Kapitel 8 - Mittwoch, 09.05

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Genug Schlaf, dass ich nicht lache. Die halbe Nacht habe ich wach gelegen, weil mir die Situation mit Ashton und Justin nicht aus dem Sinn gegangen ist. Mittlerweile haben wir halb 7 und ich muss erst in einer halben Stunde aufstehen. Tja Mädels, wenn ihr euer Make-up und Haarstyling weglassen würdet, hättet ihr auch viel mehr Schlaf. Ich verstehe sowieso nicht, wieso man sein Gesicht mit irgendwelchem chemischen Zeug zukleistert. Und besser sieht man danach auch nicht wirklich aus. Ich drehe mich auf die andere Seite, an der mein Nachttischschrank steht, und greife nach meinem Handy, welches 100% Akku anzeigt. Hach, was ist das ein gutes Gefühl. Dan gehe ich auf Instagram und scrolle ein wenig durch die neusten Posts. Lachend über das Mädchen, welches schon unnormal dünn ist, sich aber unfassbar toll findet, scrolle ich weiter und sehe, dass Jacob ein Bild von sich gepostet hat, welches ich natürlich sofort like. Seine lockigen, braunen Haare und blauen Augen, kommen besonders gut zur Geltung.

Nach einer Ewigkeit stehe ich auf, um mich fertig zu machen. Grübelnd stehe ich vor meinem Kleiderschrank und greife direkt zu der lockeren, schwarzen Jeans und dem dunkelblauen T-Shirt mit einer schwarzen Aufschrift. Michelle hat heute sowieso kein Recht darauf, mir Vorwürfe zu machen, da ich wirklich sauer auf sie bin. Schnell stopfe ich mir noch mein Nutellabrot in den Mund, bevor ich meinen Rucksack nehme und zu Justin ins Auto steige. Schweigend sitzen wir nebeneinander, im Radio läuft nicht wirklich gute Musik, was mich unruhig werden lässt. Warum bin ich heute so hippelig?! "Ally, hör auf damit!" warnt mich mein großer Bruder und ich verschränke meine Arme vor der Brust. Muss er mir jetzt so blöd kommen? "Wo warst du gestern?" Sein Blick wirkt angestrengt. "Bei einem Kumpel." "Und deine Verletzungen?" Ich merke, dass er nicht darüber reden will, aber ich muss es einfach wissen. "Was willst du hören? Dass ich Scheiße gebaut habe? Nein, das habe ich nicht, falls es dich beruhigt." Und das tut es, auch wenn ich es ihm nicht 100% glauben kann. Erleichtert atme ich aus und schaue aus dem Fenster. Heute ist das Wetter ein wenig trüb, es wirkt fast schon düster.

Bis gerade eben habe ich es erfolgreich geschafft, Michelle zu ignorieren. Doch jetzt kommt sie geradewegs auf mich zu, bevor ich gehen kann, hält sie mich an Arm fest. "Können wir reden?" Sie klingt besorgt, ich zucke mit den Schultern und folge ihr auf den Schulhof. "Hör zu, ich habe keine Ahnung, warum du sauer bist. Was hab ich gemacht?" Ein kurzes Lachen kann ich mir nicht verkneifen. "Wegen dir will Ashton mich fertig machen. Er gibt mir die Schuld dafür, dass die halbe Schule bescheid weiß, dass er sitzen bleibt." Michelle schaut kurz zu Boden, bevor sie  ihren Blick wieder auf mich richtet. "Tut mir leid." "Man Michelle, ich hab dir das im Vertrauen erzählt." Schuldbewusst sieht sie mich an, weshalb ich nicht länger sauer sein kann. "Ist eigentlich auch egal. Ashton kann mir sowieso nichts." gebe ich von mir und ziehe sie ins Schulgebäude. "Was machst du?" fragt sie irritiert und belustigt sehe ich sie an. "Ähm, der Unterricht fängt in 5 Minuten an?" "Ups." mehr sagt sie nicht, sondern folgt mir zum Unterricht.

Mist, in den letzten zwei Stunden haben wir Sport. Habe ich schon erwähnt, dass ich der wohl unsportlichste Mensch auf dieser Erde bin? Das erklärt wahrscheinlich auch meine nicht wirkliche Model Figur, die mir jedoch ziemlich egal ist - meistens zumindest. "Komm, das wird witzig." sagt Giulia freudig, die sportlich gesehen das wohl genaue Gegenteil zu mir ist. "Sicher." sage ich deprimiert und ironisch zugleich, mit dem Gedanken, mich gleich wieder zu blamieren. Momentan machen wir das Thema Leichtathletik, was auch noch auf dem Sportplatz stattfindet. Ja, das ist sogar noch schlimmer, weil einem einfach jeder zugucken kann und das nicht sonderlich toll ist, wenn man so eine Niete ist wie ich. Ich schnappe mir meine Wasserflasche und laufe mit Giulia aus der Kabine. Draußen angekommen treffen wir auf Jacob und Michelle, die schon früher fertig waren als wir. "So, heute arbeiten wir an eurer Ausdauer." höre ich Mr Clayton sagen und verdrehe innerlich die Augen. Kann es noch schlimmer werden? Zu Beginn sollen wir alle einfach loslaufen, wobei er unsere Zeit misst, in der wir einen Kilometer laufen. Ich weiß, dass Mr Clayton mich, im Gegensatz zu den anderen Lehrern, nicht mag und manchmal habe ich das Gefühl, er will mich am liebsten umbringen. Nach zwei Runden atme ich immer hektischer, Giulia, Jacob und Michelle sind schon viel weiter vorne als ich. Du schaffst das! Versuche ich mich zu motivieren, was jedoch nur so mittelmäßig klappt. Als letzte komme auch ich endlich am Ziel an und lasse mich direkt zu Boden nieder, da ich das Gefühl habe, innerlich zerrissen zu werden. Fuck, dieses scheiß Seitenstechen! Ich höre, wie sich meine beste Freundin neben mich setzt. "Alles okay?" fragt sie besorgt, woraufhin ich nur nicke. Mehr geht gerade nicht. "Sie ist doch Sanitäter, soll sie sich doch selbst helfen." höre ich einen der Jungs spöttisch lachen, was mich wirklich wütend macht. "Scheiß auf die, außer Sport können die sowieso nix." beruhigt mich die kleine Italienerin, was ich dankend hinnehme.

Als ich das Gefühl habe, wieder einigermaßen normal atmen zu können, stehe ich langsam auf. "Sie lebt noch!" gerade, als ich meine Wut wegen diesen Kommentars rauslassen will, bemerke ich, dass es Ashtons Worte sind, die er mir vom Rand aus zuwirft. Okay Ally, er kann dir gar nichts, wenn du ruhig bleibst. "Ich glaube du musst wirklich verarztet werden!" provoziert er weiter. "Soll ich Mr Parker rufen?" Okay, das reicht! Wütend stapfte ich auf ihn zu und mein Herz fängt an zu Rasen. "Nicht Ally." höre ich Giulia hinter mir rufen, die ich gekonnt ignoriere. "Hör auf damit!" befehle ich dem gut gebauten Jungen, als ich ihm gegenüberstehe. "Sonst was?" fragt er gespielt entrüstet, was mich immer rasender macht. Seine Kumpels, welche Zwillinge zu sein scheinen, fangen an zu lachen. "Macht dir das Spaß?" Düster funkele ich ihn an und wünsche mir, dass er jetzt auf der Stelle von einem Blitz getroffen wird. Dass meine Gedanken relativ unrealistisch sind, weil es nicht annähernd nach Gewitter aussieht, interessiert mich gerade überhaupt nicht. "Wenn du so willst, dann ja." Seine Antwort kommt unerwartet trocken und ich muss mich wirklich beherrschen. "Du-" ich zeige mit dem Zeigefinger auf ihn. "Du-" "Ms Carter, der Unterricht findet hier drüben statt, nicht dort bei den Jungs!" höre ich meinen Lehrer wütend rufen, woraufhin mich alle ansehen. Ich werde rot wie eine Tomate, drehe mich sofort um, und gehe, ohne Ashton noch eines Blickes zu würdigen, zurück zu meinem Kurs. Na toll, jetzt hat es tatsächlich jeder mitbekommen.

"Was hast du mit Ashton zu tun?" Jacob sieht mich fragend an. Mittlerweile habe ich die Stunde mehr oder weniger erfolgreich hinter mich gebracht und stehe mit ihm wartend auf dem Schulhof. "Nichts, er hat mich dumm angemacht, also habe ich ihm die Meinung gesagt." Naja, eigentlich habe ich das nicht wirklich, aber egal. Jacob nickt und scheint meine Antwort ohne weiteres zu akzeptieren. Ein Glück. Als ich Justin in seinen Wagen steige sehe, verabschiede ich mich kurz von Jacob und gehe auf das Auto zu.

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