"Wir werden noch viel Zeit miteinander verbringen", sagt er, „Da halte ich es für entspannter, sich einfach zu duzen".
Er hat Recht. Es macht die Kommunikation leichter, auch wenn es gleichermaßen an Professionalität verliert.
„Gut", hauche ich etwas zu leise.
Es ist mir vorher noch nie so bewusst geworden, wahrscheinlich weil wir noch nie privat Zeit zusammen verbracht haben, aber Collin hat etwas unheimlich Einnehmendes an sich. Etwas, das mich nervös werden lässt und dazu führt, dass ich mich in seiner Gegenwart unsicher fühle. Schnell leere ich meinen Sherry, was sich sofort mit einem schwindligen Gefühl rächt. Das ist der Grund warum ich für gewöhnlich nicht trinke.
„Wir sollten besser auch gehen", dränge ich, während ich bereits vom Barhocker aufstehe.
Jedoch verhakt sich mein Absatz im Stuhl und ich kippe nach vorne. In letzter Sekunde finde ich Halt an Collins Arm. Mein Gesicht ist so nah an seiner Brust, dass ich seinen Duft einatme.
„Alles okay?", erkundigt er sich ohne sich ein kleines Lachen verkneifen zu können.
Schnell richte ich mich auf.
„Ja... mein Schuh hatte sich verkeilt", erkläre ich peinlich berührt.
„Und ich dachte schon, du gehst immer so stürmisch ran", lacht Collin schmutzig, wobei er mir seinen Arm als Stütze anbietet.
Wortlos nehme ich seine Hilfe an, wende dabei allerdings den Kopf ab, um meine Scham zu verbergen.
Gemeinsam verlassen wir das Restaurant und laufen auf den schlecht beleuchteten Parkplatz zu Collins Wagen.„Ich rufe dich dann nächste Woche im Büro an", spricht er mich auf dem Heimweg über die Arbeit, „Die Ausstellung von Ray steht nächsten Monat an und ich glaube, da werden wir etwas mehr zu kämpfen haben. Du hast bestimmt schon bemerkt, dass der gute Mister Orderer ziemlich speziell sein kann."
Über diese Aussage muss ich lachen. Ray ist in der Tat ein extravaganter Typ, dessen Züge sich auch in seiner Kunst widerspiegeln.
"Es wird nicht einfach werden, es ihm Recht zu machen."
„Das wird schon irgendwie klappen", bleibe ich optimistisch, worüber Collin schmunzelt.
Wir haben Spaß und scherzen noch etwas weiter miteinander herum. Die Atmosphäre ist überraschend entspannt. Doch umso näher wir meinem Haus kommen, desto unsicherer werde ich allerdings, wie ich mich nun verabschieden soll.
Bevor ich jedoch die Gelegenheit habe, mir einen Plan zurecht zu legen, öffnet mir Collin bereits die Beifahrertür und hilft mir beim Aussteigen.
Sanft nimmt er meine Hand und begleitet mich die wenigen Meter zur Tür des Wohnblocks.
Ich will gerade aufschließen, da legt er seine Hand auf die Türklinke, um mich aufzuhalten. Ich stehe zwischen ihm und der Tür, fühle mich gefangen.
Collin neigt von hinten den Kopf an mein Ohr. Ich spüre seinen heißen Atem auf meiner Haut. Unwillkürlich schließe ich die Augen.„Ich hätte dir vorhin öfter sagen sollen, wie fantastisch du heute wieder aussiehst", raunt er belegt.
Ich werde zunehmend nervöser.
Eine kleiner Schauer lässt meinem ganzen Körper zittern.
Schnell drehe ich mich, um etwas Platz zwischen uns zu schaffen.„Ich ... ich sollte besser gehen", weise ich Collin vorsichtig zurück.
Fast schon hektisch schließe ich die Tür auf, kann es jedoch nicht lassen mich noch ein letztes Mal zu ihm umzudrehen.
„Danke für den schönen Abend", flüstere ich etwas zu leise, bevor ich ins Treppenhaus verschwinde.
Mein Herz klopft heftig, meine Atmung geht schnell.
Ich muss mich zusammenreißen.
Ein anderer Mann dürfte mich nicht so aus der Fassung bringen. Das ist nicht richtig. Ich habe immer noch einen Freund, und wenn er jemals herausfinden würde, was ich hier mache, wären die Konsequenzen für mich unaussprechlich.Völlig verwirrt und aufgewühlt sitze ich nun alleine in meinen kleinen Appartement. Obwohl es schon spät ist, finde ich keine Ruhe und suche nach Etwas um mich abzulenken. Also schalte ich den Fernseher an und drücke mich durch die Sender, bis ich bei einer Musical Verfilmung von 'Die Schöne und das Biest' hängen bleibe. Es ist eines meiner Lieblingsmärchen, so gefühlvoll und tiefgründig.
Die kluge und mutige Belle verliebt sich in das schreckliche Biest und löst damit den Bann. Ich kenne die Dialoge schon auswendig, daher wandern meine Gedanken trotzdem umher.
Der Prinz ist mehr als nur ein schöner Prinz oder gar ein Biest. Er ist ein gebrochener Mann, der alles verloren hat, woran er glaubte.
Wenn es nur in der Realität auch so einfach wäre, einen Bann zu brechen, dann wären Jadon und ich heute noch glücklich. Doch jetzt stehen wir am Abrundung.
Ich bin bereit mich endgültig zu lösen, und als wäre dieser Schritt nicht schon schwer genug, spielen meine Gefühle wegen einem Mann, der mich in der High School nur beleidigt hatte und sich heute noch nicht einmal dafür schämt, weil er es einfach vergessen hat, völlig verrückt.
Das Biest verbirgt hinter seiner Fassade ein Herz, das lieben möchte, weiß aber nicht wie. Daher ist es launisch, verbittert und widersprüchlich. Erst späterhin kann es sich öffnen und schöpft Mut.
Immer mehr ziehe ich Vergleiche zu meinem eigenen Leben und den Männern, die es mir gerade so sehr schwer machen. Tränen der Verzweiflung sammeln sich in meinen Augen, die ich mir mit dem Handrücken hastig aus dem Gesicht wische.
Ich möchte einfach meinen Kopf frei machen, mich ordnen und nicht länger die Schwache sein.Könnt ihr verstehen, dass Kim sich nach etwas Zuneigung sehnt?
Wir sie es schaffen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen?
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Don't touch me
VampireWas würdet ihr tun, wenn sich eure Liebe verändert, wenn ihr plötzlich den Mann an eurer Seite selbst nicht mehr wieder erkennt? Was würdet ihr tun, wenn euer Leben einen absoluten Tiefpunkt erreicht hat? Gefangen zwischen Glück und Leid, zwischen V...