wait, what?

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s m i l e   –   t h e   r o y a l   
c o n c e p t

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Am nächsten Morgen wurde ich unsanft von dem schrillen Klingeln des Weckers geweckt. Da ich keiner von den Menschen war, die sich fünf oder mehr Wecker stellen mussten, damit sie auch wirklich aufstanden, schwang ich sofort die Beine aus dem Bett. Als erstes lief ich in die Küche und stellte mich auf Zehenspitzen um mein Müsli aus dem Regal zu holen.

Mit der Pappschachtel, einer Schüssel und der Milch setzte ich mich auf einen der Hocker, die an meiner kleinen Kücheninsel standen. Ich drehte meine allerliebste Spotify-Playlist auf mittlere Lautstärke und wippte mit dem Fuß zum Takt der Indie-Klänge, die aus der Musikanlage kamen.

Nachdem ich in aller Ruhe mein Müsli gegessen hatte, ging ich zurück in mein Schlafzimmer und suchte mir dort das Outfit für den Tag aus. In der Kanzlei galt ein gewisser Kleidungsstandart, was mir aber gefiel, da ich schon immer für businnessmäßige Klamotten zu haben gewesen war. Bleistiftröcke, schlichte Kleider, das alles fand ich unheimlich schön und freute mich jeden Tag darauf, mich elegant kleiden zu können.

Relativ schnell entschied ich mich für ein eng anliegendes, schlichtes, dunkelblaues Kleid. Dazu zog ich meine Perlenkette und Perlenohrringe an und cremefarbene, mittelhohe High Heels. Perfekt zu dem Outfit passte auch der cremefarbener Trenchcoat, meine Lieblingsjacke. Meine langen hellbraunen Haare ließ ich einfach offen auf ihre Schultern fallen, glatt waren sie von Natur aus.

In meinem fertigen Outfit ging ich in den Flur, wo ich besagten Trenchcoat von der Garderobe nahm, noch einmal meine Handtasche auf alles Nötige prüfte, den Schlüssel ins Hauptfach warf und mir als letztes noch schnell einen Aktenordner schnappte. Ich hatte ihn mir gestern schon extra auf die Kommode gelegt, da ich ihn heute für einen Fall brauchen würde.

In der U-Bahn war ziemlich viel los, alle möglichen Menschen waren auf dem Weg zur Arbeit oder zu irgendeinem anderen Termin. Der Großteil der Leute starrte auf ihr Smartphone, tippte irgendwas, lachte den Bildschirm an. Ja klar, ich besaß auch ein Smartphone, aber außer Whatsapp, Candy Crush, der Musik und dem Telefonieren nutzte ich mein Handy nicht wirklich.

Und auch meine Whatsapp Chats waren auf Vivien, meine Eltern und Megan, meine beste Freundin hier aus London, beschränkt. Ansonsten hatte ich niemanden, mit dem ich so wirklich Kontakt hielt.

Fast hätte ich durch das Beobachten der Menschen das Zeitgefühl verloren und meine Haltestelle verpasst, doch irgendwie schaltete ich doch noch. Vermutlich aus Gewohnheit. Heute war es ziemlich neblig und dunstig, als läge ein Schleier über der Stadt.

Nachdem ich den Aktenordner auf den Schreibtisch hatte fallen lassen, ging ich erst einmal zum Kaffeeautomaten. Morgens trank ich nur im Büro Kaffee, nicht zu Hause. Während der Kaffee gerade aufgebrüht wurde, kam mein Kollege Adam in die Küche.

"Good Morning, Rebecca. Still drinking coffee?" Ich nickte. Adam war wirklich nett, gleich nachdem ich hier eingestellt worden war, hatte er sich mit mir unterhalten und mir auch seine Hilfe beim Umziehen angeboten, falls ich noch welche brauchte. Seitdem hatten wir zwar nicht mehr intensiver miteinander gesprochen, aber wir trafen uns fast jeden Tag in der Küche.

"Of course. Still drinking tea?", fragte ich zurück. Adam nickte daraufhin und lächelte.
Jeden Tag machte ich mir meinen Kaffee und Adam seinen Tee. Obwohl die Sache mit Engländern und ihrem Tee eher Voruteil war, traf es auf Adam vollkommen zu. Es hatte schon einige kleine Diskussionen gegeben, was denn nun besser schmeckte. Trotz der sechs Monate die ich nun schon hier verbracht hatte, war Tee immer noch nicht wirklich mein Geschmack, ich zog Kaffee vor. Dafür war ich umso mehr für Scones und Shortbread zu haben.

"Guess I'll go back to work, I'm pretty busy today. Have a nice day, Adam."
Ich sah ihn zwar nicht mehr, konnte aber seine Blicke in meinem Rücken förmlich spüren. So egozentrisch der Gedanke auch war, ich hatte schon länger das Gefühl, dass Adam nur auf eine Gelegenheit wartete, mich nach einem Date zu fragen. Und ehrlicherweise würde ich mich wirklich freuen, sollte er es tatsächlich tun.

Da ich Adam vorhin nicht angelogen hatte, sondern wirklich ziemlich beschäftigt war, verging der Tag wie im Flug. Bevor ich es merkte, war es auch schon 18.00 Uhr und somit Feierabend. Draußen war es immer noch ziemlich kalt, deswegen schnappte ich mir schnell einen Schal, der noch an der Garderobe meines Büros hing.

Heute musste ich für das Abendessen eh nochmal raus zum einkaufen, deswegen entschied ich mich, später meine Runde durch den Park zu drehen. Die U-Bahn war nicht allzu voll, deswegen war es auch nicht zu peinlich, als mein Handy plötzlich auf voller Lautstärke klingelte. Es war Megan.

"Megan, what's up?"
Normalerweise rief Megan nicht an, sondern schrieb ihr einfach eine Nachricht.

"You won't believe it! I got us some concert tickets!"
Ich verstand nur Bahnhof. Hatte Megan mich etwa überredet auf ein Konzert zu gehen und ich hatte es nur schon wieder vergessen, oder war das mal wieder eine von Megans spontanen Aktionen?

"Wait, what?"
Hoffentlich nahm Megan es mir nicht übel, dass ich nicht wusste, was sie meinte. Aber normalerweise war Megan bei solchen Dingen kein bisschen nachtragend.

"Are you free right now? Because you could come over to the cafe and I'll explain it to you."

"I'm on my way home. Well, I'll stop by, gonna be there in five. And you better have a good explanation."
Ich konnte Megan am anderen Ende der Leitung schon kichern hören.

"Of course. Remember, my explanations are always good. See you."
Und schon hatte sie aufgelegt. Eigentlich hatte ich mich nur kurz umziehen und dann gleich auf den Weg zum Supermarkt machen wollen, aber ein kleiner Stopp bei dem Café von gegenüber würde wohl nicht zu viel Zeit kosten. Ich durfte mich einfach nicht mit Megan verquatschen.

Zwanzig Minuten später betrat ich den kleinen Laden. Mittlerweile trug ich einfach eine Jeans und einen Pullover. Es war relativ voll, alle Sitzplätze waren belegt, auf einem Hocker an der Theke lag eine Handtasche. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es Megans Handtasche war und legte sie zur Seite, um mich zu setzen.

Es dauerte fünf Minuten, bis Megan alle wartenden Kunden bedient hatte und ich mit ihr sprechen konnte.

"What concert were you talking about? But make it a quick one, I wanna go grocery shopping." Bevor Megan antwortete, ließ ich den Blick kurz durch das Café schweifen. Keine bekannten Gesichter, bis auf einen braunen Lockenkopf, der mir vaage bekannt vorkam. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber auch von der Statur ähnelte der Mann sehr dem, der gestern im Regen gesessen hatte. Aber bevor ich noch ganz in Gedanken versank, konzentrierte ich mich wieder auf Megan.

"If I tell you the name of the artists we're going to see, or not, you won't know them neither.", entgegnete Megan. Tatsächlich hatte sie damit Recht, was Popmusik betraf war ich eine absolute Niete. Es war einfach nicht mein Musikgeschmack.

"All I'm tellin' you is that they are a pop band and they're totally gorgeous. But that's not the point. In two months they give a relatively small concert here in London. And well, I got us tickets for the show."
Megan lächelte so überzeugt und glücklich, dass ich sie einfach nicht enttäuschen konnte. Wahrscheinlich war es nicht mal ansatzweise meine Musik, aber einen Abend ließ es sich sicherlich aushalten.

"Okay, I'm in. But only if you'll go to the 'Harry Potter Studios' with me."
Schon seit langem wollt ich dort hin, aber bis jetzt hatte sich Megan immer geweigert, da sie Harry Potter hasste. Und abgesehen von Megan hatte ich nicht wirklich Freunde, die ich fragen konnte. Megan seufzte.

"Guess that's a deal. There are some more customers I have to serve. Are you staying a little longer or..?" Ich schüttelte entschlossen den Kopf.

"Have to go now. But thanks for the information. Take care."

Ich umarmte Megan noch kurz und nach einem letzten Blick auf den Lockenkopf des Unbekannten verließ ich das Café um einkaufen zu gehen.

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