under two conditions

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w a t e r s h e d -
g i a n t r o o k s

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Als ich Harrys Nachricht bekam, fiel mir sozusagen ein Stein vom Herzen. Scheinbar hatte er mir meinen seltsamen Abgang nicht übel genommen.

"And I'd love to be there with you, too, but I have to go to a museum with my little sis right now. Maybe I could call you tonight?"

Die Worte waren schneller getippt und abgeschickt, als ich denken konnte. Diesmal ärgerte ich mich aber nicht über meine vorschnelle Reaktion. Es folgte, glücklicherweise, auch direkt eine Antwort.

"I'm afraid we have quite a time difference and when ur close to going to sleep I'm having boring meetings. Guess messaging will be it for now, sadly."

Er hatte Recht, über die Zeitverschiebung hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Wie viel Uhr war es jetzt bei ihm? Sieben Uhr morgens?

"Ur probably right. Oh and I wish you a lot of fun with your meetings :D"

Die Ansage meiner Station brachte mich dazu, mein Handy wieder in meine Tasche zu stecken und mich darauf zu konzentrieren, dass ich gleich aussteigen würde.

In meiner Wohnung angekommen, wurde ich direkt mit einer stürmischen Umarmung von Vivien begrüßt. Sie schien wirklich froh zu sein, mich zu sehen.

"Endlich bist du wieder da! Es war echt ziemlich langweilig... Warum haben mir Mama und Papa eigentlich verboten, alleine durch London zu laufen? Ich hätte schon so viel sehen können. Und du? Wie war's an der Arbeit?"

Der ganze Schwall an Worten überforderte mich für eine Millisekunde, denn normalerweise wurde ich nicht von einem kreischenden Teenager, sondern von Stille begrüßt. Da aber Viviens frohe Art bis vor ein paar Monaten noch Tagesablauf für mich gewesen war, konnte ich mich jetzt schnell wieder sammeln.

"Also erstens; Mama und Papa wollen nicht, dass du alleine durch London streunerst, weil es eine riesige Stadt ist, du das nicht gewohnt bist und du erst vierzehn bist und zweitens; an der Arbeit war es okay, viel zu tun eben. Und ich habe Adam getroffen."
Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, jemandem von der seltsamen Begegnung vorhin zu erzählen. Vivien kam mir da gerade recht.

"Hat er nochmal irgendwas gesagt?"

"Das jetzt nicht speziell, aber unsere Begegnung war irgendwie komisch. Er war viel verschlossener als sonst, ich glaube, er weiß, dass wir ihn angeflunkert haben."
Langsam aber sicher stellte sich bei mir ein schlechtes Gewissen ein. Ich log nur ungern, weswegen ich es auch nur seltenst tat. Genauso wenig mochte ich es, belogen zu werden.

"Ach jetzt sei doch nicht so. Den Blick kenne ich. Du brauchst doch wegen so einer kleinen Notlüge kein schlechtes Gewissen zu haben. Der kommt auch wieder drüber hinweg.
Was jetzt viel wichtiger ist, ist was wir jetzt unternehmen. Wie wär's mit dem London Eye?"

"Ne, dass können wir jetzt nicht machen, da habe ich doch Tickets vorgebucht und das ist erst morgen. Aber ich dachte mir, du hättest vielleicht Lust, mit mir in das Natural History Museum zu gehen."
Auch wenn ich es ungern zugeben wollte, ich hatte Viviens Aufenthalt hier bei mir eigentlich schon komplett durchgeplant. Klar konnte sie auch noch Wünsche einwerfen, aber einen groben Plan an den wir uns wenn möglich auch halten sollten, gab es.

Nachdem Vivien meiner Idee zugestimmt und ich mich schnell umgezogen hatte, machten wir uns auch schon auf den Weg.

Im Endeffekt verbrachten wir den ganzen Nachmittag im Museum. Auf dem Rückweg zur Wohnung schrieb ich schnell Megan eine Nachricht, dann kaufte ich mit Vivien noch ein. Gerade als wir die Einkäufe reingebracht hatten, klingelte es auch schon. Wie erwartet war es Megan.

Megan und Viven begrüßten sich herzlich, sie schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen und fanden mit Mode auch sofort ein Thema, was sie beide wirklich brennend interessierte.

Als wir nach dem Essen auf der Couch saßen und uns unterhielten, kam das Gespräch darauf, dass Vivien in meiner Abwesenheit allein in der Wohnung bleiben musste. In Megan fand sie jemanden, der sie definitiv in ihrem Protest unterstützte.

"Are you serious? She has to stay indoors all day long while you're at work?"
Ein wenig ungläubig betrachtete mich Megan.

"Basically, yes. I have to say that was definitely not my idea, it was one of my parents' conditions for them allowing her to visit me on her own."
Das stimmte tatsächlich. Anfangs waren unsere Eltern sehr skeptisch gewesen, meine Schwester auf so eine 'große Reise' zu schicken. Ich musste in Viviens Namen regelrecht Verhandlungen führen, um sie zu überzeugen.

"That may be true, but it's still not fair. How old are you, Vivien? 14? 15? Doesn't really matter, definitely old enough to have a little tour on your own."

"My parents would literally kill me if I allowed her to walk through the streets all alone. I'm not even joking, they would simply push me down a cliff or something. Vivien's their little baby-girl."

Ich ließ mich von Vivien's leicht empörtem Schnauben nicht irritieren, immerhin sagte ich voll und ganz die Wahrheit. Meine Mutter hatte wegen Komplikationen während meiner Geburt eigentlich gesagt bekommen, sie könne keine Kinder mehr bekommen. Als dann Vivien auf dem Weg war, deklarierten sie sie zu ihrem Wunderkind und behüteten sie seitdem wie ihren Augapfel.

"Well, that's a shame. Maybe... no, that's a bad idea. Hm... Wait. What if I spend some time with her tomorrow? I've got a day off and could show her some of my favourite spots. I mean, that's only a solution for one day, but better than nothing, right?"
Erwartungsvoll und mit einem Ausdruck in den Augen, den sie nur bei einer ihrer Ideen bekam, sah Megan mich an. Plötzlich schaltete sich auch Vivien in die Unterhaltung ein, die bis jetzt eigentlich nur schweigend beobachtet hatte.

"That would be amazing!!! Oh, Becca, come on! Please!"
Vivien griff nach meiner Hand und sah mich flehend an. Sie wusste ganz genau, dass ich ihr eigentlich keinen Wunsch abschlagen konnte.

"I guess that would be okay. It's not breaking the rules, just stretching them a bit, right? But only under," weiter kam ich nicht, denn Vivien fiel mir quietschend um den Hals.

"Danke, danke, danke! Du bist die Beste!"

"Wait, I wasn't able to finish my sentence. It is okay under two conditions. First, Megan has to make sure I can call her at any time."
Ich versuchte möglichst streng zu wirken, aber mit meiner breit grinsenden Freundin zu meiner linken und meiner noch breiter grinsenden Schwester zu meiner rechten war das nicht gerade leicht.

"That won't be any problem. I'll just keep my mobile within reach all the time, I promise. What's the other condition?"

"The second condition is that Vivien has to promise she will text me or call me if something happens, or if she doesn't feel well or anything like that."

"I promise."
Die Antwort von Vivien kam so schnell, dass ich mich fast erschreckte.

"Alright, then."
Wieder einmal ertönte ein fast ohrenbetäubendes Quietschen, diesmal von beiden Mädels.

Während die beiden schon unter Freudenrufen anfingen zu planen, was genau sie morgen gemeinsam anschauen wollten, nahm ich mir meine Strickjacke und ging auf den Balkon, um ein wenig frische Luft zu schnappen.

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