Kapitel 2

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Ich wachte auf lediglich mit meiner Decke zugedeckt. Und schon tauchten die Bilder von der letzten Nacht wieder auf. Tränen liefen über meine Wangen. Mir tat alles weh.

Irgendwann hatte ich mich etwas beruhigt und rappelte mich mühsam auf. Ich schleppte mich mehr schlecht als recht ins Bad und ließ kaltes Duschwasser auf meine Haut prasseln. Als ich am Schlafzimmer meines Erzeugers vorbei kam, hörte ich ein deutliches Schnarchen. Leise huschte ich zurück in mein Zimner und packte meine wenigen Sachen zusammen in eine kleine Tasche. Mit meinem Hab und Gut, das aus meiner Tasche und meiner Geige bestand, ging ich in die Küche und schnappte mir etwas zu essen. Danach riss ich einen Zettel aus meinen Kollegeblock und schrieb kurz etwas auf.

Hi,
Ab heute wirst du dein Haus wieder für dich alleine haben. Ich habe entschieden zu gehen.
Leb wohl

Nachdem ich das geschrieben hatte, ging ich in den Flur und zog mir meine Schuhe an. Draußen schnappte ich mir mein Fahrrad und fuhr los. Nie wieder würde ich an diesen Ort freiwillig zurückkehren. Da war ich mir sicher.

Ich fuhr zum Bahnhof und löste dort ein Ticket. Danach wartete ich ungeduldig auf meinen Zug. So langsam machte sich Nervosität und Angst im mir breit. Mit wem werde ich in einer WG wohnen? Werde ich mich mit ihnen verstehen? Und wer ist R.S? Endlich wurde mein Zug angesagt und ich sprang aufgeregt auf, um den Zug ja nicht zu verpassen. Ich war noch nie Zug gefahren. Ich hatte mir extra nochmal aufgeschrieben, wo ich raus musste und wo ich dann hin musste. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass alles schief gehen würde. Ich hatte sogar Angst, mein Erzeuger könnte jeden Augenblick hinter mir stehen. Ich krallte mich an meine Taschen und wartete, bis der Zug hielt. Dann stürmte ich so schnell wie möglich in das nächst gelegende Abteil und ergatterte mir einen Sitzplatz. Ich hatte das Gefühl, dass alle mich dumm anguckten. Doch ich kramte nur hektisch meine Fahrkarte aus der Tasche und entwertete sie. Wenigstens das wusste ich, bzw hatte ich am Infostand erfragt. Hätte es den nicht gegeben, wäre ich jetzt tot.

Ich stellte meine Tasche unter den Stuhl und nahm meine Geige auf meinen Schoss, wo ich sie fest umklammerte. Ich musste echt dermaßen bescheuert aussehen!

"Bitte gehen sie von Türen weg. Der Zug kann so nicht weiterfahren!", ertönte eine Stimme durch die Lautsprecher.

Ich zuckte zusammen und schaute mich verwirrt um. Was bedeutete das? Um mich herum stöhnten Passagiere herum und sahen andauernd nervös auf ihre Uhren. Einigen fingen an wie Furien auf und ab zu gehen und wieder andere unterhielten sich lautstark darüber, wie unzuverlässig und inakzeptabel doch diese Bahngesellschaft sei.

"Typisch deutsche Verhältnisse!", schimpfte eine Frau neben mir, "Dabei bin ich doch genau deswegen ausgewandert!"

Ich zuckte erneut zusammen, da ich gar nicht bemerkt hatte, dass sie sich neben mich gesetzt hatte. Ich bekam hier echt gleich noch einen Nervenzusammenbruch. Mittlerweile flogen die üblesten Schimpfworte und Beleidigungen durch den Zug, während ich kurz davor war einfach wieder auszusteigen. Doch endlich setzte sich der Zug in Bewegung und ruckelte über die Gleise. Die Menschen beruhigten sich langsam wieder und es wurde ruhiger. Irgendwo schrie ein Kleinkind. Ich konzentrierte mich einfach auf die Landschaft.

Der Zug hielt häufig und immer wieder stiegen Menschen ein und aus. Nicht mehr lange und ich wäre endlich am Ziel. Es waren um genau zu sein noch zwei Stationen. Und je näher wir meinem Ziel kamen, desto nervöser wurde ich. Was wird mich dort erwarten? Plötzlich hielt der Zug ruckartig an. Ich wurde leicht nach vorne geschleudert und beinahe wäre mir meine Geige weggeflutscht. In letzter Sekunde konnte ich mich noch abfangen und verzog schmerzhaft mein Gesicht. Meine Hand begann sofort zu schmerzen. Tränen traten in meine Augen, doch ich blinzelte sie weg. Mein Fahrrad hatte ich glücklicher Weise gut gesichert, sodass es keinen Schaden nahm.

"Durch einen Systemfehler kann der Zug seine Fahrt nicht fortsetzen.  Wir werden uns somit um ungewisse Zeit verspäten! Danke für Ihr Verständnis!", berichtete eine Durchsage.

Ich stöhnte mit vielen anderen auf. Was sollte das denn jetzt? Ich war so knapp vor dem Ziel. Empört sah ich nach vorne, wo ein Schaffner verzweifelt versuchte, einen wild gewordenen Passagier zu beruhigen. Neben mir fing wieder die Frau an zu schimpfen. Einige brüllten durch den ganzen Zug, dass das doch eine Zumutung sei und keiner so etwas verlangen könnte. Ich saß eher still auf meinem Platz und rieb mir mein schmerzendes Handgelenk, was mittlerweile schon leicht anschwoll. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

Stundenlang saßen wir da und warteten. Es dämmerte schon, als der Zug sich endlich wieder in Bewegung setzte. Etliche Male hatte ein Notarzt anrücken müssen. Hätten die uns nicht einfach evakuieren können? Vollkommen angenervt kam ich endlich bei meinem Zielbahnhof an. Es war ein kleiner Bahnhof mitten im Nivada. Außer mir stieg keiner aus und auch sonst war keiner auf dem Bahnsteig. Ich hielt verzweifelt nach einer Karte Ausschau, doch ich fand rein gar nichts außer einem kaputten Automaten und ein paar Mülleimern, die jedoch seit gefühlten zehn Jahren nicht mehr geleert worden waren.

Irgendwann fand ich nach gefühlten Stunden endlich ein Hinweisschild zu den Baumhaus-WGs. Schnell fuhr ich in die angezeigte Richtung und erreichte nach zehn Minuten den Wald, dort teilte sich der Weg auf. Anfangs war ich vollkommen überfordert mit der Situation und wurde langsam auch panisch, da es langsam kalt und auch dunkel wurde.

Endlich sah ich ein Schild mit der Aufschrift "Baumhaus 5-10" und folgte diesem. Nach fünf weiteren Minuten sah ich die ersten Baumhäuser. Völlig überwältigt hielt ich an und starrte ich sie einfach nur an. Irgendwann hatte ich mich wieder einigermaßen gefasst und fuhr so schnell ich konnte zu Baumhaus 10. Dort stellte ich mein Fahrrad ab und schloss es an einem nahestehendem Baum an. Danach schaute ich mich um. Wie sollte ich jetzt da hoch kommen? Ich war doch kein Vogel!

Nach gefühlten Stunden hatte ich endlich eine Klingel gefunden. Langsam drückte ich sie und wartete kurz.

"Liam, mach mal auf!", brüllte eine Mädchenstimme.

"Warum immer ich?", maulte der Angesprochene.

Nach ein paar Sekunden öffnete sich über mir eine Lucke und eine Strickleiter fiel herunter.

"Die Letzte ist da!", rief der Junge, der anscheinend Liam hieß.

"Komm hoch!", meinte das Mädchen von vorhin und ein blonder Lockenkopf erschien in der Öffnung.

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

Heyo ihr Lieben,
Hier ist das zweite Kapitel. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Morgen kommt dann wahrscheinlich schon das nächste.
Eure
P.L 

not the best lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt