Kapitel 28 - Dienstag, 16.06.

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"Du glaubst wirklich nicht, wie anstrengend das gestern mit Michelle war." Jacob und ich sitzen gerade in unserer Stammeisdiele und genießen unser Eis. Ich, wie immer, Zitrone und Jacob Schokolade. "Oh doch, ich kann es mir nur zu gut vorstellen." Ich muss lachen, weil er beginnt, eine Michelle ähnliche Pose einzunehmen und sie dabei nachäfft. "Also der Typ ist ja nicht mehr ganz dicht. Sein Auto hat nur 20.000$ gekostet, 40.000$ sollten schon wirklich drinne sein." Lachend, weil seine piepsige Stimme einfach viel zu lustig ist, schlage ich ihm auf den Oberarm. "Das kannst du nicht machen, was Jungs angeht, ist sie eben sehr anstrengend, aber sie hat auch gute Seiten." "Achja?" Skeptisch hebt mein bester Freund seine Augenbrauen in die Höhe. "Jaaa." tadel ich ihn und verteidige somit Michelle. "Also wenn du das so siehst." "Themenwechsel." wende ich ein, bevor es noch fieser wird. Ich weiß, dass Jacob Michelle nicht wirklich mag, er sie aber trotzdem akzeptiert, was ich sehr an ihm schätze. Er nimmt einen großen Löffel seines Eis und steckt ihn sich in den Mund. Daraufhin verzerrt er krampfhaft sein Gesicht und ruft mehrmals hintereinander "Gehirnfrost!" woraufhin ich wieder unglaublich lachen muss. Und genau deshalb ist er mein bester Freund! 

"So, und jetzt zu dem, was du mir eigentlich erzählen wolltest. Ich nehme mal an, es geht um Ashton?" Mit wackelnden Augenbrauen leckt er einmal anzügliche über das Eis auf seinem Löffel, weshalb ich leicht rot werde. Solche Andeutungen machen mich immer ziemlich verlegen. "Das meiste weißt du ja schon. Naja, jedenfalls haben wir dann besprochen, dass wir so schnell wie möglich mit der Nachhilfe anfangen." versuche ich schnell abzulenken, was jedoch nicht wirklich klappt. "Nachhilfe worin? Im Knutschen?" "Jacob!" Fassungslos sehe ich ihn an. "Was denn? Ist doch möglich und außerdem könntest du das doch ganz gut gebrauchen." Das ist ja wohl nicht sein ernst. Etwas fassungslos sehe ich ihn an. "Das stimmt doch gar nicht! Wir helfen uns gegenseitig und das wars!" Motzig lehne ich mich auf dem ungemütlich Stuhl zurück, schiebe den leeren Eisbecher beiseite und verschränke die Arme vor der Brust. "Ist ja schon gut, das war ein Witz. Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt!" "Bin ich nicht." antworte ich etwas zu früh, Jacob schüttelt nur den Kopf. "Wie auch immer, ich glaube, dass da was geht. Aber es soll mir auch egal sein, solange du aufpasst, dich nicht verarschen lässt und er dich gut behandelt." Da hat er recht. Trotzdem versuche ich den Gedanken beiseite zu schieben. Ich gehe nicht weiter auf seine Aussage ein, lege stattdessen lieber mein Geld auf den Tisch, was mein bester Freund mir gleich tut, und verlasse mit ihm den Laden. 

Ein paar Stunden später bin ich wieder zu Hause und werfe mich sofort in mein Bett, Justin scheint nicht zu Hause zu sein, genau wie meine Eltern. Zum Glück. Gerade will ich Giulia schreiben, als ich eine Nachricht von Ashton erhalten. Kurz bleibt mein Herz stehen, anschließend schlägt es mindestens doppelt so schnell als vorher. Ich traue mich überhaupt nicht, auf seinen Chat zu gegen, weshalb ich beschließe, doch erst einmal Giulia zu fragen, wie es ihr geht. Gerade bin ich dabei, die Nachricht zu senden, als in meiner Telefonleiste eine zweite Nachricht mit einem Fragezeichen auftaucht. Okay, ich schaffe es, eine andere Wahl habe ich sowieso nicht. Ich gehe auf unseren Chat. 

>Hast du morgen Zeit? Wegen Nachhilfe halt. Wenn du willst, können wir das ganze bei mir machen, dann gibt es auch keinen Stress mit Jus.<

>?<

Er will, dass ich morgen zu ihm komme. Sofort wird mir ganz warm und mein Puls erhöht sich. Was soll ich antworten? Und wieso spielt er bitte auf meinen Bruder an, immerhin gebe ich Ashton nur Nachhilfe. Aber er hat Recht, Justin kann manchmal schon echt ausrasten. 

>Morgen passt. Gegen 2 bei dir?<

Nachdem er zugestimmt hat und offline gegangen ist, lege ich mein Handy ebenfalls zur Seite. Giulia's Antwort kann sowieso noch etwas dauern. 

Ich wache gegen halb 10 auf und strecke mich erst einmal ausgiebig. Anschließend nehme ich mein Handy zur Hand und scrolle ein wenig auf Instagram, bis ich ein Bild entdecke, welches mir bekannt vorkommt. Ashton hat es gepostet, er läuft durch das flache Meereswasser, während im Hintergrund die Sonne untergeht. Wie kann man bitte nur so gut aussehen? Das besondere an dem Bild? Ich habe es gemacht. Sollte ich es liken? Naja, eigentlich sollte das ja nicht schlimm sein, immerhin war ich die Fotografin. Aber was ist, wenn das andere sehen. Was denkt Ashton darüber? Ich sollte es lieber nicht liken. Oder? Ach verdammt. Meine Entscheidung fällt dagegen, weshalb ich Instagram schließe und auf WhatsApp gehe, um mir unnötige Gruppennachrichten durchzulesen. Da dort auch nicht wirklich Interessantes dabei ist und ich nicht beliebt genug bin, um einfach so Nachrichten zu erhalten, stehe ich auf und laufe die Treppe hinunter in die Küche. Dad scheint nicht da zu sein, während Mum mit Justin diskutiert. "Doch, du wirst!" Augenverdrehend sieht mein großer Bruder sie an, lässt dann seinen Blick zu mir schweifen, weshalb auch Mum mich bemerkt. "Guten Morgen, Süße." begrüßt sie mich lächelnd. "Guten Morgen." erwidere ich und nehme auf meinem Standertstuhl platz, welcher sich leider direkt neben meinem Bruder befindet. "Justin, wir haben eine Vereinbarung! Halte dich gefälligst daran, sonst ziehen wir wirklich andere Seiten auf." Die Drohung meiner Mum hört sich zwar böse an, aber um ehrlich zu sein, wissen wir alle, dass sie nur selten sauer wird. Ich meine, wirklich sauer. "Kann ich jetzt gehen?" Arrogant, wie er nunmal ist, sieht er Mum abwertend an und verschwindet aus der Küche, nachdem sie ihm zugenickt hat. Ich bin ziemlich froh, dass ich keine Ahnung habe, worum es geht. Das meiste will man auch gar nicht wissen. Immerhinbin Ich gerade erst aufgestanden und brauche etwas Zeit, um richtig wach zu werden. 

Nachdem ich mir meine enge Jeans und eine geblümte, rote Bluse angezogen habe, stecke ich noch einen Block und Informationen über die Themen aller Fächer in der High School in meinen Rucksack und verlasse das Haus. Auf mein Outfit hat übrigens Michelle bestanden, sie verlangt jetzt ernsthaft jeden Tag ein Bild auf Snapchat von meinem 'Outfit of the day', wie sie es nennt. Manchmal denke ich wirklich, sie dreht durch, aber ihrer Aussage nach, würde ich die Klamotten sonst nie tragen und irgendwie hat sie ja auch recht. Trotz Hitze weht ein angenehmes Lüftchen. Da Mum schon weg ist, nehme ich einfach den Bus. Ash wohnt zwar nicht in meinem Viertel, trotzdem ist das Haus laut meiner App nicht allzu weit weg. Meine weißen Kopfhörer stecke ich mir in die Ohren und schalte sofort Taylor Swift an. Ich liebe sie und ihre Musik! Ihre Konzerte sollen der absolute Hammer sein, leider konnte ich mir keine Tickets mehr leisten. Das wäre auch zu schön gewesen. Leise seufze ich und steige in den Bus ein, als er nach zwei Minuten Verspätung endlich auftaucht. Die stickige Luft macht die ganze Fahrt nicht wirklich angenehmer, aber immerhin sind es ja nur 10 Minuten. Ich steige wieder aus und laufe die Straße abwärts, biege zweimal rechts und einmal links ab, als mir meine App sagt, dass ich mein Ziel erreicht habe. Als ich mir das Haus genauer anschaue, stockt mir der Atem. Hier wohnt Ashton also. Es ist riesig, hat eine graue Fassade und eine Menge Glasfronten. Ich habe an dem Ferienhaus in Südfrankreich schon bemerkt, dass sie das wohl mögen. Nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet habe, öffne ich das schwarze Gartentürchen und betrete den Vorgarten mit den vielen verschiedenen Blumen. Überall leuchtet es in den buntesten Farben, was bei mir schon ein wenig Faszination auslöst. Als ich die Klingel betätige, fängt mein Herz urplötzlich an zu rasen, ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Vielleicht war das mit der Nachhilfe ja doch eher eine schlechte Idee. In einer grauen, kurzen Jogginghose und einem dunkelblauen T-Shirt mit V-ausschnitt macht mir der Fußballer die Tür auf, was eindeutig dafür sorgt, dass mein Puls immer weiter in die Höhe steigt. Seine verwuschelten Haare passen einfach perfekt zu ihm, genau wie die stechend grünen Augen, die mich strahlend ansehen. "Hallo Ally, lang nicht mehr gesehen." 

LöwenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt