Löwenherz

Kapitel 37 - 02.08.

"Psst. Das ist mein Geburtstagsgeschenk." haucht er mir sanft entgegen. Ich bin so voller Adrenalin, dass ich nicht einmal seinen Alkoholgeruch richtig wahrnehme, und ehe ich mich versehe, liegen seine Lippen auf meinen. Ein unglaubliches Kribbeln breitet sich in meinem gesamten Körper aus, während mein Herz schon zu explodieren droht. Langsam, aber dominant bewegt Ash seine Lippen, woraufhin ich meine seinem Rhythmus anpasse. Seine linke Hand fährt meine Seite entlang, während die andere ihren Weg zu meinem Hinterkopf findet. Der Duft seines Parfums liegt mir in der Nase, was das ganze noch viel intensiver macht. Auch, wenn ich den Alkoholgeruch jetzt ebenfalls wahrnehmen kann. Seine Lippen fühlen sich so weich an, so als wären sie für meine vorherbestimmt. So ein Gefühlschaos hatte ich noch nie, noch nie habe ich je für einen Jungen so empfunden, wie für ihn. Noch nie habe ich überhaupt etwas für einen Jungen empfunden. Und wenn es nach mir ginge, könnte dieser Kuss ewig anhalten. Vorsichtig löst er sich wieder von mir und sieht mir tief in die Augen. "Das wohl beste Geburtstagsgeschenk." Ashton's raue Stimme sorgt für einen kalten Schauer, welcher sich aber nur unglaublich gut anfühlt. Ich muss lächeln, genauso wie er. "Gute Nacht, Ally." Mit diesen Worten dreht er sich um, schließt die Haustür und verschwindet, während ich wie angewurzelt dastehe und gerade mal so meine Atmung in den Griff bekomme. Er hat mich wirklich geküsst.

"Ciao?" Ich scheine sie geweckt zu haben, so müde wie sich Giulia's Stimme durch den Hörer anhört. "Giulia!" quieke ich, weil ich gerade von so vielen Glückshormonen durchströmt werde. "Ist was passiert?" "Ja! Er hat mich geküsst!" rufe ich fast schon, während ich strahlend meine Unterlippe zwischen meine Zähne nehme. "Wer?" Mein Gott muss sie müde sein. "Ash Natürlich!" Ich merke, wie etwas raschelt, woraufhin sie plötzlich hellwach klingt. "Ihr habt euch geküsst?!" Glücklich lächle ich. "Ich weiß nicht wieso, aber er kam betrunken zu mir, weil ich nicht auf seiner Party war. Und dann hat er mich einfach ohne Vorwarnung geküsst." "Das kann ich nicht glauben. Du hast gerade, während ich tief und fest geschlafen habe, deinen ersten Kuss verloren? Mamma, Mia!" Lachend spiele ich an meinem Shirt. Giulua macht Dinge gerne noch ein wenig dramatischer. "Was ist, wenn er scheiße war? Wenn der Kuss für ihn nicht gut war, ich wusste doch überhaupt nicht, was ich zu tun hatte. Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Er ist direkt wieder gegangen, vielleicht war ich ja schlecht?" Jetzt ist meine beste Freundin diejenige, die lacht. "Ganz ruhig. So wird es bestimmt nicht gewesen sein. Wie war es? Ich dachte, ihr seid nur befreundet? Das scheint mir ja etwas anders zu sein." Ich kann ihr Schmunzeln förmlich vor mir sehen. Kurz überlege ich. Wie war es? Zärtlich, aufregend, gefühlvoll und einfach nur... "... Schön. Wunderschön." Ich muss knallrot sein, aber das ist mir gerade egal, mich sieht sowieso keiner. "Ich weiß auch nicht, aber es hat sich plötzlich so richtig angefühlt. Keine Ahnung, ich habe meinen Kopf einfach ausgestellt. Bis gestern habe ich mich doch immer dagegen gewehrt, aber dieses Mal war es so anders, auch wenn er betrunken war. Was ist bitte mit mir los, ich hab mich doch nie auch nur die Bohne für Jungs interessiert." Ich kann weder still sitzen, noch stehen, weshalb ich aufgeregt im Raum herumlaufe. War es nur ein Traum? Nein, das war es nicht. Meine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen und mein Herz macht einen Satz nach vorne. "Sag mir bitte nicht, dass du dich in den Captain der Fußball Mannschaft verliebt hast?" Ein wenig muss ich schon schmunzeln bei dem Gedanken. Habe ich das? Okay, ich empfinde anders für ihn, als für zum Beispiel Jacob, aber Jacob kenne ich auch schon ewig. Und ich kann es ja auch nicht wirklich beurteilen, immerhin habe ich sonst keine männlichen Freunde. Ist das dann also gleich verliebt sein? Vielleicht wäre es das in Filmen und Büchern, aber das hier ist mein echtes, reales Leben. "Ich weiß es nicht." antworte ich ehrlich. "Mamma, Mia! Ich kann es wirklich nicht fassen. Wie oft habe ich bitte versucht, an einen von ihnen ranzukommen? Und du schnappst dir den Captain?!" Ich stimme in ihr Lachen mit ein. "Giulia, wir haben uns geküsst, mehr nicht. Ich hab ihn mir nicht 'geschnappt'!" Sie lacht. "Dann kann ich ja jetzt sehr beruhigt schlafen gehen." Der amüsierte Klang ihrer Stimme bringt mich ebenfalls erneut zum Lachen. "Wir sehen uns morgen in der Schule." "Morgen?" "Wir haben nach Mitternacht, du Dummchen." Entgegne ich ihr, woraufhin sie nur kurz schnaubt und anschließend lachend erwidert, wie witzig ich doch sei. 

Als ich im Bett liege, kreisen meine Gedanken immer noch um ihn. Er hat mich geküsst. Mich, Allison Carter. Langsam fahre ich mit meinen Fingern über meine Lippen. Genau hier lagen seine. Genau hier habe ich seine Zärtlichkeit spüren können, es hat sich so gut angefühlt. Mein erster Kuss war so gut! So oft hatte ich Panik davor, wenn ich daran gedacht habe. So viele Horror Geschichten, die andere darüber erzählen. Aber klar musste es gut werden, es war mit Ash. Plötzlich verschwindet das Grinsen von meinem Gesicht. Natürlich war er gut. Er ist so verdammt geübt darin, dass er gar nicht schlecht sein kann. Für ihn war das sicherlich nicht besonders. Wie dumm bin ich eigentlich?! Wieso habe ich mich so darüber gefreut?! Immerhin ist er extra zu mir gekommen... Ja, um mich rumzukriegen und mich zu küssen, damit er seinen Spaß hat. Oder? Völlig emotional durcheinander schließe ich die Augen. Montag werde ich ihn wieder sehen. Dann weiß ich, was los ist. 

Ich wache aus meinem Schlaf auf, als ich einen lauten Knall höre und mich erschrecke. "Fuck!" schreit die Person und ich weiß sofort, dass Justin nach Hause gekommen ist. Erst bleibe ich im Bett liegen, als erneut ein Knall ertönt. Was zur Hölle tut er da?! Schnell steige ich aus dem Bett und öffne die Tür, woraufhin ich mir sofort wünsche, es nicht getan zu haben. "Was zur Hölle tust-" Als ich sehe, was vor sich geht, stocke ich und werde sofort knallrot im Gesicht. Wenigstens ist nur ein kleines Licht an, sodass ich nicht allzu viel sehen konnte. "Ich dachte, bei dir wäre niemand!" faucht ihn das blonde Mädchen auf der Stufe über mir an. Omg ist das peinlich! "Was interessiert die mich? Allison, geh zurück in dein Zimmer, hör Musik und lass uns in Ruhe." Will er mich verarschen, immerhin wohnt er nicht alleine hier! Er wirkt extremst genervt und verdammt betrunken. Da kommt der Arsch in ihm besonders heraus. Der spinnt doch total! "Vergiss es! Ich höre euch sicherlich nicht dabei zu, wie ihr da drinne... Also wie ihr... Ich meine-" "Sex! Es heißt Sex! Wie prüde kann man bitte nur sein?!" wirft der Idiot mir entgegen. Ruhig bleiben! "Ich geh dann mal." Das blonde Mädchen, ich glaube ihr Name ist Lindsey dreht sich um und löst sich von meinem Bruder. "Wen juckt sie? Lass uns Spaß haben." Sein Blick, welcher auf ihr ruht ist so ekelhaft, dass ich mich am liebsten übergeben würde. "Bestimmt nicht." Etwas schadenfroh grinse ich, was er in dem Dunkeln jedoch nicht erkennen kann. Kein Wunder, dass er die Treppe zwei Mal hochgefallen ist, wenn sie das große Licht nicht anmachen. Mit einem genervten Grummeln dreht er sich zu mir, woraufhin ich in mein Zimmer gehe, während sich die Haustür hinter der Blondine schließt. Einen Moment denke ich darüber nach, ihm zu helfen, als ich erneut laute Geräusche höre, entscheide mich jedoch dagegen. Denn die prüde Schwester ist definitiv nicht in der Lage dazu.