Kapitel 10

5K 189 0
                                    

Nein, nein, nein, das darf nicht wahr sein! Das geht nicht! Nein! Ich kann nicht zwei Wochen lang mit ihm in einem Haus leben, das kann keiner von mir erwarten! Oh mein Gott! Bitte, lass es nur ein Traum sein. Ein böser Traum, aus dem ich gleich erwachen werde. Bitte.
Aber nein, das ist es nicht. Er steht vor mir in seiner vollen Pracht. Mit seinen braunen Haaren und seinen grünen Augen, die mich ungläubig Mustern. Während sich unsere Eltern begrüßen und gegenseitig vorstellen, schauen wir uns einfach nur stumm an und sagen nichts. Ashton findet als erstes wieder seine Worte, als er sich zu seiner Mum umdreht. "Das hattest du nicht erwähnt!" knurrt er sie böse an, was mir einen kleinen Stich versetzt. Okay, ich freue mich auch nicht gerade darüber dass er mitfährt, aber er hätte es mir ja nicht so mitteilen müssen. Andererseits ist es Ashton Jones. Was erwarte ich? Etwa, dass er nett ist?! Was mich jedoch genauso schockt ist der Gedanke, dass auch seine Mutter mitfahren wird. Ja, sie ist Lehrerin auf unserer Schule und ich mag sie wirklich sehr gerne, aber dieser Gedanke ist schon ein wenig komisch.

"Wusstest du davon?" fragt er seine Mutter, die daraufhin nickt. "Und du hast nichts gesagt?! Du meintest, es würde ein nettes Mädchen mitkommen, nicht, dass es die ist!" Und mit diesen äußerst netten Worten mir gegenüber stapft er wütend weg. "Ashton!" ruft seine Mum ihm ebenso wütend hinterher, was ihn jedoch nicht zu interessieren scheint. Ein wenig verletzt sehe ich sie an und begrüße sie mit einem "Hallo.". Anschließend widme ich mich ihrem Mann. "Hallo Mr Jones." sage ich freundlich, woraufhin er erwidert "David. Nenn mich doch bitte David, immerhin verbringen wir zwei Wochen in einem Haus zusammen, nicht wahr, Allison?" Ich nicke und lächele ihn an. "Und ich bin Ruby! "stellt sich nun auch das etwas jüngere Mädchen vor. "Hey, ich heiße Ally." Sie kommt mir direkt sympathisch vor, zumindest viel sympathischer als ihr  großer Bruder. Trotz meines Lächelns auf den Lippen, bin ich sauer auf meine Eltern. Haben sie nicht von zwei Mädchen gesprochen?! "Wo ist denn euer Sohn?" fragt Mum die Lehrerin. Sie scheinen die Auseinandersetzung zwischen Ash und seiner Mutter überhaupt nicht mitbekommen zu haben, so vertieft wie sie in das Gespräch mit David waren. "Er muss sich abreagieren. Unwichtig." winkt sie ab und schaut mich leicht zerknirscht an. Wahrscheinlich ist ihr die ganze Situation ziemlich unangenehm.

Unser Flug wird aufgerufen, weshalb ich meinen Rucksack nehme und meiner Familie hinterherlaufe. Als Mum und ich ein paar Schritte weiter hinten sind, spreche ich sie darauf an. "Mum, hast du nicht gemeint, es würden zwei Mädchen mitkommen?" frage ich sie ernst, woraufhin sie mich entschuldigend ansieht. "Ich hab mich vertan. Tut mir leid. Wir waren auch verwundert, aber David hat es eben aufgeklärt. Ich habe seinen Sohn wohl mit seiner älteren Tochter Amanda verwechselt und dachte, sie würde mitkommen." Das darf doch alles nicht wahr sein! "So schlimm?" hakt sie nach, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkt. "Naja, er ist ein Kumpel von Justin und wir können uns nicht leiden." gebe ich leicht genervt von mir. "Ist vielleicht auch besser so, dass ihr euch nicht versteht, wenn er was mit Justin zu tun hat." sagt sie und drückt mich kurz an ihre Seite. "Es sind nur zwei Wochen und Ruby scheint doch wirklich nett zu sein." Ihr aufmunterndes Lächeln steckt mich an. Ich werde es schon irgendwie überleben.

Ruby überlässt mir netterweise den Fensterplatz, Ashton ist nicht mit uns zum Flugzeug gegangen, was mich irritiert. Fliegt er ernsthaft nicht mit?! Da es in diesem Flieger nur vierer Reihen gibt, sitzen unsere Eltern in einer, Ruby und ich in der davor. Meine Frage von eben erübrigt sich, als sich Ashton genervt auf den Platz neben seiner Schwester fallen lässt. Innerlich danke ich ihr noch einmal für den Platz, weil ich so nicht direkt neben diesem Idioten sitzen muss. 14 Stunden in einem Flugzeug mit ihm. Das kann ja nur super werden...
Genervt stecke ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und schalte meine Lieblingsmusik ein. 'Du wirst es überleben!' denke ich nur und atme einmal tief durch. Da es gerade mal halb 8 ist und wir erst seit einer halben Stunde fliegen, schaffe ich es einfach nicht einzuschlafen. Als ich genug von der Musik habe, nehme ich mir meine Lektüre zur Hand und betrachte sie. Warum sind Schullektüren immer so langweilig gestaltet? Ich meine, wer kauft sowas bitte freiwillig?! "Was liest du da?" fragt mich Ruby interessiert, während ich sie lächelnd anschaue. "Ach, nur für die Schule." "Wow. Unsere Ferien haben vor nicht mal einer Woche begonnen und du bereitest dich schon aufs nächste Schuljahr vor?" Ich nicke. "Bewundernswert. Ich wünschte, ich wäre so motiv-" sie wird durch die raue Stimme ihres Bruders unterbrochen. "Könnt ihr mal die Klappe halten?! Es gibt Leute, die schlafen wollen!" knurrt er und sieht uns finster an. Irgendwann bringe ich ihn um! "Steck dir deine scheiß Ohrstöpsel in die Ohren und lass uns mit deiner schlechten Laune in Ruhe!" fauche ich zurück und sehe ihn mit meinem Todesblick an. "Denkst du ernsthaft, du kannst mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe?!" Er lacht und es ist ein verdammt falsches Lachen! "Ach, aber du mir?! " provoziere ich ihn, woraufhin er verächtlich schnaubt. "Vergiss nicht, dass ich ein Jahr älter bin und dir dein Leben zur Hölle machen kann." " Bringt dir trotzdem nichts, wenn du sitzen bleibst." Mein herablassender Ton unterstützt meine Empfindungen ihm gegenüber perfekt. "Noch ein Wort und-" "und was? Du machst mir den Urlaub kaputt? Oder das Schuljahr? Weißt du was Ashton, es interessiert mich nicht! Allgemein interessierst du mich nicht! Auch, wenn es für dich schwer zu verkraften scheint, dass sich mal jemand nicht für dich interessiert, wirst du es wohl oder übel hinnehmen müssen." Bevor er etwas erwidern kann, unterbricht eine blonde Stewardess unseren Streit.

"Was möchten Sie zu Abend essen?" fragt sie überfreundlich und schmachtet ernsthaft Ashton an. Mal ehrlich, er ist doch viel jünger als sie. "Ich nehme Nummer 4." wirft Ruby ein, die bis eben gerade still unserer Auseinandersetzung gefolgt ist. "Und ich Nummer 7." gebe ich eintönig von mir, Ashton's Bestellung ignoriere ich und widme mich wieder meiner Lektüre. "Alles klar, kommt sofort." meint dieses dumme Blondchen und verschwindet wieder arschwackelnd. Ashton hat anscheinend wieder seine Musik angeschaltet und lässt uns in Ruhe. "Du bist echt der Hammer." flüstert mir Ruby ins Ohr. "Wieso?" frage ich sie verwirrt, woraufhin sie ihre Augen ungläubig aufreißt. "Nicht mal ich traue mich ihm so die Meinung zu geigen! Außer dir macht es nur Amanda, unsere große Schwester. Und manchmal unsere Eltern, aber die müssen es ja schließlich." Sie lächelt, woraufhin ich mit einsteige. "Irgendjemand muss ihn ja wohl mal von seinem hohen Ross runterholen, oder?" Verlegen spiele ich mit einer Haarsträhne. "Und er hat es nicht anders verdient." mit diesen Worten stecke ich meinen Kopf wieder hinter die Lektüre und beginne, die ersten Worte zu lesen.

LöwenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt