Forest princess

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"Aaahhrgh"
Mein Schrei hallt durch diesen gottverlassenen Wald. Ebenso die stumpfen Schläge meiner Faust auf Holz. Schmerz schießt durch meine Hand den Arm hinauf. Wäre ich nicht so verdammt wütend, würde es vermutlich mehr wehtun. Aber so? Dieser Schmerz ist mir nicht unbekannt.
Ich hasse alles. Meine Mutter, mein Drecksleben und diese verfickten Insekten überall. Einfach alles.
Am liebsten würde ich ja - "AHH FUCK"
Mit der Nase vorraus liege ich auf dem Boden. Mein Fuß hat sich in einer Wurzel verfangen. Natürlich. Ich zähle bis 10, damit ich nicht gleich nochmak schreie. Und dann gleich nochmal, weil es nicht funktioniert. Schnaubend stütze ich mich auf meine Unterarme und hiefe mich noch. Großartig. Jetzt bin ich auch noch dreckig und nass und - "Hihihi". Was?
Ein Lachen. Jemand lacht. In einem gottverlassenen Wald lacht jemand. Ich drehe mich, auf der Suche nach dieser Kichererbse, im Kreis wie ein blöder Hund. Und sehe dabei wahrscheinlich genauso bescheuert aus wie ich mich fühle. "Hihihi"
Die Kichererbse denkt anscheinend das gleiche.
Jetzt reicht's mir aber. "EY!" schreie ich ins leere Unterholz. "Kannst du eigentlich nichts anderes außer schreien?"
"Wer zur Hölle ist?! Jetzt zeig dich!"
"Anscheinend nicht" schnaubt jemand. Nicht jemand. Ein Mädchen. Was für eine Überraschung bei meinem Glück. Langsam hab ich die Schnauze aber gewaltig voll. Meine Augen schweifen unruhig durch die Gegend, die Ohren gespitzt. Sie muss hier doch sein. Das Lachen und die Stimme waren ganz in der Nähe. Und dann seh ich es. Einen Schatten. Einen verdammt menschlich aussehenden Schatten. In der Luft.
Ganz langsam legt sich mein Kopf in den Nacken und - "Was zum?!"
Da sitzt doch tatsächlich ein Mädchen auf dem Baum. Ihre Arme sind an der Seite auf dem Ast unter ihrem Arsch abgestützt und sie lässt seelenruhig ihre Beine baumeln. 'Keine Schuhe' schießt es mir durch den Kopf. Keine Schuhe?!
Ihr Kopf ist leicht zur Seite geneigt und ihre tiefschwarzen schulterlangen Haare fallen ihr über ihre schmale Schulter, auf den rosigen Lippen liegt ein amüsiertes Lächeln. Rosige Lippen? Okay Alter,  du hast dir doch den Kopf beim Sturz angeschlagen und jetzt liegst du bewusstlos auf dem Boden und verblutest gerade. "Bist du fertig mit deiner Musterung? Ich bin es nämlich und mir wird langweilig." Ihre tannengrünen Augen treffen auf meine schwarze. 'Alter, hör jetzt auf mi diesem Geschnulze!'
"Wer bist du?" frage ich endlich mal. Natürlich mit einem guten Schuss Misstrauen. "Amelia und wie heißt du?" "Daemon" brumme ich ihr grimmig entgegen. "Aber das war nicht meine Frage"
'Ohh' kommt es nur tonlos von ihr zurück. Amelias Blick schweift weiter nach unten und sie reißt erschrocken ihre Augen auf. 'Was ist denn mit der jetzt los?'
"Ohh du blutest. Warte" Bewegung kommt in ihren Körper und sie lässt sich einfach von dem Ast fallen. Von dem sehr hohen Ast. Leichtfüßig trifft sie auf den weichen Walfboden und schwebt zu mir. Im Ernst schwebt, ihre Füße berühren kaum die Erde. Und dann fühle ich ihre Hände an meinen. Ganz sanft untersucht sie die verletzte Haut. Und ich? Ich stehe einfach nur wie der größte Trottel da und lass sie machen. "Das ist nicht weiter schlimm. Bin dran gewohnt" mit diesen Worten entziehe ich ihr endlich meine Hände und verschränke sie vor meiner Brust. Ihre Reaktion trifft mich unerwartet. Ich hätte mit wirklich allem gerechnet, aber nicht mit Wut. Und ich funkeln mich nun ihre zornigen Augen entgegen. "Du bist das gewohnt?! Wie kann man sich bloß so gehen lassen, du Idiot" dabei hat sie mich doch tatsächlich auf den Arm gehauen. Hart. "Du bist ja ganz schön wild, Kätzchen"
Weil ihr Gang mich an eine Raubkatze erinnert. An einen Panther. Aber sie ist so klein und wirkt so zerbrechlich.  Was sie ganz eindeutig nicht ist. "Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet."
Sie blickt mich stumm an und mein verdammtes Herz gerät kurz ins staucheln. Verdammt, ich hab sie doch nicht mehr alle. "Wenn ich es dir erzähle, glaubst du mir doch eh nicht" spricht sie nun ganz ernst...und traurig? "Versuchs doch einfach mal" mit einer Augenbraue nach oben gezogen, sehe ich sie auffordernd an. Kurzes Lächeln, dann "Ich bin die Waldprinzessin"
Ooookay, dass kam jetzt unerwartet. Der Panther steckt also voller Überraschungen. Ich will gerade zu einer meiner typisch sarkastischen Antworten ansetzten, aber irgendwas lässt mich inne halten. Irgendwas in den Tiefen ihrer Augen. Irgendwas uraltes und (innerlicher Arschtritt) magisches ist ihnen. Und noch etwas, mir sehr gut beaknntes schimmert noch in ihnen. Einsamkeit.
Also sage ich das einzig Richtige. "Ja, dass bist du"
Und als sie mich erleichert und schüchtern? anlächelt, glaube ich meinen Worten.
Weil dieses Mädchen mit ihren grünen Augen und den nackten Füßen eine ähnliche Einsamkeit kennt, wie sie auch in mir immer geschlummert hat.
Also glaube ich dem Panther und tue etwas was ich sehr lange nicht mehr getan habe. Ich lächle zurück.

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