Kapitel 9 - Freitag, 29.05

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Wir haben 4 Uhr nachmittags und in drei Stunden geht unser Flieger nach Europa.
Endlich! Ich freue mich schon so sehr, weil ich noch nie in Europa war. Unser Flug dauert relativ lange, was mich jedoch nur wenig stört. Trotz Sommerferien sollen wir für das nächste Schuljahr schon eine Lektüre lesen, die ich mir für die Zeit, in der ich nicht schlafen werde, mitgenommen habe. Außerdem habe ich eine riesige Playlist mit meinen liebsten Songs erstellt, die ich den ganzen Flug über hören kann. Besonders aufgeregt bin ich jedoch über die Familie, die mitkommen wird. Ob deren zwei Mädchen wohl nett sein werden? Ach egal, falls nicht, lege ich mich einfach an den schönen Strand von Südfrankreich. Dad wird die meiste Zeit sowieso arbeiten müssen, genauso wie Mum. "Hast du alles?" fragt mich Mum, die hektisch durch das ganze Haus rennt und die letzten Sachen zusammen packt. "Ja" gebe ich belustigt von mir und trage meinen schwarzen Koffer die Treppen hinunter. "Sicher? Der Koffer kommt mir so klein vor." "Mum, ich brauche nicht so viel Zeug." Genervt stecke ich mir noch meine Flasche Wasser ein und schultere meinen Rucksack. "Vici, Schatz? Hast du die Flugtickets?" Mein Dad sieht nervös aus, was mich schmunzeln lässt. "Ja." gibt meine Mutter von sich und dreht sich zu Justin um, der die ganze Situation schon eine Weile beäugt. "Ich warne dich, Justin Carter! Wehe, du stellst auch nur eine Kleinigkeit an, dann hast du ein riesen Problem, haben wir uns da verstanden?!" Er nickt, auch wenn ich mir sicher bin, dass ihm die Drohung meiner Mum ziemlich egal ist. Hauptsache wir verschwinden endlich. "Mrs Claude kommt in einer Stunde. Du wirst der Nachhilfe nachgehen und dich ihr nicht widersetzen. Falls doch, werden wir sofort informiert." Er rollt die Augen. "Alter, ich bin 18 und brauche keinen Babysitter." "1. bin ich noch gar nicht so alt und 2. oh doch, den brauchst du." Mir entflieht ein Lachen, welches mit einem bösen Blick von Dad quittiert wird. "Dann bis in zwei Wochen." Mum und Dad umarmen Justin kurz, während ich schonmal ins Auto steige. Von diesem Arsch verabschiede ich mich sicher nicht. Immerhin macht er mir mein Leben zur Hölle, besonders die letzten Wochen. Auch, wenn Ashton mich einigermaßen in Ruhe gelassen hat, wurde ich von Justin genug bestraft. Arschloch!

Auf der Fahrt summe ich leise zur Musik im Radio, während ich aus dem Fenster sehe. Giulia fliegt morgen für ganze zwei Monate zu ihrer restlichen Familie nach Italien. 2 Monate ohne meine beste Freundin, wie soll ich das bitte durchhalten?! Wenigsten muss ich meinen bescheuerten Bruder eine Weile nicht sehen. Jacob wird gegen Ende der Ferien seinen Dad besuchen, der getrennt von seiner Mum irgendwo in California lebt. Aber vorher macht er noch mit seiner Familie einen Trip nach London. Und Michelle wird irgendwo nach Spanien fliegen. Und ich nach Südfrankreich! Dieser Gedanke treibt mir ein breites Lächeln ins Gesicht. Plötzlich fällt mir wieder die Familie ein, mit der wir fliegen werden. Hoffentlich sind die Mädchen nicht solche Tussen und schmeißen sich an jeden Typen ran. Das wäre einfach nur schrecklich! Das eine Mädchen soll Ruby und das andere Amanda heißen. Ich mag die Namen, zumindest jetzt noch. Falls sie sich als unsympathisch herausstellen, werde ich die Namen auf jeden Fall scheiße finden.
Mein Handy vibriert, als ich drauf schaue, sehe ich eine Nachricht von Giulia.

>Schreib mir, wenn ihr gelandet seid!<

>Du mir auch! < tippe ich schnell ein und verschicke die Nachricht. Ich finde es unglaublich süß, dass sie sich Sorgen um mich macht.

>Hoffentlich finde ich endlich einen passenden Jungen.<

Bei dieser Nachricht muss ich lächeln. Arme Giulia, sie wünscht sich schon so lange eine Beziehung. Geschockt sehe ich auf mein Handy, als ich ihre zweite Nachricht lese.

>Hoffentlich bist du noch Jungfrau, wenn du wieder zurück kommst.<

Das hat sie nicht geschrieben!!! Omg, das ist nicht ihr ernst! Wie kommt sie bitte darauf?!

>Zu deiner ersten Nachricht: Bestimmt, ich drücke dir die Daumen. Und zu deiner zweiten: wen zur Hölle sollte ich da kennenlernen?! <

>Mamma Mia, ein Ferienhaus am Strand, da findest du bestimmt jemanden. Außerdem hast du keinen nervigen Bruder mit, der dich kontrollieren kann. Setz deinen heißesten Blick auf und schwing die Hüften auf einer Party.<

Ich muss anfangen zu lachen. Sie ist wirklich unglaublich! "Was ist so lustig?" höre ich Mum fragen, woraufhin mein Lachen sofort stoppt. "Nichts, nur ein witziges Video auf Youtube." versuche ich sie abzuwimmeln, was nicht wirklich klappt. "Zeig mal, ich will mitlachen." Na toll, was soll ich denn darauf bitte antworten? "Sorry Mum, ich finde den Link nicht mehr." lüge ich nach einer Weile, in der ich so getan habe, als würde ich den Link suchen. "Schade." seufzt sie, bohrt aber zum Glück nicht weiter nach.

>Du spinnst! Ich habe keine Lust auf Typen und für dich gilt im Übrigen das gleiche!< antworte ich Giulia nun endlich.

>Jaja, ich muss jetzt sowieso in den Flieger, wir hören voneinander. Ciao, baccoi.<

Ich verabschiede mich und schicke ebenfalls einen Kusssmiley, bevor ich aus dem mittlerweile geparkten Auto aussteige.

In der Bäckerei des Flughafens hole ich mir ein französisches Schokobrötchen, was meine Vorfreude nur noch verstärkt. Meine Eltern sitzen beide mit einem Kaffee vor mir und diskutieren über die Unterkunft. "James, ich finde es trotzdem nicht richtig dass sie uns das bezahlen. Immerhin ist es ein Fünf-Sterne-Ferienhaus." argumentiert meine Mum, woraufhin mein Dad entgegnet "Beruhige dich, das ist so abgeklärt. Er hat sich eben nicht dazu überreden lassen. Sein Argument war, dass es eine geschäftliche Reise ist und er sie deshalb übernimmt." "Eine geschäftliche Reise, bei der Frau und Kind mitkommen. Sehr witzig." "Vici, freu dich doch einfach. Wir laden sie ein paar mal zum Essen ein und dann ist die Sache geklärt, okay? Außerdem hat er darauf bestanden, einen Familienurlaub daraus zu machen. Wir sind gut befreundet, das passt schon." Wohl nicht auf diese Antwort meines Vaters vorbereitet, stöhnt Mum einmal auf und trinkt den letzten Schluck ihres Kaffees. Ich habe während ihrer Diskussionen gemütlich mein Gebäck verspeist und bin nun bereit für diesen langen Flug. Diese Familie scheint wirklich nett zu sein, wenn sie uns einfach einen ganzen Luxusfamilienurlaub schenkt. Hauptsache mal weg von zu Hause.

"Ich habe gerade eine Nachricht von David bekommen. Sie sind schon durch die Sicherheitskontrolle durch, wir sollten also langsam auch, immerhin startet in 30 Minuten unser Flieger." informiert uns mein Dad. Freudig darauf, dass es gleich losgehen wird, schnappe ich mir meinen Rucksack und laufe meinen Eltern hinterher. Bevor wir durch den Durchgang durch können, müssen wir all unsere Sachen in eine Box legen, sogar den Schmuck, von dem ich glücklicherweise nichts trage. Ein großer, breit gebauter Mann deutet mir an, hindurch zugehen, wobei ich anschließend von ihm mit einem Sensor abgescannt werde. Anschließend dürfen wir unsere Sachen wieder nehmen, die ebenfalls überprüft wurden. Strahlend laufe ich in den Wartebereich, wo eine große Glasscheibe zu sehen ist, durch die man die landenden und startenden Flugzeuge beobachten kann. Meine Eltern laufen auf eine Familie zu, ich folge ihnen, um ebenfalls Hallo zu sagen. Je näher wir ihnen kommen, desto genauer kann ich sehen, wer diese Leute sind, wobei mir der Atem stockt, als ich IHN sehe. Ashton.

LöwenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt