Kapitel 10

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Die Leiter wurde herunter gelassen. Irgendwie schaffte ich es, nachdem ich gefühlt fast zehn mal abgestürzt war, oben anzukommen. Liam zog mich das letzte Stück hoch, sodass ich nun schnaufend auf dem Boden saß. Für einen klitzekleinen Augenblick ließ der Schmerz nach. Doch dann kehrte er mit voller Wucht zurück. Ich verzog mein Gesicht und keuchte leise.

"Geht's?", fragte Josie und hockte sich vor mich hin.

Ja weißte. Ich tu nur so, als würde ich hier gerade halb verrecken! Hust, hust! Ironie und ich sind echt best friends forever! Ich schleppte mich schließlich ins Wohnzimmer, wo ein schlafender Rick auf dem Sofa lag. Schnell ging auf ihn zu und kniete mich neben ihn.

"Tut mir leid! Ich wollte dir nicht weh tun", flüsterte ich leise und musterte sein Gesicht.

Seine eine Hand war an seinen Bauch gekrampft. Vorsichtig nahm ich diese in meine eine Hand und drückte sie leicht.

"Rick?", hauchte ich.

Rick öffnete ein Auge und sah mich kurz an. Er zog dabei fragend eine Augenbraue  hoch. Dann schloss er wieder seine Augen.

"Tut es sehr weh?", fragte ich.

"Nee, weißte. Ich tu nur so!", knurrte Rick und nahm seine Hand aus der meiner.

"Tut mir wirklich leid", murmelte ich und sah zu Boden.

Warum passierte immer mir so etwas. Ich habe das doch nicht einmal gewollt!

"Ist schon gut!", meinte Rick und richtete sich auf, wobei er mich jedoch nicht anguckte, sondern die Holzbalken studierte.

"Tut mir leid, das war nen bisschen fies gerade", fügte Rick noch hinzu, bevor er aufstand und sein Blick an meinem Arm hängen blieb.

"Was ist passiert?", fragte er erschrocken.

"Ich bin ja weggelaufen und da bin ich voll gegen eine der Glastüren gelaufen. Naja, dabei ist mein Handgelenk gebrochen", antwortete ich.

Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich wollte nicht, dass er Liam deswegen anbrüllte oder sonst etwas passierte!

"Du bist echt ein Tollpatsch. Und ein Träumerle", lachte Rick und ich stimmte mit ein.

Nach einer Weile kam Josie mit Liam und brachte etwas zu essen. Die ganze Zeit über spürte ich Liams nachdenklichen Blick auf mir. Doch jedes Mal, wenn ich den Augenkontakt mit ihm suchte, schaute er schnell auf seinen Teller oder zu einen der anderen.

"Du Lin?", sprach er mich schließlich zögernd an, "Hast du gleich kurz Zeit? Ich würde gern kurz mit dir unter vier Augen reden..."

Ich nickte und lächelte dabei leicht. So langsam hatte ich mich an den Schmerz gewöhnt, sodass es nicht mehr ganz so doll weh tat. Nach dem Essen folgte ich Liam in das Jungenzimmer.

"Warum hast du Rick gesagt, dass du gegen eine Glastür gerannt bist? Das ist doch total gelogen!", brachte er sein Anliegen direkt auf den Punkt.

"Ich konnte nicht anders. Es war eine Art... ach keine Ahnung. Ich wollte nur nicht...", stotterte ich und verstummte schließlich wieder.

"Was wolltest du nicht?", harkte Liam nach und ich spürte deutlich seinen durchbohrenden Blick auf meiner Haut.

"Ich... Es war nicht deine Schuld und ich wollte nicht, dass er dich anbrüllt oder naja, dass du irgendwie für etwas Ärger bekommst, was du gar nicht gemacht hast", erklärte ich, wobei ich immer leiser wurde.

Zögerlich sah ich ihm wieder in die Augen. Seine strahlend grünen Augen hatte er überrascht geweitet. Lange sagte keiner von uns etwas und so langsam wurde mir diese Stille ziemlich unangenehm. Ich senkte meinen Blick und schloss kurz meine schweren Lider. Der Schmerz pochte unangenehm in meinem Handgelenk. Plötzlich spürte ich zwei warme Arme, die mich an eine ebenso warme Brust drückten. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah zu Liam auf.

"Danke", hauchte er und lächelte leicht.

Eine Gänsehaut breitete sich in mir aus und ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf strömte, als gäbe es dort etwas umsonst. Verwirrt und auch etwas hilflos starrte ich in seine Augen. Ich war unfähig mich zu bewegen und kam mir vor wie eine Salzsäule. Liam schien dies auch zu bemerken, denn er löste sich schließlich wieder von mir und lächelte verlegen. Sofort verließ mich wieder die angenehme Wärme.

"Sorry", murmelte Liam immer noch verlegen und trat einen Schritt zurück.

Meine Augen begannen zu brennen und ich wusste, dass ich möglichst schnell verschwinden sollte. Die erste Träne verließ meine Augen, als ich aus dem Raum regelrecht floh.

"Lin, warte", rief Liam, doch ich war schon in meinem Zimmer verschwunden und warf mich aufs Bett.

Ein stechender Schmerz durchfuhr mein Handgelenk und bohrte sich in mein Nervensystem. Konnte das Nervensystem eigentlich bei Überforderung bzw. Überladung explodieren? Würde mich gerade echt mal interessieren. Wenn das nämlich wirklich ging, war meins, glaube ich, kurz davor. Schwarze Pünktchen tanzten in meinem Sichtfeld. Noch mehr Tränen liefen über meine Wangen und ich stieß stoßweise meine Luft wieder heraus. Verzweifelt versuchte ich mich wenigstens etwas wieder zu beruhigen.

"Lin?", eine erschrockene Stimme hallte durch den Raum und es näherten Schritte.

"Geh weg", presste ich hervor.

Eine warme Hand presste sich auf meine Schulter.

"Hey, beruhig dich", versuchte Rick mich zu beruhigen.

Sanft hob er meinen Oberkörper an und schloss mich vorsichtig in seine Arme.

"Alles wird gut!", hauchte er leise.

Kurz sah ich Liam im Türrahmen stehen, doch als er mich in Ricks Armen sah, drehte er sich blitzartig um und ging weg. Verwirrt starrte ich zur Tür und merkte gar nicht, dass meine Hände sich in Ricks Rücken krallte.

"Hey, mach mal locker", lachte Rick, "Mein Rücken ist doch kein Kopfkissen."

Erschrocken ließ ich ihn sofort los, doch er wuschelte mir nur immer noch lachend durch die Haare. Wütend sah ich ihn an und zischte ein "Schäm dich!". Er lachte jedoch nur noch mehr, sodass ich ihm entrüstet gegen die Schulter boxte und mir die restlichen Tränen wegwischte.

"Lin", brüllte ein wildgewordenes filmsüchtiges Wesen durchs Baumhaus, "Schwing sofort deinen Arsch ins Wohnzimmer. Wir gucken jetzt erstmal Titanic. Am Wochenende ist Der Hobbit dran!"

"Ernsthaft?!", stöhnte ich.

"Brauchst du nochmal ne extra Einladung?", fragte Liam, der nun in der Tür stand.

Neben ihm stand das braunhaarige Monster, das meine gemütliche Atmosphäre unbedingt zerstören musste. Böse funkelte ich Josie an. Doch ehe ich mich versah, stand Liam an meinem Bett und hatte mich über seine Schulter geworfen, wobei er genaustens darauf achtete, dass ich mit meinem kaputtem Handgelenk nirgendwo gegen stieß.

"Ey", protestierte ich direkt doch Liam blieb hart und diese unnützen Verräter, auch bekannt unter den Namen Josie und Rick, lachten mich erbarmungslos aus.

Na gut, es sieht sehr wahrscheinlich schon etwas komisch aus, wenn eine kleine Furie, die über der Schulter eines Muskelprotzes lag, mit einer Hand auf dessen Rücken einschlug. Ok, etwas ist wohl ein bisschen untertrieben, denn anscheinend musste es ja doch so ziemlich amüsierend sein. Die beiden bekamen sich nämlich kaum noch ein...

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Heyo,

tut mir wirklich leid, dass so lange nichts kam. Ich hoffe, dass ich in nächster Zeit häufiger zum Schreiben komme...

Eure P.L

not the best lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt