Kapitel 57 - Mittwoch, 23.09.

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Seit genau drei Wochen herrscht zwischen Ashton und mir Funkstille. Kein Wort haben wir seit unserer Auseinandersetzung mehr miteinander gesprochen, uns komplett ignoriert. Wenigstens hat er sich an sein Versprechen gehalten, auch wenn es immer noch genauso weh tut. In Mathe war er die meiste Zeit nicht da, genau wie heute. Ich würde lügen, würde ich behaupten, es tut nicht weh. Aber besser so, als irgendwie anders. Ich will mich nicht verarschen lassen und ich brauche mehr als dringend Abstand. "Ally, hör auf so zu starren!" flüstert mir Giulia zu und stößt mir leicht in die Seite. Wir sitzen in der Mensa und mein Platz ist perfekt, um den Fußballer Tisch beobachten zu können. Michelle ist in der Pause nicht gekommen und Jacob liegt krank zu Hause im Bett. Der arme ist schon seit drei Tagen krank. "Warum macht ihr beide das? Ally, du bist mega fertig und Ashton sieht echt nicht gerade anders aus." Sie hat recht. Ashton scheint es schlecht zu gehen, ich sehe ihn nicht mehr lachen, sein Aussehen hat nachgelassen - was ihn jedoch nicht weniger gut aussehend macht - und sogar seine dummen Sprüche in Mathe, falls er mal da ist, haben aufgehört. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es was mit mir zu tun hat. Vor allem ist mir aufgefallen, dass seine stechend grünen Augen überhaupt nicht mehr leuchten. Ein blondes Mädchen sitzt auf seinem Schoß, sie ist im Jahrgang über mir und ich meine ich habe sie auch schon bei uns zu Hause gesehen. Justin bringt nicht oft Mädchen mit zu uns, aber sie kenne ich irgendwo her. Künstlich räkelt sie sich und schmiegt sich an Ash, woraufhin mein Herz sofort beginnt zu brennen. Kann das nicht endlich aufhören? Ich bin so erschöpft von alldem. Und es wird einfach nicht weniger. Als sie beginnt, den Fußballer am Hals zu küssen, würde ich am liebsten aufstehen und aus der Mensa laufen. Kurz denke ich darüber nach, aber eine Lösung ist das auch nicht. Ein wenig Erleichterung durchfährt meinen Körper, als ich sehe, wie Ashton sie immer wieder von sich weg drückt, trotzdem tut der Anblick verdammt weh. Angespannt sehe ich immer noch in seine Richtung, bis er seinen Kopf ein wenig nach hinten dreht und mir direkt in die Augen sieht. Warum sieht er so verletzt aus? Ich bin wie festgefroren, kann meinen Blick einfach nicht losreißen. Mehrere Sekunden lang sehen wir uns in die Augen, bis er plötzlich den Kontakt abbricht und das blonde Mädchen von seinem Schoß schubst, sodass sie fast auf den Boden fällt. Irgendwie ist es schon eine Genugtuung, aber er macht es ja nicht wegen mir, sondern weil sie so unfassbar penetrant ist. Ashton steht auf, wirft mir einen letzten unklaren Blick zu und verschwindet aus der Mensa. Die Verwirrung ist nicht nur mir, sondern auch seinen Freunden anzusehen. "Ist er wegen dir gegangen? Ally, hallo?" "Mhhh?" Ich sehe sie an, während meine beste Freundin nur den Kopf schüttelt. "Mit dir ist grade wirklich gar nichts anzufangen." Da es gleich klingelt, packe ich meine Sachen zusammen und laufe ebenfalls mit Giulia aus der Mensa. Auf Geschichte habe ich jetzt wirklich gar keine Lust. 

Mit Ruby bin ich heute Mittag zum Eis essen verabredet. Ich trete in das kleine Eis Café und setze mich an einen Tisch, sie scheint noch nicht da zu sein. Mein Handy vibriert und ich sehe zwei Nachrichten. Okay, Ruby kommt etwas später und dann ist da noch eine von Julien. 

>Max will dieses Wochenende Ruby besuchen, ich würde mitkommen, wäre das okay für dich?<

Es ist nett von Julien, dass er extra fragt, aber ich habe von Anfang an klar gemacht, dass ich weiterhin mit ihm befreundet sein möchte. 

>Klar, wieso nicht?<

>Sehr cool. Bist du böse, wenn ich bei Ashton übernachte? Seine Eltern sind das Wochenende nicht da.<

Natürlich bin ich das nicht, aber es ist für mich schwierig mit dieser Situation umzugehen. Aber Julien kann nichts dafür und bei mir kann er nicht übernachten. Es gäbe also nicht wirklich eine Alternative. 

>Nein, wieso sollte ich? Er muss ja nicht dabei sein, wenn wir uns treffen.<

Meine Antwort ist gerade abgesendet, als der Stuhl neben mir weggezogen wird und Ruby sich setzt. "Hey." strahlt sie mich freudig an. "Hey! So gute Laune?" Ich weiß natürlich sofort, warum, aber diese Frage kann ich mir einfach nicht verkneifen. "Jaaa." Grinsend sieht sie mich an. "Lass mich raten. Max kommt am Wochenende?" "War ja klar, dass Julien es dir erzählt hat." lacht das zierliche Mädchen, woraufhin ich es ebenfalls tue. "Du bist okay damit, dass Julien auch mitkommt?" Verwirrt sehe ich sie an. Sie weiß doch eigentlich gar nichts davon? "Max hats mir erzählt. Auch wenn ich finde, dass ihr ein echt süßes Paar wärd!" Auch wenn ich weiß, dass sie recht hat, kann ich nicht. Ashton schwirrt mir einfach immer noch viel zu sehr im Kopf herum. Und ich kann nichts dagegen tun. 

Zu Hause angekommen lasse ich mich aufs Sofa fallen und scrolle ein wenig auf Insta herum. Michelle's neues Bild ist echt nicht zu toppen. Warum präsentiert sie sich immer so? Als ob sie jeder haben könnte. Schnell scrolle ich weiter, soll sie doch machen. "Hallo Schätzchen." Mum läuft an mir vorbei, um sich auf den anderen Sessel zu setzten. "Hi." Gerade als ich sie fragen will, wie ihr Tag war, kommt Justin die Haustür rein und ins Wohnzimmer. Mum steht sofort auf, um ihm hinterherlaufen, als er die Treppen hinaufsteigt. Justin kam gestern mal wieder an einem Tag unter der Woche völlig betrunken nachts nach Hause. Meine Eltern sind ausgerastet, aber das hat er auch wirklich verdient. Schade, dass sie so gut wie nichts dagegen machen können. Mum war mehr als nur sauer, aber er war zu betrunken, um irgendwas mit ihm anfangen zu können. Sofort höre ich eine Diskussion und möchte mich einfach nur verkriechen. Warum ist mein Leben so kompliziert geworden? Genervt laufe ich nach oben in mein Zimmer, mache laut Taylor Swift an und schmeiße mich auf mein großes Bett. "Shake it off" beschreibt meine jetzige Lebenssituation echt perfekt. Sollen Justin und Ashton doch ihr Ding machen, sich bescheuert verhalten, andere verarschen und ausnutzen. Was interessiert mich es? Ich kann sowieso nichts daran ändern. 

LöwenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt