Kapitel 25 - Samstag, 06.06.

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Seit gefühlten Stunden laufen wir nun durch Montpellier und sehen uns typische Touri-Dinge an, die ich teilweise schon mit Ashton und Ruby besichtigt habe. Nach einem kurzen Mittagessen in einer Pizzeria beschließen unsere Eltern, dass wir nach d'Orange fahren und uns dort irgendein Amphitheater ansehen werden. So richtig Lust habe ich nicht wirklich, aber weder ich, noch Ashton, konnten unsere Eltern davon überzeugen, zurück ins Apartment gehen zu dürfen. Nicht einmal die Strategie, mich um Ruby kümmern zu müssen, hat funktioniert. Seufzend stehe ich von dem kleinen hölzernen Tisch auf, nehme meinen Jutebeutel und laufe den Erwachsenen nach. Die Stimmung zwischen Ashton und mir hat sich nicht gerade verbessert, wir würdigen uns weder eines Blickes, noch schenken wir uns in sonst irgendeiner Art und Weise Aufmerksamkeit. "Ally." höre ich meine Mutter nach mir rufen, die etwas abseits der anderen läuft. Ich mache mich auf den Weg zu ihr, woraufhin sie einen Arm um mich legt und mir einen Kuss auf den Scheitel gibt, weshalb ich seufze. "Was ist los, meine Kleine?" Ich zucke mit den Schultern. "Nichts." "Nichts?" Sie zieht ihre Augenbrauen nach oben und beäugt mich ungläubig. "Schlechte Laune." murmel ich vor mich hin und will wieder gehen, damit sie mich nicht noch weiter ausfragen kann, was mir jedoch nicht ganz gelingt. "Ashton hat auch schlechte Laune." merkt sie mit einem wissenden Unterton an. "Kann sein." Was soll ich auch bitte dazu sagen? "Habt ihr euch gestritten?" Bitte nicht, Mum. Ich will nicht darüber reden. Gerade, als ich mir eine Ausrede überlege, ruft mein Dad Mum zu sich. "Vici, kommst du mal?" Erleichtert atme ich auf und nicke, als Mum ansetzt zu gehen. "Darüber reden wir noch." Auch wenn dies nicht der Fall sein wird, stimme ich ihr zu und laufe ebenfalls wieder etwas näher zu unserer Gruppe. Am Eingang des Amphitheaters bekommen wir irgendwelche Geräte mit Kopfhörern, die uns etwas über die Geschichte des Bauwerks erzählen sollen. Da meine Eltern Architekten sind und sich extrem für solche Dinge interessieren, verlangt mein Dad ebenfalls, dass ich das Gerät nutze. Die Gänge sind tatsächlich recht schön, die Mauer ist alt, aber unglaublich gut erhalten für ein antikes römisches Theater. Auch wenn mich die Bauweise nicht wirklich interessiert, bin ich fasziniert von Aussehen und der Akustik, die es besitzt. Auf jedem der rund 7.000 Sitzplätzen kann man genau verstehen, was jemand auf der Bühne im unteren Teil sagt. Auch wenn meine Laune immer noch nicht wieder viel besser ist, bin ich begeistert und freue mich jetzt irgendwie doch, hier zu sein. "Gefällt es dir?" Nicole sieht mich fragend an. "Es ist toll! Besonders die Akustik!" Zustimmend nickt sie und geht einige Schritte weiter. 

Verträumt sehe ich mir die verschiedenen Gänge an, als ich auf einmal eine sehr bekannte Melodie höre und nach draußen Richtung Bühne laufe. Auf einem Platz setze ich mich hin und lausche, wie die meisten anderen Besucher ebenfalls, der Stimme des jungen Mädchens mit blonden langen Haaren und einem geblümten blauen Sommerkleid. 
"Loving can heal, loving can mend your soul. And it's the only thing that I know, know I swear it will get easier. Remember that with every piece of you Hm, and it's the only thing we take with us when we die." 
Gänsehaut durchzieht meinen ganzen Körper, als sie die zweite Strophe beendet. Es ist der reinste Wahnsinn, dieses vielleicht gerade mal vierzehn jährige Mädchen steht mitten auf der Bühne eines Amphitheaters, die Stimme zu vergleichen mit Hailee Steinfield und singt meinen Lieblingssong 'Photograph' von Ed Sheeran. Wie hypnotisiert laufe ich die vielen Treppen hinunter und lasse mich auf einem der unteren Plätzen nieder. Ihre Stimme ist so unglaublich faszinierend, dass ich kaum noch etwas um mich herum mitbekomme. Nachdem sie die letzte Zeile des Songs beendet hat, fangen alle, sich um sie versammelten Zuschauer, an zu applaudieren und zu peifen. Vorher konnte ich mir nie wirklich vorstellen, wie früher so etwas ohne Mikrofone funktioniert haben sollte, sodass jeder etwas hört, aber jetzt bin ich einfach nur beeindruckt. "Hat's dir gefallen?" Ich erschrecken, als ich bemerke, dass Ashton neben mir sitzt. Da ich weder seine, noch meine Eltern sehe, nicke ich schnell und stehe sofort auf, da ich keine Lust habe, mich mit ihm zu unterhalten und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Seufzend steht er ebenfalls auf und läuft mir hinterher. Es stört mich irgendwie, aber weil ich kein Verlangen nach noch mehr Streit habe, versuche ich ihn soweit es geht zu ignorieren. "Da seid ihr ja!" höre ich meine Mutter rufen, die direkt auf uns zuläuft. "Wir würden gerne noch etwas zum Strand und anschließend nach Hause. Ist das okay?" Überrascht hebe ich die Augenbrauen. Das ist das erste Mal heute, dass wir nach unserer Meinung gefragt werden. "Meinetwegen." Schultetzuckend sehe ich Mum an, bei der sich ein Lächeln auf den Lippen bildet. "Sehr gut. Dann los." 

Die Fahrt dauert etwas, weshalb ich ein wenig Musik höre. Der Strand ist wunderschön, das Wasser sieht nach einer guten Erfrischung aus, aber seit dem Vorfall gestern will ich auf keinen Fall hinein. Die Zeit vergeht relativ schnell, Ashton hat irgendwelche Jungs gefunden, mit denen er Fußball spielen kann, während unsere Eltern sich über weitere geschäftliche Dinge unterhalten. Da ich sowieso nicht schwimmen will und es mir wegen meiner Figur etwas unangenehm ist, meine Kleidung auszuziehen, lasse ich sie einfach an und lege mich in den Schatten. Durch meine verspiegelte Sonnenbrille kann man zum Glück nicht sehen, worauf ich schaue, da ich die Jungs beim Fußball spielen beobachte, was etwas unangenehm werden könnte, wenn sie es bemerken würde. Ashton trägt seine hellblaue Badehose, die ihm verdammt gut steht. Dazu trägt er ein weißes Shirt, wo er jedoch gerade dabei ist, es auszuziehen. Okay, das sieht viel zu gut aus. Nicht nur er, auch die anderen Jungs entfernen ihre Oberteile. Einer ist noch etwas jünger, hat daher kaum einen trainierten Körper. Ich schätze ihn so auf 14, die anderen sind alle um die 18, haben aber nicht annähernd so einen gut gebauten Körper wie Ashton. Okay, ich muss wirklich zugeben, dass er verdammt gut aussieht. Sein Sixpack zeichnet sich ziemlich dolle ab, während es in seine V-linie übergeht. An seinen Armen und Händen stechen einzelne Venen heraus, die ihn irgendwie noch männlicher aussehen lassen. Oh man, Ally. Was hast du nur für Gedanken? Leicht beschämt, dass ich hätte jede Sekunde anfangen können zu sabbern, drehe ich mich auf den Bauch und lege meinen Kopf auf meinen Armen ab, woraufhin ich die Augen schließe. Was ist bitte los mit mir? Sowas hat mich doch nie interessiert. Außerdem bin ich immer noch sauer auf ihn. Nein Ally, er sieht einfach nur scheiße aus! Und fertig! 

Eine ganze Weile liege ich so da, genieße die Sonne und den leichten Wind, welche ich durch meine geschlossenen Augen noch intensiver spüre. Hinter mir höre ich Kinder miteinander streiten, bis ich plötzlich tiefe, männliche Stimmen höre. Das muss wohl Ashton mit seiner Sippschaft sein, innerlich verdrehe ich die Augen. Ich will doch einfach nur meine Ruhe. Leider liege ich auch noch alleine hier, weil unsere Eltern beschlossen haben, einen Strandspaziergang zu machen. Womit habe ich das nur verdient?! Okay, ich tue einfach so, als würde ich schlafen, dann nervt mich wenigstens keiner. "Wer ist eigentlich die da?" Ich könnte explodieren bei der Vorstellung, dass sie gerade über mich sprechen. "Die Tochter der Geschäftspartner meiner Eltern." Die monotone Antwort stört mich irgendwie. Er hätte auch sagen können, ich sei eine Freundin. Aber wir sind ja keine Freunde mehr. "Will sie sich nicht mal ihre Sachen ausziehen?" fragt der gleiche Typ schon wieder, woraufhin die anderen schon lachen. Ich könnte ausrasten! Was fragt der auch so blöd?! "Lasst sie einfach, sie ist wirklich okay." verwundert von seiner Antwort, höre ich weitere Stimmen, die mich noch mehr stören, als die der Jungs. Es sind irgendwelche Mädchen. "Hey. Ich bin Stacy. Und das sind Loren und Jane. Habt ihr vielleicht Lust, mit uns ins Wasser zu kommen?" Boah nervt mich ihre piepsige Stimme, während die anderen im Hintergrund kichern. Welche Jungs fahren darauf bitte ab? Okay, ich nehme alles zurück. Diese Jungs sind echt zu dumm. "Wieso nicht." höre ich einen anderen sagen, woraufhin ich meine Augen öffne, mich umdrehe und aufsetze. Wenn sie gehen, muss ich ja auch nicht mehr so tun, als würde ich schlafen. Als sich die Jungs auf den Weg machen, stellt einer der Jungs, welcher zu Beginn schonmal auf mich zu sprechen kam, Ashton eine Frage. "Will die Kleine nicht auch mit?" Boah ist das ekelhaft. Bevor Ashton etwas sagen kann, ergreife ich das Wort. "Erstens bin ich nicht klein, leg dir ne Brille zu, wenn du blind bist. Und zweitens komme ich sicher nicht mit ins Wasser." Der Typ mustert mich komisch, winkt jedoch ab, während Ashton mich wissend ansieht. "Woh, ist ja gut. Kommst du Ashton?" "Ich bleibe bei Ally. Kommt doch einfach später wieder her." Der Typ nickt und dreht sich um. Und schon sind alle anderen verschwunden, während Ashton und ich zusammen zurückbleiben. Alleine. 

LöwenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt