Kapitel 5 - Montag, 07.05.

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Nachdem ich gestern den ganzen Tag mit lernen verbracht habe, sitze ich nun stolz mit meinen Hausaufgaben im Physik-Unterricht. Außer mir haben gerade mal drei Leute die Hausaufgaben gemacht, wofür wir jetzt ein extra Sternchen kassieren, was hoffentlich noch etwas mehr meine Note aufbessern wird. Ich verstehe einfach nicht, was so schwer daran ist, seine Hausaufgaben zu machen. Immerhin hatten wir das ganze Wochenende Zeit dafür, aber ist mir eigentlich auch egal, was die anderen machen oder denken. "Wie berechnet man nochmal die Geschwindigkeit?" fragt mich Jacob völlig hilflos. "v gleich a mal t" flüsterte ich ihm zu und widme mich wieder der Aufgabe. Als es klingelt, gehe ich mit Jacob aus dem Kursraum und treffe auf Michelle, die anscheinend auf uns wartet. Sie gibt uns eine kurze Umarmung und mustert mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Sag mal Ally, haben wir nicht neue Sachen für dich gekauft? Warum ziehst du sie nicht an?" Oh mist. Heute morgen war ich kurz davor etwas davon anzuziehen, aber darin habe ich mich einfach zu unwohl gefühlt und mich dann für ein weites rotes Shirt und eine schwarze boyfriend-jeans entschieden. "Sind noch in der Wäsche." lüge ich lächelnd, wobei mir direkt bewusst wird, dass ich mich so nur für heute rausreden kann. Verdammt.

Wir suchen uns einen Tisch weiter hinten und setzten uns, woraufhin Giulia zu uns stößt. Ich hole mir ein belegtes Brötchen und eine Cola, die ich definitiv brauche, um wacher zu werden. Vielleicht hätte ich gestern Abend doch nicht mehr so lange lernen sollen. Gerade als ich in mein Brötchen beißen will, fällt mir Ashton auf, der sich lachend zu meinem Bruder umdreht. Da haben sich wirklich zwei gefunden! Von ihrer Art her sind sie beide gleich scheiße. Und wieder einmal bin ich froh, dass es solche Idioten nicht in meiner Jahrgangsstufe gibt, zumindest nicht so schlimme. Sie setzen sich in die gegenüberliegende Ecke, auf die ich einen hervorragenden Blick habe. Hoffentlich stellt Justin nicht schon wieder irgendeinen Blödsinn an, denke ich und schlürfe an meinem Getränk. Als ich sehe, wie zwei Blondinen auf den Tisch zulaufen und sich anschmiegsam zu den Jungs setzten, könnte ich mich augenblicklich übergeben. Es ist einfach nur ekelhaft, wie man sich so kleiden und aufreizend präsentieren kann. Ihre kurzen Röcke und fast schon durchsichtigen Oberteile sehen einfach nur furchtbar aus. Kein Wunder, dass die Typen nicht mehr, als mit ihnen schlafen wollen. Worüber will man sich auch mit denen unterhalten? Über die neusten make-up Trends? Ich muss lachen bei dem Gedanken, dass sich Justin wohl besser mit make-up auskennt als ich, es vergeht mir jedoch wieder, als sie anfangen sich abzuknutschen. Bitte lieber Gott, er soll sie nicht mit nach Hause bringen, es nervt so sehr. Giulia scheint wohl meinen angewiderten Blick bemerkt zu haben, da sie mich anrämpelt. "Du hast recht, dein Bruder sieht zwar gut aus, aber er spielt nur mit ihnen..." glücklich über ihre Erkenntnis grinse ich und Räume mein Tablett zur Seite. Soll er doch seinen Spaß haben, solange ich nichts davon mitbekomme, ist es mir egal. Oder auch nicht?

Zum Glück verläuft der Tag ohne Komplikationen, ich steige in Justin's Auto und warte darauf, dass er ebenfalls einsteigt und sich von seiner Tussy verabschiedet. Nach einer Ewigkeit schafft er es endlich und startet den Wagen. Im Radio läuft gerade 'Wolves' von Selena Gomez, weshalb ich die Lautstärke erhöhe. "Ist es eigentlich sehr schlimm, dass ihr das Spiel gestern verloren habt?" frage ich meinen Bruder, der kurz seufzt. "Eigentlich nicht, aber Ashton war dermaßen sauer auf dich und den Trainer, dass er danach völlig ausgeflippt ist..." Oh gott, was kann ich denn bitte dafür? "Wegen mir?" gebe ich irritiert von mir und runzele die Stirn. "Ja, weil du drauf bestanden hast, ihn zu verarzten. Gut, dass er keine Ahnung hat, dass wir verwandt sind." Das tut weh. Dieser bescheuerte Arsch soll mich doch einfach in Ruhe lassen, ich hätte bei jedem anderen das gleiche gemacht! Mit verschränkt Armen lehne ich mich zurück und sage kein Wort mehr. Ich hasse Jungs!

Zu Hause kümmere ich mich erst einmal um meine Englisch Hausarbeit, die ich schon fast fertig habe und dann morgen endlich abgeben kann. Man, fühlt sich das gut an. "Hallo Schätzchen, ich hab euch was zu essen gemacht." sagt meine Mum, als sie in mein Zimmer tritt. "Danke Mum, aber hatten wir nicht vereinbart, dass du erst anklopfst, bevor du reinkommst?" frage ich sie immer noch konzentriert auf meinen englischen Satz, welcher mir im Kopf herumschwirrt. "Klofst du dann demnächst auch, wenn du in die Küche kommst?" Sie klingt ein wenig beleidigt, weshalb ich seufze. "Ich komme gleich."
Als ich die Treppen hinuntergehe, höre ich Mum mit Justin streiten. "Das ist mir völlig egal! Wie lange wolltest du es bitte verheimlichen?!" Das war definitiv Mum. Er hat also schon wieder Scheiße gebaut. "Boah, reg dich ab. Ashton geht es genauso, dann wiederholen wir halt zusammen." "Achso und dann macht ihr wieder nur Mist? Du willst ernsthaft in einer Jahrgangsstufe mit deiner kleinen Schwester sein?!" schreit sie meinen Bruder an. So wütend habe ich sie lange nicht mehr erlebt. Leise gehe ich in die Küche, in der Justin gerade am Essen ist und Mum mit bösem Gesichtsausdruck neben ihm steht. "Du musst wiederholen?!"frage ich entgeistert mit dem Gedanken, dass ich ernsthaft mit ihm gemeinsam Unterricht hätte. "Ihr nervt so! Nein! Nur, wenn ich die Nachprüfung nicht bestehe." Justin knallt seinen Teller in die Spüle und läuft die Treppen nach oben, während Mum ihm noch hinterherruft "Der Teller kommt in die Spülmaschiene, ich bin nicht deine Putzfrau!". Ich setzte mich zu Mum an den Tisch, welche ebenfalls Platz nimmt, und nehme mir etwas von dem Gemüse. Gerade als ich mir meine Gabel in den Mund schieben will, kommt Justin die Treppe hinuntergerannt, greift nach seinem Schlüssel und knallt die Haustür hinter sich zu. "Was hab ich nicht alles für ihn getan?" schluchzt Meine Mutter und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. "Mum, es steht doch noch gar nichts fest." versuche ich sie zu trösten, merke aber, dass es nicht wirklich funktioniert. "Dieser Junge macht mich fertig! Wenigstens hälst du dich von solchen Freunden, wie er hat, fern..." Ich stehe auf und umarme sie von hinten. "Ich hab dich lieb, Mum." sage ich, während ich ihr einen Kuss auf die Wange drücke.
Wenn Dad das erfährt, wird er ausrasten. Hoffentlich besteht Justin die Nachprüfung, ansonsten beginnt für mich eine Horrorschulzeit...

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