Ich öffnete meinen Mund, doch es kam kein Wort heraus. Ich formte meine Hände zu Fäusten und presste meine Fingernägel in meine Haut, doch es brachte nichts. Mir wurde heiß und kalt zu gleich. Mein Atem gibg flach und leicht hektisch. Mühsam kämpfte ich gegen meine Tränen an. Warum konnte ich nichts sagen? Mein ganzer Körper verkrampfte sich unheimlich. Ich zitterte noch mehr. Mein Herz pochte schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Eine merkwürdige Enge breitete sich in mir aus. Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. "Hey, rede mit uns", bat mich Rick. Ich wollte schreien. Alles tat so weh. Meine Sicht verschwam. Warum jetzt? Es sollte aufhören. Eine Träne kroch aus meinem Auge. Sie rann brennend über meine Wange und tropfte schließlich auf die Bettdecke. Eine weitere Träne brannte sich ihren Weg hinab. Arme legten sich um mich. "Ich bin da", hauchte mir Liam ins Ohr. Ich entspannte mich etwas. "Tut mir leid." Meine Stimme war ein einziges Krächzen, das am Ende einfach brach. Jegliche Kraft wich aus meinem Körper. "Ich werde operiert", hauchte ich. Ich war mir nicht sicher, ob er mich überhaupt gehört hatte. Doch als er seine Umarmung verstärkte, wusste ich, dass er jedes einzelne Wort verstanden hatte. "Ich hab", meine Stimme brach und mehr Tränen verließen meine Augen. "Ich habe Krebs!" Meine Stimme zitterte enorm. Ich merkte, wie sich Liam anspannte. "Es wird alles gut gehen", murmelte er, doch er klang nicht sehr überzeugt. Langsam krallte ich meine Finger in sein T-Shirt. Es gab mir wenigstens etwas Halt. "Ich will noch nicht sterben", weinte ich leise in sein Oberteil. "Das wirst du auch nicht. Noch nicht jetzt!", meinte Liam und versuchte mich damit zu beruhigen. Eine Ewigkeit lagen wir uns noch so in den Armen und genossen die Nähe des jeweils anderen. Schließlich drückte mich Liam etwas zurück und wischte mir dir restlichen Tränen weg. "Wir schaffen das!", sagte Rick und sah uns ernst an, "Davon bin ich überzeugt!" Ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht. Womit hatte ich diese drei bloß verdient? Sie waren immer so lieb zu mir, obwohl ich so viel scheiße baute.
Wir unterhielten uns noch etwas. Die Drei versuchten mich die ganze Zeit aufzuheitern. Irgendwann mussten sie schließlich gehen. Liam wandte sich gerade zum gehen, als ich seine Hand griff und ihm den Brief in die Hand drückte. Verwirrt zog er eine Augenbraue hoch. "Für dich", hauchte ich. "Liam, kommst du?", fragte Rick, der wieder in der Tür erschien. Liam nickte und winkte mir noch kurz zu. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Was wird er jetzt über mich denken?
Ein Arzt betrat mein Zimmer und holte mich so aus meinen Gedanken. Ängstlich musterte ich die Akte in seiner Hand. "Wie fühlst du dich?", fragte er und sah mich aufmerksam an. Ich schüttelte den Kopf und wich seinem Blick aus. "Hab keine Angst, es wird alles gut", sagte der Arzt. Das sagten sie doch jedem und dann wachten sie nie wieder auf oder fielen ins Koma. Jeder kannte diese Sätze. Wann durfte man schon keine Angst haben? Wann war eine OP schon ungefährlich? Beinahe hätte ich aufgelacht, doch ich unterdrückte den Drang und schaute aus dem Fenster. Es sagte sich halt einfach. Und vielleicht glaubten es etliche. Doch wenn man es schon mehr als genug gehört hatte, ohne dass es gestimmt hatte, schenkte man diesen leeren Worten nicht mal einen Funken Vertrauen oder Hoffnung. Es machte keinen Sinn. Im nachhinein war man nur noch enttäuschter und zerstörter. "Die OP ist morgen gegen neun. Du darfst davor nichts essen oder trinken, da du komplett nüchtern sein musst", erklärte mir der Arzt. Als hätte ich keine Erfahrung damit. Bisher hatten sie mich jedoch nur operiert, um eine Kugel zu entfernen oder weil ich mir das Bein gebrochen hatte. Einmal hatten sie mich ins künstliche Koma versetzt. Seit ich mich an meine Vergangenheit erinnerte war Zeit vergangen, dennoch war es so als, wären die ganzen Sachen erst gestern über mich herein gebrochen. Ich zwang mich dazu ruhig zu bleiben und normal zu atmen. Trotzdem merkte ich die leichte Nässe in meinen Augen. Ich hörte, wie der Arzt zur Tür ging. "Wir sehen uns morgen!", meinte er noch und verließ dann mein Zimmer. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Warum nur ich? Konnte nicht endlich mal alles glatt laufen? Hatte ich nicht schon genug gelitten? Ich schaute weiter nach draußen. Ein kleiner Vogel setzte sich auf mein Fensterbrett und zwitscherte fröhlich vor sich hin. Ich beobachtet ihn und wischte mir die Tränen weg. Es brachte ja doch nicht zu weinen. Was bedeutete auch schon eine Träne, wenn sie unbemerkt blieb? Der kleine Vogel breitete seine Flügel aus und erhob sich in die Lüfte. Ich wünschte, ich könnte auch so frei sein. Dann würde ich jetzt hier nicht sitzen. Eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Langsam schwang ich meine Beine aus dem Bett und stellte sie auf dem Boden ab. Schwankend erhob ich mich. Meine Beine zitterten. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten und fühlte mich auf einmal unglaublich schwach und nutzlos. Was wollte man auch schon mit einem Mädchen wie mir? Ich konnte gar nichts außer flehnen und Probleme bringen. Ich war so überflüssig. Warum gab es mich überhaupt? Ohne mich würden alle viel glücklicher sein. Meine Mutter und mein Bruder würden noch leben und Liam, Rick und Jodie hätten weniger Probleme. Ich war einfach nur eine Last für alle in meinem Umfeld. Mein Vater hatte Recht gehabt, als er es mir jeden Abend, nachdem ich aufgewacht war im Krankenhaus, an den Kopf geworfen hatte. Alle hatten Recht, die mich gemobbt hatten. Sie alle hatten lediglich der Realität in die Augen geschaut und die Wahrheit erkannt. Mich hätte es nie geben dürfen. Mich wollte doch eigentlich gar keiner haben. Mein Erzeuger hatte mir nicht umsonst erzählt, dass ich ein Kondomplatzkind war und komplett ungewollt entstanden war. Mein Leben hatte ich allein meiner Mutter zu verdanken, die sich strikt gegen eine Abtreibung weigerte, aber ich glaube, sie hätte es nicht getan, hätte sie gewusst, dass sie wegen mir gestorben ist.☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
Heyo,
Endlich wieder ein neues Kapitel. Ich hoffe, ihr könnt verstehen, wie Lin sich fühlt.
Eure
P.L
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not the best life
Novela JuvenilJaqueline ist 16 und lebt in der USA. Ihr Vater ist alkoholabhängig und wird häufig deswegen gewalttätig. Irgendwann beschließt sie für die Baumhaus-WG nahe zwei Internate zu sparen. Doch was sie dort erlebt, hätte sie nie gedacht. Liebe, Freunde u...