf die große Couch deutet, bevor er in der Küche verschwindet.
Wortlos tue ich, was er sagt, streife meine Schuhe ab und lege mich langsam und vorsichtig hin.
Gerade als meine geschwollenen Lider zufallen wollen, kommt Collin mit einem Glas Wasser und einem Beutel Eis, das er in ein Tuch gewickelt hat, zurück. Behutsam tupft er mit der flachen Seite des Eispacks über meine Stirn, meine Wangen und das Kinn. Jedes Mal, wenn er meine Haut berührt, hält er ganz zart für einige Sekunden inne, um alles etwas zu kühlen und den geschundenen Stellen die Chancen zu geben, sich etwas zu beruhigen.
Mit geschlossenen Augen bemühe ich, den dumpfen Schmerz zu verdrängen.„Brauchst du eine Tablette?“, erkundigt sich Collin mit gedämpften Ton, worauf ich kaum merklich nicke.
Ich weiß es so sehr zu schätzen, das er sich um mich kümmert, denn ich habe oft genug schon bemerkt, dass es nicht selbstverständlich ist.
Ganz im Gegenteil, die Menschen verschließen ihre Augen nur zu gerne, wenn es unangenehm werden könnte.
Und ich war immer sehr dankbar für diese Ignoranz, da sie mich glauben gelassen hatte, alles verstecken zu können.
Sofort holt mir Collin eine Packung Schmerzmittel aus dem Badezimmer, hilft mir auf und reicht mir das Wasser.
Doch alleine das Aufrichten treibt ein quälende Ziehen durch meine Fasern, sodass ich mich direkt wieder hinlegen.
Mit einer Mischung aus Besorgnis und schier ungebändigter Wut beobachtet Collin jedes schmerzen füllte Muskelzucken. Was ein ebenfalls wohl bekanntes Gefühl in mir aufkommen lässt. Es ist mir peinlich, dass er mich so sieht. Die Scham übertüncht den Schmerz und am liebsten würde ich davonlaufen, mich verstecken und einfach nur in bitterliches Schluchzen ausbrechen.
Ich bin es nicht gewohnt zuzulassen, dass jemand diese Schwäche Seite an mir sieht, beiße mir leicht auf die Unterlippe, als ich spüre wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet und sich meine Augen mit Tränen füllen.
Natürlich bleibt auch das Collin nicht verborgen.
Schweigend kniet er sich vor die Couch und legt seine Stirn an meine. Ich spüre seine starke Hand in meinem Nacken, während ich darauf warte, dass er mich küsst. Sein warmer Atem schlägt immer wieder leicht gegen meine Lippen.
Doch anstatt mich zu küssen, nimmt er behutsam mein Gesicht mit beiden Händen.
Ich öffne die Augen und sehe den gequälten Ausdruck in seinem Blick.„Du musst keine Angst mehr haben. Das verspreche ich dir, Kimberly.“
Wieder fange ich an, an meiner Unterlippe zu kauen, zwinge mich meinen Blick von ihm abzuwenden. Da berühren seine Lippen zart meinen Mund.
„Ich verspreche dir, dass er dich nie wieder verletzen wird.“
Noch einmal finden sich unsere Lippen. Ich schließe die Augen und lasse mich für einen Augenblick von diesem Kuss davontragen. Unsere Blicke treffen sich und sofort ziehen mich diese braunen Augen wieder in diesen besonderen Bann, fesseln mich und schaffen es wenigstens kurz alles andere zu vergessen. Ich tauche ein in das Dunkle mit dem roten Schweif um die geweitete Pupille. In seinem Blick ist dieses Flackern, das mich nicht mehr loslässt.
Langsam schieben sich seine Hände unter mich, sodass ich ganz von selbst meine Arme um seinen Hals schlinge. Dann hebt er mich hoch und trägt mich in sein Schlafzimmer, wo er mich auf die Matratze legt.
Alles in mir, will seine Nähe spüren, doch Collin weicht zurück.„Schlaf ein wenig.“
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Don't touch me
VampireWas würdet ihr tun, wenn sich eure Liebe verändert, wenn ihr plötzlich den Mann an eurer Seite selbst nicht mehr wieder erkennt? Was würdet ihr tun, wenn euer Leben einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat? Gefangen zwischen Glück und Leid, zwischen V...