Kapitel 35

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Liams Sicht

Wir saßen nun schon seit Stunden im Wartezimmer. Mittlerweile war es schon Mitternacht. Ich hatte Angst wie auch die anderen beiden. Was war, wenn etwas schief lief? Oder sie nie wieder aufwachte? Was sollte ich denn ohne sie machen? Ich wollte sie nicht verlieren! Josie war gerade in Ricks Armen eingeschlafen. Die beiden hatten wenigstens sich. Ich hatte niemanden, der mich tröstete oder mich jezt in den Arm nahm. Und plötzlich war da nur noch diese Leere.
Plötzlich ging die Tür zum Wartezimmer und ein Arzt stand in der Tür. Er sah erschöpft aus und schaute traurig zu uns. "Seid ihr die Angehörigen von Jaqueline?", fragte er uns. Ich nickte. Meine Brust schnürte sich zusammen bei dem Blick des Arztes. Was war hier los? War sie...? Nein, das durfte nicht sein! "Können wir sie sehen?", erkundigte sich Josie. Der Arzt schwieg kurz, ehe er antwortete. "Ihr werdet sie nicht wach antreffen", sagte er schließlich. Erschrocken starten wir sie an. Was war passiert? Warum schaute er uns so ernst an? "Sie liegt im Komma", fuhr der Arzt vor, "Sie ist während der OP aufgewacht und hat sich bewegt. Ein Kollege ist abgerutscht. Wir mussten sie in ein künstliches Koma legen." Er atmete tief durch. "Es tut mir leid! Sie hat doch schon so viel durchgemacht", meinte er und starrte zu Boden. Wir alle standen einfach nur da und wussten nicht, wie wir jetzt darauf reagieren sollten. "Können wir sie trotzdem sehen?", wollte ich wissen. Wieso? Wieso ausgerechnet sie? Und was meinte er mit, sie hat doch schon so viel durchgemacht? Der Arzt führte uns auf die Intensivstation. Lin war wieder in einem Einzelzimmer. Bedrückt betrat ich den Raum mit den anderen. Sie sah so friedlich aus, wie sie da lag. Ihr Gesicht war ganz blass. Wir setzten uns auf die Stühle, die am Bett standen. Zögerlich nahm ich ihre Hand. Josie fing an leise zu weinen. Rick nahm sie vorsichtig in den Arm. Und ich, ich saß alleine da, hielt die Hand von der Person, die ich liebte. Ich fühlte mich unglaublich leer und einsam. Ich wollte schreien, doch kein Wort drang aus meinem Mund. Warum? Verdammt, sie hatte das alles nicht verdient. Sie hatte nie jemanden etwas getan. Immer hatte sie anderen geholfen und sich dazwischen geworfen. Das war nicht fair. Ich verkrampfte mich am ganzen Körper. Ich hätte sie besser beschützen müssen. Es war nicht ihre Schuld gewesen. Verdammt. Warum war dieses Leben bloß so beschissen? Eine Träne tropfte auf meine Hand. Erst da begriff ich, dass ich weinte. All dieser Schmerz, den ich seit Jahren in mir aufgestaut hatte, floß in heißen Tränen über meine Wangen. Still weinte ich unbeachtet vor mich hin. Die Tränen brannten unglaublich auf meiner Haut. Mein Herz schmerzte und schien zu bluten. Ich bekam kaum noch Luft. Alles schnürte sich in mir zusammen. Ich wollte sie nicht noch einmal verlieren. Nicht jetzt. Nicht wo ich sie doch gerade erst wieder zurück hatte. Ich brauchte sie doch. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite. Es war Marvin. Er zog mich in eine Umarmung. Ich fühlte mich wie ein Mädchen. "Ich bin so schwach", flüsterte ich. "Bist du nicht. Tränen sind kein Ausdruck der Schwäche sondern der Stärke. Nur wer stark ist, kann auch weinen", meinte Marvin und sah mir ernst in die Augen. "Das hat Lin mir immer gesagt!", fügte er leise hinzu und schaute zu ihr. Auch ich sah zu ihr hinüber. Sie lag immer noch so da, wie als wir gekommen waren. "Meinst du, sie wacht wieder auf?", fragte ich zögerlich und sah wieder zu Marvin. Er nickte. "Sie ist das stärkste Mädchen, das ich kenne! Ich hoffe nur, dass sie nicht wieder so lange im Koma liegt wie nach dem Unfall", murmelte er. Schmerz spiegelte sich in seinen Augen wieder. Diesmal war ich derjenige, der jemanden in den Arm nahm. "Danke", hauchte Marvin und schenkte mir ein minimales Lächeln. Ich erwiderte es. Erst jetzt fiel mir auf, dass Rick und Josie gar nicht mehr da war. "Wo sind die anderen?", fragte ich Marvin. "Ich hab sie nach Hause geschickt", erklärte mir dieser. "Was?" Vewirrt sah ich ihn an. "Josie sah total fertig aus. Das konnte man sich kaum noch ansehen", erzählte Marvin. Ich nickte und setzte mich wieder an Lins Bett. Ich griff wieder ihre Hand. Marvin tat es mir gleich und setzte sich auf die andere Seite, um ebenfalls ihre Hand halten zu können. "Sie ist so ein wunderbares Mädchen", murmelte ich und sah in ihr Gesicht. Ihre sanften Züge gaben ihr einen kindliches Aussehen, doch ich liebte sie. Sie sah so unbeschwert und befreit aus, wie sie da so lag. "Ich wünschte, sie wäre wach. Ich würde ihr gerne sagen, wie besonders sie doch ist", sagte ich. "Wenn du Glück hast, hört sie dich gerade. Ein Arzt hat mir mal gesagt, dass es helfen soll mit den Angehörigen zu reden, wenn diese im Koma liegen. Dadurch sollen sie schneller aufwachen", schwelgte Marvin in Erinnerungen. Ich nickte. Konnte das sein? Hörte sie uns gerade wirklich zu? Oder war das nur wieder einer dieser Sprüche, die jeder Arzt sagte, ohne jegliche Bedeutung hinter diesen Worten? Ich hoffte, dass es stimmte. Ich wollte sie zurück. Ich wollte sie in den Arm nehmen und ihre Wärme spüren. Ich wollte ihr so viel zeigen. So viele Orte, von denen nur ich wusste, dass sie existieren. Ich wollte, ihr Lächeln wiedersehen.
Ich schaute wieder in ihr Gesicht. Dachte sie gerade? Konnte sie überhaupt denken? Ob sie wohl genauso fühlte wie ich? Der Drang, sie dies alles zu fragen und ihr dies alles zu sagen, stieg von Sekunde auf Sekunde. Doch ich wusste, dass sie mir nicht antworten konnte. Würde ich jemals wieder ihre Stimme hören? "Ich glaube, wir sollten auch langsam gehen. Du brauchst etwas Schlaf", durchbrach Marvin das Schweigen. Er drehte sich ein letztes Mal zu Lin um und sagte leise: "Schlaf gut, Schwesterherz, und wach bitte wieder auf." "Bis morgen", murmelte ich. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt. Marvin und ich standen auf und verließen das Zimmer. BITTE LIN, WACH WIEDER AUF!

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
Heyo,
Glaubt ihr, dass Marvin Recht hat damit, dass Lin sie verstehen kann?
Eure
P.L

not the best lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt